Ansprache von Papst Franziskus beim Gebet des Regina Caeli am Sonntag, 24. April

Zeichen seiner Gegenwart und Liebe

 Zeichen seiner Gegenwart und Liebe  TED-017
29. April 2022

Heute, am letzten Tag der Osteroktav, berichtet uns das Evangelium von der ersten und zweiten Erscheinung des Auferstandenen vor den Jüngern. Jesus kommt an Ostern, als sich die Apostel aus Furcht im Abendmahlssaal eingeschlossen haben, aber da Thomas, einer der Zwölf, nicht anwesend ist, erscheint er acht Tage später von Neuem (vgl. Joh 20,19-29). Konzentrieren wir uns auf die beiden Protagonisten, Thomas und Jesus, und betrachten wir zunächst den Jünger und dann den Meister. Es ist ein schöner Dialog, den diese beiden führen.

Vor allem der Apostel Thomas. Er steht für uns alle, die wir nicht im Abendmahlssaal dabei waren, als der Herr erschien, und die auch keine anderen physischen Zeichen oder Erscheinungen von ihm erlebt haben. Auch uns fällt es manchmal schwer, wie diesem Jünger: wie kann man glauben, dass Jesus auferstanden ist, dass er uns begleitet und Herr unseres Lebens ist, ohne ihn gesehen, ohne ihn berührt zu haben? Wie gelingt es uns, das zu glauben? Warum gibt uns der Herr kein deutlicheres Zeichen seiner Gegenwart und seiner Liebe? Irgendein Zeichen, damit ich besser sehen kann... Nun, auch wir sind wie Thomas, mit denselben Zweifeln, denselben Überlegungen.

Aber wir müssen uns dafür nicht schämen. Indem das Evangelium uns die Geschichte von Thomas erzählt, sagt es uns nämlich, dass der Herr keine perfekten Chris-ten sucht. Der Herr sucht keine perfekten Christen. Ich sage euch: ich habe Angst, wenn ich manche Christen sehe, manche Gruppen von Chris-ten, die meinen, sie seien perfekt. Der Herr sucht keine perfekten Chris-ten; der Herr sucht keine Christen, die niemals zweifeln und immer einen sicheren Glauben zur Schau stellen. Wenn ein Christ so ist, dann stimmt etwas nicht. Nein, das Abenteuer des Glaubens besteht, wie bei Thomas, aus Licht und Schatten. Wenn nicht, was für ein Glaube wäre es dann? Er kennt Zeiten des Trostes, des Elans und der Begeisterung, aber auch Müdigkeit, Verwirrung, Zweifel und Dunkelheit. Das Evangelium zeigt uns die »Krise« des Thomas, um uns zu sagen, dass wir die Krisen des Lebens und des Glaubens nicht fürchten müssen. Krisen sind keine Sünde, sie sind Weg, wir müssen sie nicht fürchten. Oft machen sie uns demütig, weil sie uns die Vorstellung nehmen, in Ordnung zu sein, besser zu sein als die anderen. Die Krisen helfen uns zu erkennen, dass wir bedürftig sind: Sie lassen unser Bedürfnis nach Gott wieder aufleben und ermöglichen es uns dadurch, zum Herrn zurückzukehren, seine Wunden zu berühren, erneut die Erfahrung seiner Liebe zu machen, wie beim ersten Mal. Liebe Brüder und Schwestern, ein unvollkommener aber demütiger Glaube, der immer zu Jesus zurückkehrt, ist besser als ein starker, aber anmaßender Glaube, der uns stolz und arrogant macht. Wehe denen, wehe!

Und wie verhält sich Jesus angesichts der Abwesenheit des Thomas und seines Weges, der oft auch der unsere ist? Im Evangelium heißt es zweimal, dass er »kam« (V. 19.26). Ein erstes Mal, dann ein zweites Mal acht Tage später. Jesus gibt sich nicht geschlagen, er wird unser nicht überdrüssig, er hat keine Angst vor unseren Krisen, vor unseren Schwächen. Er kommt immer wieder zurück: wenn die Türen verschlossen sind, kehrt er wieder; wenn wir zweifeln, kommt er wieder; wenn wir wie Thomas das Bedürfnis haben, ihm zu begegnen und ihn aus größerer Nähe zu berühren, kommt er wieder. Jesus kommt immer wieder, er klopft immer an die Tür, und er kehrt nicht mit mächtigen Zeichen zurück, die uns klein und unzulänglich, ja beschämt fühlen lassen würden, sondern mit seinen Wunden; er kommt wieder und zeigt uns seine Wunden, Zeichen seiner Liebe, die unsere Schwächen angenommen hat.

