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Chrisammesse am Gründonnerstag im Petersdom

Die überaus große Gnade, Priester zu sein

 Die überaus große Gnade, Priester zu sein  TED-017
29. April 2022

In der Lesung aus dem Propheten Jesaja, die wir gerade gehört haben, macht der Herr eine hoffnungsvolle Verheißung, die uns unmittelbar berührt: »Ihr aber werdet Priester des Herrn genannt, / Diener unseres Gottes sagt man zu euch/ [...] Ich zahle ihnen den Lohn in Treue aus / und schließe einen ewigen Bund mit ihnen« (61,6.8). Priester zu sein, liebe Brüder, ist eine Gnade, eine über-aus große Gnade, die nicht in erster Linie eine Gnade für uns ist, sondern für die Menschen1; und für unser Volk ist es ein großes Geschenk, dass der Herr aus seiner Herde einige auswählt, die sich als Väter und Hirten ausschließlich um seine Schafe sorgen. Es ist der Herr selbst, der den Priestern ihren Lohn zahlt: »Ich zahle ihnen den Lohn in Treue aus« (Jes 61,8). Und er, wir wissen es, entlohnt gut, auch wenn er seine Besonderheiten hat, wie zum Beispiel, dass er die Letzten zuerst bezahlt und dann die Ersten: Das entspricht seinem Stil.

Die Lesung aus dem Buch der Offenbarung sagt uns, welches der Lohn des Herrn ist. Es ist seine Liebe und die bedingungslose Vergebung unserer Sünden um den Preis seines am Kreuz vergossenen Blutes: »Ihm, der uns liebt und uns von unseren Sünden erlöst hat durch sein Blut, der uns zu einem König-reich gemacht hat und zu Priestern vor Gott, seinem Vater« (1,5-6). Es gibt keinen besseren Lohn als die Freundschaft mit Jesus, vergessen wir das nicht. Es gibt keinen größeren Frieden als seine Vergebung und das wissen wir alle. Es gibt keinen höheren Preis als den seines kostbaren Blutes, das wir nicht durch unwürdiges Verhalten verachten dürfen.

Wenn wir mit dem Herzen lesen, liebe Brüder im Priesteramt, so sind das Aufforderungen des Herrn dazu, ihm treu zu sein, seinem Bund treu zu sein, uns lieben zu lassen, uns vergeben zu lassen; es sind Aufforderungen nicht nur an uns selbst, sondern auch, damit wir dem heiligen gläubigen Volk Got-tes mit gutem Gewissen dienen können. Die Menschen verdienen das und sind auch darauf angewiesen. Das Lukasevangelium berichtet, dass Jesus, nachdem er den Abschnitt aus dem Propheten Jesaja vor seinem Volk vorgelesen und sich gesetzt hatte, »die Augen aller […] auf ihn gerichtet« waren. (4,20). Auch das Buch der Offenbarung spricht heute zu uns von den Augen, die auf Jesus gerichtet sind, von der unwiderstehlichen Anziehungskraft des gekreuzigten und auferstandenen Herrn, die uns zur Anbetung und Erkenntnis führt: »Siehe, er kommt mit den Wolken und jedes Auge wird ihn sehen, auch alle, die ihn durchbohrt haben; und alle Völker der Erde werden seinetwegen jammern und klagen.« (1,7). Die endgültige Gnade bei der Wiederkunft des auferstandenen Herrn wird ein unmittelbares Erkennen sein: Wir werden ihn durchbohrt sehen, wir werden erkennen, wer er ist und wer wir sind, Sünder; nichts weiter.

»Unsere Augen auf Jesus zu richten« ist eine Gnade, die wir als Priester pflegen müssen. Am Ende des Tages ist es gut, auf den Herrn zu schauen und ihn in unser Herz schauen zu lassen, und dies zusammen mit den Herzen der Menschen, denen wir begegnet sind. Es geht nicht darum, Sünden aufzulisten, sondern um eine liebevolle Betrachtung, in der wir mit den Augen Jesu auf unseren Tag blicken und so die Gnaden des Tages, die Gaben und alles, was er für uns getan hat, sehen, um dafür zu danken. Und wir zeigen ihm auch unsere Versuchungen, damit wir sie erkennen und zurückweisen. Wie wir sehen, geht es darum, zu verstehen, was dem Herrn wohlgefällig ist und was er hier und jetzt, in unserer gegenwärtigen Situation, von uns will.

