»Via Crucis« am Karfreitag

Die Kreuze unserer Zeit und aller Zeiten

 Die Kreuze unserer Zeit und aller Zeiten  TED-017
29. April 2022

Rom/Kiew. Nach der Unterbrechung durch die Corona-Pandemie hat der traditionelle Kreuzweg mit dem Papst erstmals wieder vor dem römischen Kolosseum stattgefunden. Rund 10.000 Menschen waren gekommen, um mit dem Heiligen Vater das Leiden und Sterben Jesu Christi zu betrachten. Die Texte der Meditationen und Gebete zu den 14 Kreuzwegsstationen hatten in diesem Jahr Familien in verschiedensten Lebenslagen verfasst: Migranten, Familien mit vielen oder keinen Kindern, mit Behinderung, eine Witwe mit Kindern, eine Familie mit einem Sohn, der Priester ist, und eine Familie, die eine Tochter verloren hat.

Bei der 13. Station – Jesus stirbt am Kreuz – trugen eine ukrainische und eine russische Frau gemeinsam das schlichte, schwarze Kreuz. Irina ist Ukrainerin, Albina Russin. Sie leben in Rom, arbeiten in der Krankenpflege und sind befreundet. Angesichts der Gräuelbilder aus Mariupol, Butscha, Irpin und andernorts in der Ukraine setzten die beiden jungen Frauen mit ihrer gemeinsamen Geste vor dem Kolosseum ein Zeichen tiefempfundener Nächstenliebe und Versöhnung. »Im Angesicht des Todes sagt Stille mehr als Worte«, trug eine Sprecherin vor. »Bleiben wir also in betender Stille stehen und beten wir alle in unserem Herzen für den Frieden in der Welt.«

Der Papst folgte den 14 Stationen des Kreuzweges von einem Pavillon auf dem Palatin-Hügel aus. Viele Gläubige hatten stundenlang auf den Beginn der Zeremonie vor dem antiken Amphitheater gewartet, das vom Schein unzähliger Kerzen und Fackeln stimmungsvoll beleuchtet war.

Familien als Verfasser der Kreuzwegmeditationen hatte sich Franziskus gewünscht, weil im Juni das von ihm ausgerufene »Amoris-laetitia-Familienjahr« zu Ende geht, durch das die Anliegen seines gleichnamigen Schreibens zu Ehe und Familie von 2016 in Erinnerung gerufen werden soll.

Bereits am Nachmittag des Karfreitags hatte der vom Papst entsandte Kurienkardinal Konrad Krajewski im zerstörten Ort Borodjanka nordwestlich von Kiew den Kreuzweg gebetet. Dabei gingen er und der Apostolische Nuntius in der Ukraine, Visvaldas Kulbokas, durch die Straßen der Stadt. Dort, wo noch unbestattete Tote lagen, sowie an einem Massengrab mit mindestens 80 unbekannten Toten, sprachen sie jeweils Gebete. »Es gibt keine Tränen, keine Worte«, wurde der päpstliche Almosenpfleger auf dem Rückweg nach Kiew zitiert. Gott sei Dank gebe es den Glauben. Vielleicht werde einst Gott »mit seiner Liebe alles erklären« und auch Bitterkeit und Leid verändern, so Krajewski.