»Nehmt und esst: Das ist mein Leib« – Eine mystagogische Katechese über die Eucharistie (Teil 3)

Bräutliche Gemeinschaft

 Bräutliche Gemeinschaft  TED-017
29. April 2022

In unserer mystagogischen Katechese über die Eucharistie sind wir nun nach dem Wortgottesdienst und der Wandlung beim dritten Teil angelangt, der Kommunion.

Das ist der Moment der heiligen Messe, der am klarsten die Einheit und grundlegende Gleichheit aller Glieder des Volkes Gottes zum Ausdruck bringt, jenseits jeder Unterscheidung nach Rang und Amt. Bis zu jenem Augenblick ist die Unterscheidung der Diens-te sichtbar: Im Wortgottesdienst ist es der Unterschied zwischen lehrender (»ecclesia docens«] und lernender Kirche (»ecclesia discens«), bei der Wandlung derjenige zwischen Weihepriestertum und dem allgemeinen Pries-tertum der Getauften. Bei der Kommunion gibt es keinen Unterschied. Der einfache Getaufte empfängt dieselbe Kommunion wie der Priester oder der Bischof. Die eucharistische Kommunion ist die sakramentale Verkündigung der Tatsache, dass in der Kirche die »Koinonia« vor der Hierarchie kommt und wichtiger ist.

Ausgehend von einem Wort des heiligen Paulus wollen wir über die eucharistische Kommunion nachdenken: »Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe am Blut Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi? Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot« (1 Kor 10,16-17). Das Wort »Leib« kommt in den beiden Versen zweimal vor, aber mit jeweils unterschiedlicher Bedeutung. Im ersten Fall (»Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi?«) verweist das Wort auf den realen Leib Christi, geboren von der Jungfrau Maria, gestorben und auferstanden. Im zweiten Fall (»Darum sind wir viele ein Leib«) steht es für den mys-tischen Leib: die Kirche. Man hätte es nicht klarer und knapper ausdrücken können, dass die eucharistische Kommunion immer Gemeinschaft mit Gott und zugleich Gemeinschaft mit den Brüdern und Schwestern ist, dass es in ihr sozusagen eine vertikale und eine horizontale Dimension gibt. Richten wir unsere Aufmerksamkeit zunächst auf die vertikale Dimension.

Eucharistie als Gemeinschaft
mit Christus

Versuchen wir, genauer zu verstehen, von welcher Art die Gemeinschaft ist, die zwischen uns und Christus durch die Eucharistie entsteht. Im Johannesevangelium (6,57) sagt Jesus: »Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich isst, durch mich leben.« Die Präposition »durch« (griech. »dià«) hat hier eine zweifache Bedeutung und meint einmal die Ursache und dann auch das Ziel (»für«). Sie verweist zugleich auf Herkunft und Bestimmung. Das heißt, wer den Leib Christi isst, lebt »von« ihm, im Sinne von »aus ihm«, kraft des Lebens, das von ihm kommt; und er lebt »auf ihn hin«, das heißt für seinen Ruhm, seine Liebe, sein Reich. Wie Jesus aus dem Vater und für den Vater lebt, so leben wir, wenn wir in der Kommunion am heiligen Geheimnis seines Leibes und Blutes teilhaben, durch Jesus und für Jesus.

In der Tat ist es das stärkere Lebensprinzip, welches das schwächere assimiliert, und nicht umgekehrt. Pflanzen assimilieren die Mineralien und nicht umgekehrt. Tiere assimilieren Pflanzen und Mineralien und nicht umgekehrt. Und so ist es jetzt auf geistlicher Ebene das Göttliche, welches das Menschliche assimiliert, es sich angleicht, und nicht umgekehrt. Während in allen anderen Fällen, derjenige, der isst, das assimiliert, was er isst, ist es hier derjenige, der sich zur Speise gemacht hat, der denjenigen, der ihn isst, sich selbst anverwandelt. Jesus spricht zu dem, der ihn in der Eucharistie empfängt, die Worte, die Augustinus vernahm: »Du wirst mich nicht in dich verwandeln wie die leibliche Speise, sondern du wirst in mich umgewandelt werden« (Bekenntnisse VII,10).

Ein atheistischer Philosoph hat gesagt: »Der Mensch ist, was er isst« (Ludwig Feuerbach), womit er sagen wollte, dass es im Menschen keinen qualitativen Unterschied zwischen Materie und Geist gibt, sondern dass sich letzten Endes alles auf den organischen und materiellen Aspekt reduzieren
lässt. Ein Atheist hat – ohne sich dessen bewusst zu sein – eine der besten Formulierungen für ein christliches Mysterium gefunden. Durch die Eucharistie ist der Christ wirklich das, was er isst! Schon viel früher schrieb der heilige Leo der Große in seiner zwölften Predigt über das Leiden des Herrn: »Bewirkt doch der Genuss des Fleisches und Blutes Christi nichts anderes, als dass wir in das verwandelt werden, was wir kosten…« (Sermo 63,7).