Wenn wir seinen gütigen Blick aushalten, wird er uns vielleicht auch einen Wink geben, ihm unsere Götzenbilder zu zeigen: jene Götzenbilder, die wir, wie Rahel, unter den Falten unseres Mantels versteckt haben (vgl. Gen 31,34-35). Wenn wir den Herrn einen Blick auf unsere verborgenen Götzen werfen lassen – und wir alle haben welche! –, werden wir ihnen gegen-über erstarken und es nimmt ihnen die Macht.

Der Blick des Herrn lässt uns erkennen, dass wir uns in ihnen in Wirklichkeit selbst verherrlichen2, denn dort, in diesem Raum, den wir so leben, als wäre er ausschließlich unserer, mischt sich der Teufel ein und fügt ein überaus bösartiges Element hinzu: Er sorgt dafür, dass wir uns nicht nur an uns selbst »erfreuen«, indem wir einer Leidenschaft freien Lauf lassen oder eine andere pflegen, sondern er bringt uns auch dazu, mit ihnen, mit diesen verborgenen Götzen, die Gegenwart der Göttlichen Personen, die Gegenwart des Vaters, des Sohnes und des Geis-tes, die in uns wohnen, zu ersetzen. Das ist es, was in der Tat geschieht. Obwohl man sich einredet, dass man sehr wohl unterscheiden kann, was ein Götze und wer Gott ist, nimmt man in der Praxis der Dreifaltigkeit allmählich den Platz weg und gibt ihn dem Teufel, in einer Art indirekter Anbetung: Man hält ihn versteckt, aber man hört ständig seinen Reden zu und konsumiert seine Erzeugnisse, so dass am Ende nicht einmal mehr ein Winkel für Gott übrigbleibt. Denn er ist so, er geht langsam voran. Und ein anderes Mal habe ich von den »höflichen« Dämonen gesprochen, von denen Jesus sagt, dass sie schlimmer sind als der Dämon, der verjagt wurde. Sie sind »höf-lich«, sie klingeln, sie treten ein und ergreifen schrittweise Besitz von dem Haus. Wir müssen aufpassen, dies sind unsere Götzenbilder.

Es ist so, dass die Götzen etwas Persönliches, ein persönliches Element aufweisen, wenn wir sie nicht entlarven, wenn wir nicht zulassen, dass Jesus uns zeigt, dass wir in ihnen unglücklich und grundlos nach uns selbst suchen und dass wir dem Bösen Raum geben, um sich einzumischen. Wir müssen bedenken, dass der Teufel von uns verlangt, seinen Willen zu tun und ihm zu dienen, aber er verlangt nicht immer, dass wir ihm zu jeder Zeit dienen und anbeten, nein, er weiß sich geschickt zu verhalten, er ist ein großer Diplomat. Ihm genügt es, hin und wieder angebetet zu werden, um zu zeigen, dass er unser wahrer Herr ist und er sich in unserem Leben und in unserem Herzen sogar wie Gott fühlt.

In dieser Chrisammesse möchte ich mit euch nun drei Bereiche des verborgenen Götzendienstes gemeinsam bedenken, in denen der böse Feind seine Götzen benutzt, um uns unserer Berufung als Hirten zu berauben und uns nach und nach von der wohltuenden und liebenden Gegenwart Jesu, des Geistes und des Vaters zu trennen.

