Zurück zur Normalität! In vielen Ländern werden derzeit jene Maßnahmen zurückgenommen, die seit zwei Jahren dazu dienten, unseren Umgang mit der Ansteckung durch das Corona-Virus zu regeln. Da der direkte Kontakt zwischen uns Menschen die größte Quelle der Verbreitung darstellt, gab es dafür Einschränkungen, die wir nun allzu gerne wieder loswerden möchten. Alles soll wieder so werden wie vorher, als hätte es die beiden Jahre dazwischen nicht gegeben. Wenn das so einfach wäre! Den großen Resetknopf gibt es leider nicht. Was sich ereignet hat, hat sich ereignet. Die Frage ist, wie wir damit umgehen. Wie wir aus den Erfahrungen von Angst, Krankheit, Einsamkeit und Tod, aber auch einer Ahnung, wie diese Gesellschaft doch auch anders und besser funktionieren könnte, ein Leben werden lassen, das wir annehmen, und das wir gleichzeitig bereit sind, mit anderen verzeihend und verschenkend zu teilen.
Die heiligen vierzig Tage, die die Kirche uns jedes Jahr auf dem Weg nach Ostern schenkt, sind eine Zeit der Umkehr und der Buße. Umkehr zur Normalität heißt in der Fastenzeit, mein Leben und was es prägt an der Normalität Gottes, an seiner Norm, seiner Ordnung, seiner großen Vision der Barmherzigkeit für mein Menschsein auszurichten. Das kann für den Christen und die Chris-tin nie einfach nur ein Zurück sein. Das bleibt immer ein Ruf zum Weg, der aus meiner Selbstverliebtheit heraus nach vorne, auf Ostern, auf Christus hin zeigt. Auf das Schicksal anderer zu schauen und darüber zu urteilen, als ginge mich das alles nichts an, bringt keine Lebensfrucht. »Meint ihr denn, ihr seid anders oder besser?«, fragt Jesus im Evangelium für den dritten Fastensonntag seine Zeitgenossen. Wir sitzen alle im gleichen Boot. Diese Erfahrung hat die Zeit der Pandemie geprägt. Wer jetzt, wo vieles vorbei zu sein scheint, wieder aussteigen möchte, um so zu tun, als wäre nichts gewesen, täuscht sich.
Der große Bogen, den die Liturgie der Kirche an diesem Sonntag vom Evangelium zur ersten Lesung aus dem Buch Exodus spannt, macht deutlich, woher dieser Anspruch kommt. Gott ist der, der da ist, der heißt: »Gott mit uns.« Und darin trägt auch das Menschsein Frucht, wenn es mehr und mehr ein »Dasein mit«, ein »für dich, wie du es nötig hast«, wird. Was dem entgegensteht, soll aus dem Weg geräumt werden, von dem, was uns davon abhält, dürfen wir uns frei machen: Zukunft wächst, wo der Quellboden von Gottes Zusage an uns wieder freigelegt und fruchtbar wird.
Michael Max,
Rektor des Päpstlichen Instituts
Santa Maria dell’Anima in Rom