Feier der Osternacht im Petersdom

Das Licht Gottes scheint in der Dunkelheit der Welt

 Das Licht Gottes scheint in der Dunkelheit der Welt  TED-017
29. April 2022

Zum Osterfest hat Papst Franziskus die Christen aufgerufen, das Licht der Auferstehung in die Welt zu tragen. An dem Gottesdienst nahm auch eine ukrainische Delegation teil. Ihr gehörten einige Parlamentarier an sowie der Bürgermeister der Stadt Melitopol, Iwan Fedorow. Dieser war von russischen Soldaten entführt und später freigelassen worden. Am Ende der Predigt begrüßte der Papst sie eigens und bat alle Anwesenden eindringlich, für den Frieden zu beten. Er sagte:

Viele Schriftsteller haben die Schönheit der Nächte besungen, die von den Sternen erhellt werden. Stattdessen sind die Nächte des Krieges von leuchtenden Spuren des Todes durchzogen. Lassen wir uns in dieser Nacht, liebe Brüder und Schwestern, von den Frauen des Evangeliums an die Hand nehmen, um mit ihnen die Morgenröte des Lichts Gottes zu entdecken, das in der Dunkelheit der Welt aufscheint. Als die Nacht zu Ende ging und in aller Stille das erste Licht der Morgendämmerung hereinbrach, gingen diese Frauen zum Grab, um den Leichnam Jesu zu salben. Und dort machen sie eine erschütternde Erfahrung: Zuerst entdecken sie, dass das Grab leer ist; dann sehen sie zwei Gestalten in leuchtenden Gewändern, die ihnen sagen, dass Jesus auferstanden ist; und sofort laufen sie los, um den anderen Jüngern die Nachricht zu verkünden (vgl. Lk 24,1-10). Mit diesen drei Handlungen – sehen, hören, verkünden – treten auch wir in das Osterfest des Herrn ein.

Die Frauen sehen. Die erste Botschaft der Auferstehung ist nicht an das Verständnis eines Spruchs gebunden, sondern an ein Zeichen, das zu betrachten ist. Auf einem Friedhof, an einem Grab, wo alles geordnet und ruhig sein sollte, »sahen sie, dass der Stein vom Grab weggewälzt war; sie gingen hinein, aber den Leichnam Jesu, des Herrn, fanden sie nicht« (V. 2f). Ostern beginnt also damit, dass unsere Pläne über den Haufen geworfen werden. Es beginnt mit der Gabe einer überraschenden Hoffnung. Aber es ist nicht leicht, diese Gabe anzunehmen. Manchmal – so müssen wir zugeben – findet diese Hoffnung keinen Raum in unserem Herzen. Wie bei den Frauen im Evangelium herrschen in uns Fragen und Zweifel vor, und unsere erste Reaktion angesichts des unerwarteten Zeichens ist Angst, der »nach unten gewendete Blick« (vgl. V. 4f).

Allzu oft betrachten wir das Leben und die Wirklichkeit mit nach unten gerichteten Augen; wir starren nur auf das Heute, wir sind desillusioniert, was die Zukunft angeht, wir verschließen uns in unseren Bedürfnissen, wir richten uns im Gefängnis der Apathie ein, während wir uns weiter beklagen und denken, dass sich die Dinge nie ändern werden. So verharren wir regungslos vor dem Grab der Resignation und des Fatalismus und begraben die Freude am Leben. Doch der Herr möchte uns in dieser Nacht neue Augen schenken, die von der Hoffnung erhellt werden, dass Angst, Schmerz und Tod nicht das letzte Wort über uns haben werden. Dank des Pascha-Mysteriums Jesu können wir den Sprung aus dem Nichts ins Leben wagen, »und der Tod kann uns nicht mehr die Existenz rauben« (K. Rahner, Was Ostern bedeutet, Mainz 2017): sie ist ganz und für immer von der grenzenlosen Liebe Gottes umfangen. Es stimmt, der Tod kann uns erschrecken und lähmen. Aber der Herr ist auferstanden! Blicken wir auf, nehmen wir den Schleier der Bitterkeit und der Traurigkeit von unseren Augen, öffnen wir uns für die Hoffnung Gottes!

Zweitens: Die Frauen hören zu. Nachdem sie das leere Grab gesehen hatten, sagten zwei Männer in leuchtenden Kleidern zu ihnen: »Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden« (VV. 5-6). Es tut uns gut, diese Worte zu hören und zu wiederholen: Er ist nicht hier! Jedes Mal, wenn wir behaupten, alles über Gott verstanden zu haben, ihn in unsere Schemata einpassen zu können, wiederholen wir uns: Er ist nicht hier! Wenn wir ihn nur in einem vorübergehenden Gefühl oder im Moment der Not suchen, um ihn dann in den konkreten Situationen und Entscheidungen des Alltags beiseite zu schieben und zu vergessen, wiederholen wir: Er ist nicht hier! Und wenn wir denken, dass wir ihn in unseren Worten, Formeln und Gewohnheiten gefangen halten können, aber vergessen, ihn in den dunkelsten Ecken des Lebens zu suchen, wo diejenigen sind, die weinen, kämpfen, leiden und hoffen, dann lasst uns wiederholen: Er ist nicht hier!