Brüder und Schwestern, gerade wenn wir Augenblicke der Müdigkeit oder der Krise durchmachen, möchte Jesus, der Auferstandene, zurückkommen, um bei uns zu sein. Er wartet nur darauf, dass wir ihn suchen, dass wir ihn anrufen, sogar dass wir wie Thomas protestieren, und ihm unsere Nöte und unseren Unglauben bringen. Er kehrt immer wieder zurück. Warum? Weil er geduldig und barmherzig ist. Er kommt, um die Käfige unserer Ängste und unseres Unglaubens zu öffnen, weil er uns immer eine weitere Chance geben will. Jesus ist der Herr der »weiteren Chancen«: er gibt uns immer eine weitere Chance, immer. Denken wir also an das letzte Mal – erinnern wir uns ein wenig –, als wir uns in einem schwierigen Augenblick oder in einer Zeit der Krise in uns selbst, in unseren Problemen verbarrikadiert und Jesus außen vor gelassen haben. Und nehmen wir uns erneut vor, beim nächsten Mal, wenn wir müde sind, Jesus zu suchen, zu ihm zurückzukehren, zu seiner Vergebung – er vergibt immer, immer! – zurückzukehren zu den Wunden, die uns geheilt haben. Auf diese Weise werden wir auch imstande sein, Mitgefühl zu empfinden und den Wunden der anderen ohne Starrheit und ohne Vorurteile zu begegnen.

Möge uns die Gottesmutter, die Mutter der Barmherzigkeit – am Montag nach dem Barmherzigkeitssonntag betrachte ich sie gerne als Mutter der Barmherzigkeit – auf dem Weg des Glaubens und der Liebe begleiten.

Nach dem Regina Caeli sagte der Papst:

Liebe Brüder und Schwestern,

heute feiern verschiedene katholische und orthodoxe Ostkirchen sowie einige lateinische Gemeinschaften nach dem julianischen Kalender Ostern. Wir haben ihn letzten Sonntag nach dem gregorianischen Kalender gefeiert. Ich entbiete ihnen meine besten Wünsche: Christus ist auferstanden, er ist wirklich auferstanden! Möge er die guten Erwartungen der Herzen mit Hoffnung erfüllen. Möge er den durch die Barbarei des Krieges geschmähten Frieden bringen. Gerade heute sind es zwei Monate, dass dieser Krieg begonnen hat: statt aufzuhören, ist der Krieg eskaliert. Es ist traurig, dass man in diesen Tagen, die für alle Christen doch die heiligs-ten und feierlichsten sind, mehr den tödlichen Lärm der Waffen hört als den Klang der Glocken, die die Auferstehung verkünden; und es ist traurig, dass die Waffen immer mehr an die Stelle des Wortes treten.

Ich erneuere meinen Appell für einen Osterfrieden, ein minimales und greifbares Zeichen von Friedensbereitschaft. Der Angriff möge gestoppt werden, um das Leid der erschöpften Bevölkerung zu lindern; man halte ein, in Gehorsam gegenüber den Worten des auferstandenen Herrn, der seinen Jüngern am Ostertag wiederholt: »Friede sei mit euch!« (Lk 24,36; Joh 20,19.21). Ich bitte alle darum, ihre Gebete für den Frieden zu verstärken und den Mut zu haben, zu sagen und zu zeigen, dass Friede möglich ist. Die politisch Verantwortlichen mögen bitte auf die Stimme der Menschen hören, die den Frieden wollen, nicht aber eine Eskalation des Konflikts.

In diesem Zusammenhang grüße ich die Teilnehmer an dem außerordentlichen Marsch für Frieden und Brüderlichkeit, der heute von Perugia nach Assisi stattfindet, und danke ihnen, wie auch all denen, die sich in anderen Städten Italiens an ähnlichen Veranstaltungen beteiligt haben.

Die Bischöfe von Kamerun unternehmen heute mit ihren Gläubigen eine nationale Wallfahrt zum Marienheiligtum von Marianberg, um das Land wieder der Mutter Gottes zu weihen und unter ihren Schutz zu stellen. Sie beten vor allem für die Rückkehr des Friedens in ihrem Land, das seit über fünf Jahren in verschiedenen Regionen von Gewalt heimgesucht wird. Lasst auch uns gemeinsam mit unseren Brüdern und Schwestern in Kamerun unser Gebet erheben, dass Gott auf die Fürsprache der Jungfrau Maria diesem geliebten Land bald einen wahren und dauerhaften Frieden schenken möge.

Ich grüße euch alle, die Römer und die Pilger, die aus Italien und aus vielen Ländern gekommen sind. Mein besonderer Gruß gilt den Polen, mit einem Gedanken für ihre Landsleute, die den von der Caritas ausgerufenen »Tag des Guten« begehen, wie auch den Opfern der Grubenunglücke. Ich grüße die Gläubigen aus Mailand, Faenza, Verolanuova, Nembro und die Freiwilligen des Malteserordens aus Vicenza. Ein besonderer Gruß gilt der Wallfahrt der jungen Firmlinge aus der Diözese Piacenza–Bobbio, die von ihrem Bischof begleitet werden, sowie den Firmlingen aus Mondovì, Almenno San Salvatore, Albegno, Cazzago San Martino und Alta Padovana, wie auch der Gruppe aus Sant’Angelo Lodigiano und den Ministranten aus Spirano. Ich grüße die Verehrer der Göttlichen Barmherzigkeit, die heute hier in der Wallfahrtskirche Santo Spirito in Sassia versammelt sind, sowie die Teilnehmer an der Pilgerfahrt von Sankt Michael bei der Klus nach Monte Sant’Angelo.

Allen einen schönen Sonntag! Und bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Gesegnete Mahlzeit und auf Wiedersehen.