Ein erster Raum des verborgenen Götzendienstes öffnet sich dort, wo es eine geistige Weltlichkeit gibt, sie ist »ein Lebensmodell […], eine Kultur; sie ist eine Kultur des Vergänglichen, eine Kultur des schönen Scheins, eine Kultur des Make-Ups«3. Ihr Kriterium ist der Triumphalismus, ein Triumphalismus ohne das Kreuz. Und Jesus betet, dass der Vater uns vor dieser Kultur der Weltlichkeit schützen möge. Diese Versuchung einer Herrlichkeit ohne das Kreuz widerspricht der Person des Herrn, widerspricht Jesus, der sich in der Menschwerdung erniedrigt und der als Zeichen des Widerspruchs das einzige Heilmittel gegen jeden Götzen ist. Mit Chris-tus arm zu sein, »weil Christus die Armut gewählt hat«, das ist die Logik der Liebe und keine andere. Im heutigen Abschnitt des Evangeliums sehen wir, wie der Herr sich in seine bescheidene Kapelle und in sein kleines Dorf, das Dorf seines ganzen Lebens, begibt, um die gleiche Botschaft zu verkünden, die er am Ende der Geschichte verkünden wird, wenn er in seiner Herrlichkeit, umgeben von den Engeln, kommt. Und unsere Augen müssen fest auf Christus gerichtet sein, im Hier und Jetzt der Geschichte Jesu mit mir, genauso wie sie es auch dann sein werden. Das weltliche Streben nach eigenem Ruhm beraubt uns der Gegenwart des demütigen und erniedrigten Jesus, des Herrn, der allen nahe ist, der Gegenwart Christi, der mit allen Leidenden mitleidet, der von unserem Volk angebetet wird, das weiß, wer seine wahren Freunde sind. Ein verweltlichter Pries-ter ist nichts anderes als ein klerikalisierter Heide. Ein verweltlichter Priester ist nichts anderes als ein klerikalisierter Heide.

Ein weiterer Bereich des versteckten Götzendienstes entsteht dort, wo dem Pragmatismus der Zahl der Primat gegeben wird. Diejenigen, die diesen versteckten Götzendienst betreiben, sind bekannt für ihre Vorliebe zu Statistiken, die jede persönliche Eigenschaft in der Diskussion auszulöschen und der Mehrheit den Vorrang zu geben vermag, die schließlich Kriterium der Unterscheidung wird; und das ist schlecht. Dies kann weder die einzige Vorgehensweise noch das einzige Kriterium in der Kirche Christi sein. Menschen können nicht »gezählt« werden und Gott gibt den Geist nicht »mit Maß« (vgl. Joh 3,34). In dieser Faszination für die Zahlen suchen wir in Wirklichkeit uns selbst und erfreuen uns an der Kontrolle, die uns diese Logik gewährleistet, die sich nicht für die Gesichter der Menschen interessiert und nicht die Logik der Liebe ist, sie liebt die Zahlen. Ein Merkmal der großen Heiligen ist es, dass sie es verstehen, sich zurückzunehmen, um Gott den ganzen Raum zu überlassen. Dieses Sich-Zurücknehmen, dieses sich Selbst-Vergessen und der Wille, von allen anderen vergessen zu werden, ist das Kennzeichen des Geistes, für den es gerade deswegen kein Bild gibt, weil er ganz Liebe ist, die das Bild des Sohnes und in ihm das des Vaters zum Strahlen bringt. Das Ersetzen seiner Person, die schon an sich »nicht in Erscheinung treten« möchte – weil sie kein Bild hat –, ist das, was das Idol der Zahlen anstrebt, das alles »in Erscheinung treten« lässt, wenn auch auf abstrakte und rechnerische Weise, ohne Inkarnation.

Ein dritter Bereich des verborgenen Götzendienstes, der mit dem vorhergehenden verwandt ist, ist der, der sich mit dem Funktionalismus auftut, ein verführerischer Bereich, in dem sich viele »mehr für den Fahrplan als für den Weg begeistern«. Die funktionalistische Mentalität duldet das Mys-terium nicht, sie zielt auf Effizienz. Dieses Idol ersetzt nach und nach die Gegenwart des Vaters in uns. Das erste Idol ersetzt die Gegenwart des Sohnes, das zweite Idol die des Geistes und dieses die Gegenwart des Vaters. Unser Vater ist der Schöpfer, aber nicht einer, der die Dinge nur »funktionieren«
lässt, sondern einer, der als Vater mit Zärtlichkeit »erschafft«, der sich um seine Geschöpfe kümmert und so wirkt, damit der Mensch freier wird. Der Funktionalist kann sich nicht über die Gnaden freuen, die der Geist über sein Volk ausgießt und von denen er sich als Arbeiter, der seinen Lohn verdient, auch »ernähren« könnte. Der funktionalis-tisch denkende Priester hat seine eigene Nahrung, die sein Ego ist. Im Funktionalismus schieben wir die Anbetung des Vaters in den kleinen und großen Dingen unseres Lebens beiseite und gefallen uns in der Effizienz unserer Pläne: So wie David es getan hat, als er sich, vom Satan versucht, darauf versteifte, die Volkszählung durchzuführen (vgl. 1 Chr 21,1). Das sind die, welche in den Streckenplan, in den Plan des Weges, nicht in den Weg, verliebt sind.