In der Eucharistie gibt es also nicht nur Kommunion zwischen Christus und uns, sondern auch Assimilation. Die Kommunion ist nicht nur die Vereinigung von Leib, Geist und Willen, sondern die Eingliederung in den einen Leib, den einen Geist, den einen Willen Christi. »Wer sich an den Herrn bindet, ist ein Geist mit ihm« (1 Kor 6,17).

Die Nahrungsaufnahme, Essen und Trinken, ist nicht die einzige Analogie für die eucharistische Kommunion. Auch wenn sie unersetzlich ist, gibt es etwas, das sie ebenso wenig zum Ausdruck bringen kann wie das Bild des Weinstocks und der Reben, denn es handelt sich in beiden Fällen um Gemeinschaft zwischen Dingen und nicht zwischen Personen. Sie sind in Gemeinschaft, aber sie wissen dies nicht. Ich möchte eine weitere Analogie in den Vordergrund stellen, die uns helfen kann, das Wesen der eucharistischen Gemeinschaft als Gemeinschaft zwischen Personen zu verstehen, die wissen, dass sie miteinander Gemeinschaft haben, und dies wollen.

Der Epheserbrief sagt, dass die Ehe ein Symbol für die Einheit von Christus und der Kirche ist: »Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein. Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche« (Eph 5,31-33). Die Eucharistie ist – um ein kühnes, aber wahres Bild zu gebrauchen – der Vollzug der Ehe zwischen Christus und der Kirche, und ein christliches Leben ohne die Eucharistie ist eine gültige, aber nicht vollzogene Ehe. Vor der Kommunion sagt der Priester: »Selig die zum Mahl des Lammes geladen sind!« (»Beati qui ad coenam Agni vocati sunt«). Im Buch der Offenbarung, aus dem dieser Satz stammt, heißt es noch expliziter: »Selig, die zum Hochzeitsmahl des Lammes geladen sind!« (19,9).

Nach den Worten des heiligen Paulus ist die unmittelbare Folge der Eheschließung, dass der Mann über den Leib der Frau (das heißt über die Person als Ganze) verfügt und umgekehrt die Frau über den Leib des Mannes (vgl. 1 Kor 7,4). Das bedeutet, dass das unvergängliche und lebenspendende Fleisch des menschgewordenen Wortes »mir gehört«, aber auch, dass mein Fleisch, mein Menschsein Christus gehört, von ihm angenommen wird. In der Eucharistie empfangen wir den Leib und das Blut Christi, aber auch Christus »empfängt« unseren Leib und unser Blut! Der heilige Hilarius von Poitiers schreibt in De Trinitate (8,16), dass Christus das Fleisch dessen annimmt, der seinen Leib in sich aufnimmt. Christus sagt zu uns: »Nimm, das ist mein Leib.« Aber auch wir können zu ihm sagen: »Nimm, das ist mein Leib.«

Versuchen wir nun zu verstehen, welche Konsequenzen dies alles hat. In seinem irdischen Leben hat Jesus keineswegs alle menschlichen Erfahrungen gemacht, die mög-lich und denkbar sind. Zunächst einmal war er beispielsweise ein Mann und keine Frau: Die Situation der Hälfte der Menschheit hat er damit nicht erlebt. Er war nicht verheiratet; er hat nicht erfahren, was es bedeutet, das ganze Leben lang mit einem anderen Geschöpf verbunden zu sein, ein Kind zu haben oder – schlimmer – ein Kind zu verlieren. Er ist jung gestorben und hat das Alter nicht gekannt…

Aber jetzt macht er durch die Eucharistie all diese Erfahrungen. In der Frau erlebt er, was es bedeutet, Frau zu sein; im Kranken erlebt er die Krankheit; im alten Menschen, was es bedeutet, alt zu sein; im Flüchtling erlebt er dessen unsichere Lage; in dem, der bombardiert wird, dessen Angst… Es gibt in meinem Leben nichts, was nicht Christus gehört. Niemand sollte sagen: »Ach, Jesus weiß nicht, was es bedeutet, verheiratet zu sein, Frau zu sein, ein Kind verloren zu haben, krank zu sein, alt zu sein, eine dunkle Hautfarbe zu haben!« Was Christus nicht »dem Fleische nach« erleben konnte, das erlebt und »erfährt« er als Auferstandener »dem Geiste nach« dank der bräutlichen Gemeinschaft der Kommunion. Den tiefen Grund dafür hatte die heilige Elisabeth von der Dreifaltigkeit gut verstanden, als sie an ihre Mutter schrieb: »Die Braut gehört dem Bräutigam. Meiner hat mich ganz genommen. Er will, dass ich für ihn eine weitere Menschheit werde« (Brief 261).