Hören auch wir die Frage, die den Frauen gestellt wurde: »Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?« Wir können nicht Ostern feiern, wenn wir weiterhin im Tod verharren; wenn wir Gefangene der Vergangenheit bleiben; wenn wir im Leben nicht den Mut haben, uns von Gott vergeben zu lassen, uns zu ändern, mit den Werken des Bösen zu brechen, uns für Jesus und seine Liebe zu entscheiden; wenn wir den Glauben auf ein Amulett reduzieren und Gott zu einer schönen Erinnerung an vergangene Zeiten machen, anstatt ihm heute als dem lebendigen Gott zu begegnen, der uns und die Welt verwandeln will. Ein Christentum, das den Herrn unter den Relikten der Vergangenheit sucht und ihn im Grab der Gewohnheit einsperrt, ist ein Christentum ohne Ostern. Aber der Herr ist auferstanden! Lasst uns nicht an den Gräbern verweilen, sondern
lasst uns hingehen und ihn, den Lebendigen, wiederentdecken! Und scheuen wir uns nicht, ihn auch in den Gesichtern unserer Brüder und Schwestern zu suchen, in der Lebensgeschichte derer, die hoffen und träumen, im Schmerz derer, die weinen und leiden: dort ist Gott!

Schließlich verkünden die Frauen. Was verkünden sie? Die Freude über die Auferstehung. Ostern geschieht nicht, um diejenigen innerlich zu trösten, die um den Tod Jesu trauern, sondern um ihre Herzen durch die umwälzende Botschaft des Sieges Gottes über das Böse und den Tod zu weiten. Das Licht der Auferstehung will also die Frauen nicht in die Ekstase eines privaten Gefühls einschließen, es duldet keine passive Haltung, sondern bringt missionarische Jüngerinnen und Jünger hervor, die »vom Grab zurückkehren« (vgl. V. 9) und allen das Evangelium des Auferstandenen bringen. Deshalb laufen die Frauen, nachdem sie gesehen und gehört haben, zu den Jüngern, um ihnen die Freude über die Auferstehung zu verkünden. Sie wissen, dass sie für verrückt gehalten werden könnten, und tatsächlich, das Evangelium sagt, dass ihre Worte wie »Geschwätz« klangen (V. 11), aber sie sorgen sich nicht um ihren Ruf, um die Verteidigung ihres Ansehens; sie messen ihre Gefühle nicht, sie berechnen ihre Worte nicht.

Wie schön ist eine Kirche, die auf diese Weise durch die Straßen der Welt läuft! Ohne Angst, ohne Taktiken und Opportunismus, alleine mit dem Wunsch, allen die Freude des Evangeliums zu bringen. Dazu sind wir berufen: den auferstandenen Herrn zu erfahren und diese Erfahrung mit anderen zu teilen; den Stein vom Grab zu wälzen, in das wir den Herrn oft eingeschlossen haben, und stattdessen seine Freude in der Welt zu verbreiten. Erwecken wir Jesus, den Lebendigen, aus den Gräbern, in die wir ihn eingeschlossen haben; befreien wir ihn von den Formalitäten, in die wir ihn oft eingesperrt haben; erwachen wir aus dem Schlaf eines ruhigen Lebens, in den wir ihn manchmal eingelullt haben, damit er nicht mehr störe und Probleme verursache. Tragen wir ihn mitten in unser tägliches Leben: mit Gesten des Friedens in dieser von den Schrecken des Krieges gezeichneten Zeit; mit Werken der Versöhnung in zerbrochenen Beziehungen und des Mitgefühls für die Bedürftigen; mit Taten der Gerechtigkeit inmitten von Ungleichheiten und der Wahrheit inmitten von Lügen. Und vor allem mit Werken der Liebe und der Geschwisterlichkeit.

Liebe Brüder und Schwestern, unsere Hoffnung heißt Jesus. Er ist in das Grab unserer Sünde eingetreten, er ist an den entferntesten Punkt gekommen, an dem wir uns verirrt hatten, er ist durch das Gewirr unserer Ängste gegangen, er hat die Last unserer Bedrückungen getragen, und aus den schwärzesten Tiefen unseres Todes hat er uns zum Leben erweckt und unsere Trauer in Freude verwandelt. Lasst uns mit Christus Ostern feiern! Er ist lebendig und kommt auch noch heute, verwandelt und befreit. Mit ihm hat das Böse keine Macht mehr, das Scheitern kann uns nicht daran hindern, neu anzufangen, der Tod wird zu einem Durchgang zum Beginn eines neuen Lebens. Denn mit Jesus, dem Auferstandenen, ist keine Nacht endlos, und selbst in der größten Dunkelheit leuchtet der Morgenstern.

In dieser Dunkelheit, in der Sie leben, Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren Abgeordnete, in der Dunkelheit des Krieges, der Grausamkeit, beten wir alle, beten wir mit Ihnen und für Sie, in dieser Nacht. Wir beten angesichts von so viel Leid.

Wir können Ihnen nur unsere Begleitung, unser Gebet anbieten und Ihnen sagen: »Nur Mut! Wir begleiten Sie!« Und auch, um Ihnen das Größte zu sagen, was heute gefeiert wird: Christòs voskrés! [Christus ist auferstanden!]