Italienischer Fernsehsender Rai1 strahlte am Karfreitag Interview mit Papst Franziskus aus

Wir haben die Sprache des Friedens vergessen...

 Wir haben die Sprache des Friedens vergessen...  TED-017
29. April 2022

Vatikanstadt. Papst Franziskus hat den Ukraine-Krieg und die zahlreichen anderen Konflikte weltweit, darunter in Syrien und im Jemen, verurteilt. »Überall gibt es Krieg. (...) Die Welt hat – es ist hart, das zu sagen – das Schema Kains gewählt, und der Krieg bedeutet, den Kainismus ins Werk zu setzen, das heißt, den Bruder zu töten«, sagte der Papst in einem am Karfreitagnachmittag, 15. April, ausgestrahlten Interview mit dem italienischen TV-Sender Rai 1. »Wir haben die Sprache des Friedens vergessen«, mahnte Franziskus. Er verstehe vor diesem Hintergrund zwar Regierungen, die Waffen kaufen und aufrüs-ten wollen, so der Papst weiter. »Ich rechtfertige sie nicht, aber ich verstehe sie.« Das geschehe aber nur, »weil wir uns verteidigen müssen, weil dies das Kain-Schema des Krieges ist«, betonte Franziskus mit Bezug auf den Brudermord von Kain an Abel in der Bibel.

Die Menschheit lebe »nach diesem teuflischen Schema, das besagt, dass wir uns gegenseitig töten sollen – um der Macht willen, um der Sicherheit willen und um vieler Dinge willen«. Innerhalb eines Schemas oder Paradigmas des Friedens wäre das nicht notwendig, so der Papst. »Die Vereinten Nationen haben alles getan, aber ohne Erfolg.«

In dem längeren Interview mit der TV-Moderatorin Lorena Bianchetti für die religiöse Sendereihe »A Sua Immagine« (Nach seinem Abbild) beklagte der Papst auch die Unfähigkeit vieler Menschen zu weinen. »Ich bin überzeugt davon, dass wir heute nicht mehr gut weinen können. Wir haben vergessen, wie man weint« sagte er. Daher seien Freudentränen sein Wunsch für das Osterfest. »Mein Wunsch ist es, die Hoffnung nicht zu verlieren.« Er wolle daher um die Gnade bitten, »zu weinen, aber Tränen der Freude, des Trostes, Tränen der Hoffnung.«

Der Papst sprach auch das Thema Ausbeutung von Frauen an. »Gewalt gegen Frauen ist unser tägliches Brot. Frauen, die geschlagen werden, die durch die Hand ihrer Partner Gewalt erleiden und das alles schweigend ertragen oder gehen, ohne zu sagen, warum sie gegangen sind«, so der Papst. »Die Frauen sind in der Lage, auch einem Toten das Leben einzuhauchen«, zitierte Franziskus ein ihm bekanntes Sprichwort, mit dem er ausdrücken wollte, dass die Frauen die innere Stärke besitzen, die es ihnen ermöglichte, auch unter dem Kreuz auszuharren. »Frauen sind die Stärke« und »die Reserve der Menschheit«, so der Papst.

Im Gespräch mit der Interviewerin Bianchetti verwahrte sich der Papst auch gegen den Vorwurf, dass er zu viel vom Bösen spreche. »Manche sagen, dass ich zu viel über den Teufel rede. Aber das ist eine Realität«, sagte Franziskus. Einige meinten, der Teufel sei ein Mythos. »Ich halte nichts vom Mythos, ich halte mich an die Realität, ich glaube daran«, so Franziskus. Franziskus betonte, dass er jeden Morgen in einem kurzen Gebet um Beistand gegen den Teufel bete.

Das Interview im vollen Wortlaut findet sich auch in deutscher Übersetzung auf der Internetseite des Heiligen Stuhls vatican.va.