Welch unerschöpflicher Grund, zu staunen und uns trösten zu lassen von dem Gedanken, dass unser Menschsein zur Menschheit Christi wird! Aber auch welch große Verantwortung! Wenn meine Augen die Augen Christi geworden sind, mein Mund der Mund Christi, dann habe ich einen sehr gu-ten Grund, meinem Blick nicht zu erlauben, auf lasziven Bildern zu ruhen, meiner Zunge nicht zu erlauben, schlecht über meinen Nächsten zu sprechen, meinem Leib nicht zu erlauben, als Werkzeug der Sünde zu dienen. »Darf ich nun die Glieder Christi nehmen und zu Gliedern einer Dirne machen?«, schrieb der heilige Paulus voll Entsetzen an die Korinther (1 Kor 6,15).

Doch das ist noch nicht alles, der schönste Teil fehlt noch. Der Leib der Braut gehört dem Bräutigam, aber auch der Leib des Bräutigams gehört der Braut. Vom Geben muss man in der Kommunion sofort zum Empfangen übergehen, um nichts Geringeres zu empfangen als die Heiligkeit Christi! Wo sonst wird sich im Leben des Gläubigen jener »wunderbare Tausch« (»admirabile commercium«) konkret vollziehen, wenn nicht im Augenblick der Kommunion?

Dort haben wir die Möglichkeit, Jesus unsere schmutzigen Lumpen zu geben und von ihm den »Mantel der Gerechtigkeit« (Jes 61,10) zu empfangen. Denn es steht geschrieben, dass Jesus »durch Gott für uns zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung geworden ist« (vgl. 1 Kor 1,30). Das heißt: Das, was er »für uns« geworden ist, ist für uns bestimmt, gehört uns. Nikolaos Kabasilas schreibt: »Denn wir gehören mehr Chris-tus als uns selbst, da er uns um einen teuren Preis erkauft hat (1 Kor 6,20), umgekehrt gehört uns das, was Christus gehört, mehr als wenn es unser eigenes wäre« (Leben in Christus, IV,6). Man muss dabei nur eines bedenken: Wir gehören Christus von Rechts wegen, er gehört uns aus Gnade!

Das ist eine Entdeckung, die unserem geistlichen Leben Flügel verleihen kann. Das ist der Elan der Kühnheit des Glaubens, und wir sollten Gott darum bitten, nicht eher zu sterben, als bis uns dies klar geworden ist.

Eucharistie als Gemeinschaft
mit der Dreifaltigkeit

Über die Eucharistie nachzudenken bedeutet, dass sich, je weiter man vorangeht, nach und nach immer weitere Horizonte eröffnen, soweit der Blick reicht. Der christologische Horizont der Kommunion, den wir bis jetzt betrachtet haben, öffnet sich in der Tat auf einen trinitarischen Horizont hin. Mit anderen Worten, durch die Gemeinschaft mit Chris-tus treten wir ein in die Gemeinschaft mit der ganzen Dreifaltigkeit. Im Hohepriesterlichen Gebet sagt Jesus zum Vater: »Damit sie eins sind, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir« (Joh 17,22-23). Diese Worte: »ich in ihnen und du in mir« bedeuten, dass Jesus in uns ist und dass der Vater in Jesus ist. Daher kann man den Sohn nicht empfangen, ohne mit ihm auch den Vater zu empfangen. Das Wort Jesu: »Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen« (Joh 14,9) bedeutet auch: »Wer mich empfängt, empfängt den Vater.«

Der letzte Grund dafür ist, dass Vater, Sohn und Heiliger Geist eine einzige, untrennbare göttliche Natur sind, dass sie »eins« sind. Dazu schreibt der heilige Hilarius von Poitiers: »Wir sind mit Christus vereint, der untrennbar mit dem Vater verbunden ist. Er bleibt im Vater und ist dennoch in uns. So gelangen auch wir zur Einheit mit dem Vater. Denn Christus ist wesensgemäß im Vater, insofern er von ihm gezeugt ist. Aber in gewisser Weise sind auch wir durch Christus wesensmäßig im Vater. Er lebt durch den Vater; und in derselben Weise leben wir durch sein Fleisch, wie er durch den Vater lebt« (De Trinitate VIII, 13-16).

