Liebe Schwestern,
guten Tag!
Ich freue mich, euch aus Anlass eures Generalkapitels zu empfangen, und begrüße eine jede sehr herzlich, angefangen bei der neuen Generaloberin, der ich für ihre Worte danke. Sind Sie die neue? Und die andere, wo ist sie? [Die Schwestern antworten: Sie wurde wiedergewählt!] Ah, wiedergewählt… Sie haben Sie nicht weggejagt? [Der Papst und die Schwestern lachen.] Ah, gut. Ihnen, ehrwürdige Mutter, und den Rätinnen wünsche ich alles Gute für den ihnen anvertrauten Dienst, und mit euch gemeinsam danke ich den Schwestern, die ihr Amt beendet haben.
In diesen Tagen habt ihr die Erfahrung des nun zu Ende gehenden Kapitels gemacht, das in den Instituten des geweihten Lebens eine konkrete Art und Weise darstellt, Synodalität zu verwirklichen: eine wichtige Zeit der Geschwisterlichkeit, des Zuhörens, des Dialogs, der Unterscheidung, und dies alles im Licht und mit der Salbung des Heiligen Geistes.
Das Leitwort eurer Arbeiten war jene Bemerkung, mit der der Evangelist Matthäus die Begebenheit der Sterndeuter abschließt: »Sie zogen auf einem anderen Weg heim in ihr Land…« (2,12). Auf einem anderen Weg. Bei den Sterndeutern war dies eine alternative Route, um dem Ränkespiel von König Herodes zu entgehen. Aber »ein anderer Weg« kann auch eine andere, neue Art des Gehens meinen. Und in der Tat habt ihr auch auf die Emmausjünger Bezug genommen, die nach der Begegnung mit dem Herrn vollkommen verwandelt nach Jerusalem zurückkehrten. Der Weg war derselbe, aber es war »ein anderer«: Es war nicht mehr der Weg des Dunkelwerdens, sondern der Weg einer neuen Morgenröte; es war nicht mehr der Weg der Traurigkeit, ohne Hoffnung, ohne Zukunft, sondern ein anderer, neuer Weg, voller Staunen, Dankbarkeit und auch der Umkehr des trägen Herzens, das nicht glauben wollte, aber sanft und leicht durch die Gnade, die der auferstandene Herr schenkte.
Wie die beiden Jünger könnt auch ihr nach diesen Tagen der besonderen Begegnung mit dem Meister, mit dem vollen Vertrauen, das ihr in ihn setzt, den Weg einschlagen, den er selbst euch im Heute des Lebens eures Instituts zeigt. Wie schön ist es, liebe Schwestern, einen anderen, andersartigen Weg zu gehen, wenn der Herr selbst ihn uns zeigt! Wie schön ist es, einen anderen Weg einzuschlagen, wenn man ihn im geschwisterlichen Dialog entdeckt!
Die Institute des geweihten Lebens sind in der Kirche Träger eines großartigen Erbes und einer reichen synodalen Tradition: Gemeinsam zu gehen, mit Christus und im Heiligen Geist, ist das Wesen des christlichen Ordenslebens. Man muss immer neu aus diesen Quellen der geschwisterlichen Beteiligung schöpfen; man darf sich nicht in kleinen Grüppchen verschließen und sich von persönlichen oder egoistischen Interessen leiten lassen. Vielmehr muss man sich immer vom Geist der Liebe leiten lassen, fügsam, indem man voller Vertrauen die Anrufung wiederholt: »Weise uns den Weg, den wir gemeinsam gehen sollen« (Gebet des Adsumus). Und das ist etwas ganz Anderes als die Versuchung gerade dann, wenn wir in Gemeinschaft sind: das Tratschen. Nicht wahr? Bitte, haltet euch fern vom Tratschen, flieht, es ist die Pest! Der Heilige Geist begleitet uns. Durch ihn können wir den Weg gemeinsam gehen und die Erfahrung einer Kirche machen, die die Gabe der Einheit empfängt und sie lebt. So können wir gemeinsam auf dem Weg sein, um »eine leidenschaftliche und konkrete Arbeit« zu tun, »die einen Stil der Gemeinschaft und der Partizipation prägt, der auf die Mission ausgerichtet ist« (Ansprache zum Beginn des Synodalen Prozesses, 9. Oktober 2021).
Gemeinsam mit euch möchte ich kurz die Aufmerksamkeit auf diesen Stil der Gemeinschaft, der Partizipation und der Mission richten.