In diesen beiden letzten Räumen des verborgenen Götzendienstes (Pragmatismus der Zahl und Funktionalismus) ersetzen wir die Hoffnung, die der Raum der Begegnung mit Gott ist, durch empirische Nachprüfungen. Es ist eine Haltung der Eitelkeit des Hirten, eine Haltung, die die Einheit seines Volkes mit Gott auflöst und einen neuen Götzen formt, der auf Zahlen und Plänen beruht: der Götze »meine Macht, unsere Macht«4, unser Programm, unsere Zahlen, unsere Pastoralpläne. Wenn wir diese Götzen (mit der Haltung Rahels) verstecken und nicht im Stande sind, sie in unserem täglichen Leben zu entlarven, schadet das der Treue unseres pries-terlichen Bundes und lässt unsere persönliche Beziehung zum Herrn abkühlen. Aber was will denn dieser Bischof, der heute über Götzen anstatt über Jesus zu uns spricht? Jemand könnte das denken …

Liebe Brüder, Jesus ist der einzige Weg, um nicht in die Irre zu gehen und um zu erkennen, was wir fühlen und wohin uns unser Herz führt ...; er ist der einzige Weg, damit wir gut unterscheiden können, indem wir uns jeden Tag mit ihm auseinandersetzen, als ob er sich auch heute in unsere Pfarrkirche gesetzt und uns gesagt hätte, dass sich heute alles erfüllt hat, was wir gehört haben. Jesus Christus, der ein Zeichen des Widerspruchs ist – was nicht immer etwas Blutiges oder Hartes ist, denn die Barmherzigkeit ist ein Zeichen des Widerspruchs und noch viel mehr die Zärtlichkeit – Jesus Christus, sage ich, bewirkt, dass diese Götzen aufgedeckt werden, dass ihre Anwesenheit, ihre Wurzeln und ihr Wirkungsweise sichtbar werden, und so kann der Herr sie zerstören. Das ist der Vorschlag: Raum geben, damit der Herr unsere verborgenen Götzen zerstören kann. Und wir müssen uns an sie erinnern, wir müssen aufmerksam sein, damit das Unkraut dieser Götzen, das wir in den Falten unseres Herzens verstecken konnten, nicht wieder aufkeimt.

Zum Schluss möchte ich den heiligen Josef, den keuschesten Vater ohne verborgene Götzen, bitten, uns von jeglicher Habgier zu befreien, denn diese Habgier ist der fruchtbare Boden, auf dem diese Götzen wachsen. Und möge er uns auch die Gnade erwirken, in der beschwerlichen Aufgabe, diese Götzen zu erkennen, die wir so oft verbergen oder verstecken, nicht zu verzagen. Und bitten wir den heiligen Josef ebenso, dass er dort, wo wir zweifeln, wie wir es besser machen können, für uns eintritt, damit der Geist unser Urteilsvermögen erleuchtet, so wie er das seine erleuchtet hat, als er versucht war, Maria »im Verborgenen« (lathra) zu verlassen. So mögen wir edlen Herzens fähig sein, das, was wir durch das Gesetz gelernt haben, der Liebe zu unterstellen5.

Fußnoten

1 Denn das Amtspriestertum steht im Dienst des allgemeinen Priestertums. Der Herr hat einige dazu auserwählt, »das pries-terliche Amt öffentlich für die Menschen in Christi Namen [zu] verwalten« (Zweites Vatikanisches Konzil, Decr. Presbyterorum ordinis, 2; vgl. Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 10). »Denn die Amtsträger, die mit heiliger Vollmacht ausgestattet sind, stehen im Dienste ihrer Brüder« (Lumen gentium, 18).

2 Vgl. Katechese bei der Generalaudienz, 1. August 2018.

3 Tagesmeditation, Domus Sanctae Mar-thae, 16. Mai 2020.

4 J.M. Bergoglio, Meditaciones para religiosos, Bilbao, Mensajero, 2014, 145.

5 Vgl. Apostolisches Schreiben Patris corde, 4, Anmerkung 18.