Was vom Vater gesagt wird, das gilt auch für den Heiligen Geist. In der Eucharistie haben wir eine sakramentale Erneuerung all dessen, was historisch im irdischen Leben Jesu geschehen ist. Im Augenblick seiner Geburt auf der Erde ist es der Heilige Geist, der der Welt Christus schenkt (denn Maria empfing durch das Wirken des Heiligen Geistes); im Augenblick des Todes gibt Christus der Welt den Heiligen Geist: sterbend »haucht er den Geist aus«. Ebenso in der Eucharistie: Im Augenblick der Wandlung ist es der Heilige Geist, der uns Jesus schenkt, denn durch sein Wirken verwandelt sich das Brot in den Leib Christi; im Augenblick der Kommunion ist es Christus, der in unser Inneres kommt und uns den Heiligen Geist schenkt.

Der heilige Irenäus (den wir nun endlich als Kirchenlehrer verehren dürfen!) sagt, dass der Heilige Geist »unsere Gemeinschaft mit Christus« ist (Adversus haereses III,24,1). In der Kommunion kommt Jesus zu uns als der, der den Geist schenkt. Nicht wie der, der eines Tages vor langer Zeit den Heiligen Geist geschenkt hat, sondern als der, der jetzt, nach dem sakramentalen Vollzug seines Opfers auf dem Altar, von Neuem »den Geist aushaucht« (Mk 15,37) oder »übergibt« (Joh 19,30).

Was ich hier über die Dreifaltigkeit und die Eucharistie gesagt habe, ist auf der orthodoxen Ikone von Andrei Rubljow bildlich zusammengefasst in den drei Engeln am Altar. Die ganze Dreifaltigkeit schenkt uns die Eucharistie und schenkt sich uns in der Eucharistie. Die Eucharistie ist nicht nur unser tägliches Ostern, sondern auch unser tägliches Pfingsten!

Die Gemeinschaft
untereinander

Aus diesen schwindelerregenden Höhen wollen wir jetzt auf die Erde zurückkehren und zum zweiten Aspekt der eucharistischen Kommunion kommen: der Gemeinschaft mit dem Leib Christi, der die Kirche ist. Denken wir an das Wort des Apostels: »Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot.«

Der heilige Augustinus sieht, einen bereits in der Didaché umrissenen Gedanken weiterentwickelnd, eine Analogie in der Art und Weise, wie der zweifache Leib Christi Gestalt annimmt: der eucharistische und der kirchliche Leib. Im Fall der Eucharistie ist es zunächst der Weizen auf den Feldern, der gedroschen, gemahlen, mit Wasser zu einem Teig verarbeitet, im Feuer zu Brot gebacken und dann auf dem Altar dargebracht wird. Im Fall der Kirche haben wir eine Vielzahl von Menschen, die von der Verkündigung des Evangeliums vereint, durch Fasten und Buße »gemahlen«, mit dem Wasser der Taufe zu einem Teig geknetet, dann im Feuer des Heiligen Geistes gebacken werden und so den Leib der Kirche bilden (vgl. Sermo Denis 6).

Das wird unmittelbar unterstrichen durch Jesu Wort: »Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe!« (Mt 5,23-24). Wenn du hingehst, um die Kommunion zu empfangen, aber einen Bruder beleidigt und dich nicht versöhnt hast, Groll im Herzen hast, dann ähnelst du – so sagt der heilige Augustinus in seinem Kommentar zum ersten Johannesbrief (10,8) – jemandem, der einen Freund ankommen sieht, den er jahrelang nicht gesehen hat. Er läuft ihm entgegen, stellt sich auf die Zehenspitzen, um ihn auf die Stirn zu küssen… Aber während er dies tut, merkt er nicht, dass er mit den genagelten Sohlen seiner Schuhe auf den Füßen seines Freundes herumtrampelt. Unsere Brüder und Schwestern sind die Füße Jesu, der immer noch auf der Erde wandelt.

Gemeinschaft
mit den Armen

Das gilt in besonderer Weise gegenüber den Armen, den Betrübten, den Ausgegrenzten. Derjenige, der vom Brot gesagt hat: »Das ist mein Leib«, hat dies auch vom Armen gesagt. Er hat es gesagt, als er von dem sprach, was jemand dem Hungernden, Dürstenden, Gefangen und Kranken getan hat, und feierlich erklärte: »Das habt ihr mir getan.« Gleichsam, um zu sagen: »Ich war der Hungernde, ich war der Dürstende, ich war der Fremde, der Kranke, der Gefangene« (vgl. Mt 25,35ff). Ich habe bereits bei anderen Gelegenheiten von dem Augenblick erzählt, als mir diese Wahrheit klar wurde, indem sie gleichsam in meinem Inneren explodiert ist. Ich befand mich auf einer Mission in einem sehr armen Land. Als ich auf den Straßen der Hauptstadt unterwegs war, sah ich überall zerlumpte, schmutzige Kinder, die den Müllwagen hinterherliefen, um etwas zu essen zu suchen. Mir war so, als würde Jesus auf einmal zu mir sagen: »Sieh genau hin, das ist mein Leib!« Da konnte einem der Atem stocken.