Von der heiligen Paola Frassinetti, eurer Gründerin, können wir die Gemeinschaft lernen. Sie hat Jesus Christus leidenschaftlich geliebt und diese Liebe hat sie dazu geführt, anderen dieses Leben der Gemeinschaft zu bezeugen, das sie selbst erlebte. Die heilige Paola war wie andere heilige Gründerinnen und Gründer »fasziniert von der Einheit der Zwölf, die Jesus umgaben, von der Communio, welche die Urgemeinde von Jerusalem auszeichnete. Als sie ihre eigene Gemeinschaft ins Leben riefen, wollte jeder und jede von ihnen jene Modelle des Evangeliums nachbilden: ein Herz und eine Seele zu sein und sich der Gegenwart des Herrn zu erfreuen (vgl. Perfectae caritatis, 15)« (Apostolisches Schreiben zum Jahr des geweihten Lebens, 21. November 2014, 2).
Die heilige Paola Frassinetti zeigt uns auch den Weg der Partizipation. Denn sie ist den Weg von der Gemeinschaft zur Partizipation gegangen, weil sie sich von jenem »Schrei«, jenen Mängeln, jenen Dringlichkeiten ihrer Zeit beunruhigen ließ, so dass sie sich gedrängt fühlte, über sich selbst und aus sich selbst hinauszugehen. Und so besaß sie, die nie eine Schule besucht hatte, die Kühnheit, in der Kirche eine Kongregation ins Leben zu rufen, die dem Unterricht gewidmet war, wobei sie viele Menschen einbezog und Räume der Partizipation schuf. Ihr Projekt, fruchtbar gemacht vom Heiligen Geist, sehen wir heute gut eingebunden in vier Kontinenten, wo ihr präsent seid; und ihr selbst seid bereichert worden von der interkulturellen Erfahrung, auch in Bezug auf die gemeinschaftlichen Dynamiken (vgl. Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften Apostolischen Lebens, Instruktion Neubeginn in Christus, 7).
Die heilige Paola hat euch auch den Weg der Mission gezeigt. Sie hat das Charisma empfangen, »durch das Unterrichten zu evangelisieren und durch das Evangelisieren zu unterrichten«. Das ist die Mission, die Gott ihr anvertraut hat und die eure Mission geworden ist. Und in dem Maße, in dem ihr dieser Mission treu seid, seid ihr in der Kirche eine fruchtbringende Präsenz. So ist es, das wissen wir alle aus Erfahrung, weil wir alle die Erfahrung gemacht haben, unterrichtet und erzogen zu werden, in der Familie, in der Schule, in der Pfarrei… In gewisser Hinsicht gibt es kein fruchtbareres Werk, als zu erziehen und zu unterrichten. Und diesen stets neuen Reichtum tragt auch ihr in die verschiedenen Realitäten, in denen ihr präsent seid. Daher sind euer Charisma und eure Mission stets aktuell, aber ich würde sagen, besonders heute, in einem kulturellen und sozialen Kontext, der einen neuen Bildungspakt erfordert. Denn: »Noch nie zuvor war es so notwendig, die Bemühungen in einem breiten Bildungsbündnis zu vereinen, um reife Menschen zu formen, die in der Lage sind, Spaltungen und Gegensätze zu überwinden und das Gefüge der Beziehungen für eine geschwisterlichere Menschheit wiederherzustellen« (Botschaft zum Start des Bildungspakts, 12. September 2019). Daher möchte ich euch ermutigen, immer neu euer Bestes zu geben, bei der »Wiederbelebung des Engagements für und mit den jungen Menschen, bei dem die Begeisterung für eine offenere und integrativere Bildung, die fähig ist, geduldig zuzuhören, einen konstruktiven Dialog und gegenseitiges Verständnis zu fördern, erneuert wird« (ebd.).
Liebe Schwestern, in diesem von einer gravierenden Krise gekennzeichneten historischen Augenblick, zuerst durch die Pandemie und dann in diesen Tagen durch einen Krieg, der alle verletzt, fordere ich euch auf, euren Weg voller Elan fortzusetzen und die Erziehungsmethode der heiligen Paola weiter voranzubringen: auf dem Weg des Herzens und der Liebe, »damit jeder Mensch zum Schmied seines eigenen Schicksals werden kann« (Enzyklika Fratelli tutti, 187). Ich segne euch von Herzen und vertraue eine jede von euch und all eure Mitschwestern dem Herrn und der allerseligsten Jungfrau Maria an. Und ich habe eine Bitte: Vergesst nicht, für mich zu beten. Danke!
Ich werde euch einen Text geben, den ein Apostolischer Nuntius über den Tratsch verfasst hat: Vielleicht wisst ihr nicht, was das ist… Bitte, lest ihn, und kein Tratsch in eurer Gemeinschaft, weil der Tratsch die Pest ist für eine Gemeinschaft.
(Orig. ital. in O.R. 18.3.2022)