Die Schwester des großen Philosophen Blaise Pascal berichtet von ihrem Bruder, dass er in seiner letzten Krankheit nicht mehr in der Lage war, das, was er gegessen hatte, bei sich zu behalten, und dass man ihm deshalb nicht erlaubte, die letzte Wegzehrung zu empfangen, um die er inständig bat. So sagte er: »Wenn ihr mir die Eucharis-tie nicht geben könnt, so lasst wenigstens einen Armen in mein Zimmer kommen. Wenn ich mich nicht mit dem Haupt vereinigen kann, dann will ich wenigstens mit seinem Leib Gemeinschaft haben.«

Das einzige Hindernis für den Kom-munion-empfang, das der heilige Paulus explizit erwähnt, ist die Tatsache, wenn in der versammelten Gemeinde »einer hungrig ist und der andere betrunken«: »Wenn ihr euch versammelt, ist das kein Essen des Herrenmahls; denn jeder nimmt beim Essen sein
eigenes Mahl vorweg und dann hungert
der eine, während der andere betrunken ist« (1 Kor 11,20-21). Zu sagen: »Das ist kein Essen des Herrenmahls«, ist so, als würde man sagen: Es ist keine wahre Eucharistie mehr! Das sind harte Worte, auch unter theologischem Gesichtspunkt, denen wir vielleicht nicht genügend Beachtung schenken.

Heutzutage ist die Situation, dass der eine Hunger hat und der andere »platzt«, weil er zu viel gegessen hat, kein lokales Problem mehr, sondern ein globales. Es kann nichts Gemeinsames geben zwischen dem Herrenmahl und dem Mahl des reichen Prassers, wo der Herr des Hauses glanzvolle Feste feiert und den Armen übersieht, der vor seiner Tür liegt (vgl. Lk 16,19ff). Die Sorge, das, was wir haben, mit den fernen und nahen Bedürftigen zu teilen, muss wesentlicher Bestandteil unseres eucharistischen Lebens sein.

Es gibt niemanden, der, wenn er es will, unter der Woche nicht die Möglichkeit hätte, etwas von dem zu tun, von dem Jesus sagt: »Das habt ihr mir getan.« Teilen bedeutet nicht bloß »etwas geben«: Brot, Kleidung, Gastfreundschaft. Es bedeutet auch, jemanden zu besuchen: einen Gefangenen, einen Kranken, einen einsamen alten Menschen. Es bedeutet nicht nur, etwas von dem Geld zu geben, das man besitzt, sondern auch etwas von der eigenen Zeit. Arme und Leidende brauchen Solidarität und Liebe nicht weniger als Brot und Kleidung, vor allem in dieser Zeit der Isolierung, zu der uns die Pandemie zwingt.

Jesus hat gesagt: »Die Armen habt ihr immer bei euch, mich aber habt ihr nicht immer« (Mt 26,11). Das ist auch wahr in dem Sinn, dass wir nicht immer den Leib Christi in der Eucharistie empfangen können, und auch wenn wir ihn empfangen, hält dies nur wenige Minuten an, während wir ihn immer in den Armen empfangen können. Hier gibt es keine Grenzen, es ist nur erforderlich, dass wir es wollen. Die Armen sind immer erreichbar. Immer wenn wir jemandem begegnen, der leidet, besonders wenn es sich um gewisse extreme Formen des Leids handelt, werden wir, wenn wir aufmerksam sind, mit den Ohren des Glaubens die Worte Christi hören: »Das ist mein Leib!«

Ich möchte mit einer kleinen Geschichte schließen, die ich einmal gelesen habe. Ein Mann sieht ein unterernährtes, vor Kälte zitterndes Kind ohne Schuhe und schreit fast wütend zu Gott: »Oh Gott, warum tust du nicht etwas für dieses Kind?« Gott antwortet ihm: »Sicher habe ich etwas für dieses Kind getan: Ich habe dich geschaffen!« Gott möge uns helfen, uns im richtigen Augenblick daran zu erinnern.

Von Kardinal Raniero Cantalamessa