Ansprache von Papst Franziskus beim Angelusgebet am Sonntag, 27. Februar

Jede positive Veränderung muss bei uns selbst beginnen

 Jede positive Veränderung muss bei uns selbst beginnen   TED-010
11. März 2022

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag!

Im Evangelium der heutigen Liturgie lädt Jesus uns ein, über unseren Blick und unser Reden nachzudenken. Den Blick und das Reden.

Zunächst einmal zu unserem Blick. Die Gefahr, die wir laufen, besteht, wie der Herr sagt, darin, dass wir uns darauf konzentrieren, den Splitter im Auge unseres Bruders zu betrachten, ohne den Balken in unserem eigenen Auge zu sehen (vgl. Lk 6,41). Mit anderen Worten: sehr aufmerksam auf die Fehler der anderen zu achten, auch wenn sie gerade einmal so klein wie ein Splitter sind, und dabei unsere eigenen Fehler gelassen zu vernachlässigen und ihnen wenig Bedeutung beizumessen. Es stimmt, was Jesus sagt: Wir finden immer Gründe, um anderen die Schuld zu geben und uns selbst zu rechtfertigen. Und oft beklagen wir uns über Dinge, die in der Gesellschaft, in der Kirche, in der Welt nicht gut laufen, ohne uns vorher selbst in Frage zu stellen und ohne uns zu verpflichten, zuallererst uns selbst zu ändern. Jede fruchtbringende, positive Veränderung muss bei uns selbst beginnen. Andernfalls wird es keine Veränderung geben. Aber in dem Fall – so erläutert Jesus – werden unsere Augen blind. Und wenn wir blind sind, können wir nicht den Anspruch erheben, Führer und Meister für andere zu sein: denn ein Blinder kann keinen anderen Blinden führen (vgl. V. 39).

Liebe Brüder und Schwestern, der Herr lädt uns ein, unseren Blick wieder zu reinigen. Als Erstes fordert er uns auf, in uns selbst zu blicken, um unsere Schwächen zu erkennen. Denn wenn wir es nicht fertigbringen, unsere Fehler zu sehen, werden wir immer dazu neigen, die Fehler der anderen aufzubauschen. Wenn wir hingegen unsere Fehler und unsere Schwächen erkennen, öffnet sich uns die Tür der Barmherzigkeit. Und nachdem wir in uns selbst hineingeschaut haben, lädt Jesus uns ein, die anderen so zu betrachten wie er, der nicht vor allem das Böse sieht, sondern das Gute. Gerade so schaut Gott uns an: Er sieht keine nicht wiedergutzumachenden Fehler in uns, sondern er sieht Kinder, die Fehler machen. Die Perspektive wechselt: Er konzentriert sich nicht auf die Fehler, sondern auf die Kinder, die Fehler machen. Gott unterscheidet immer zwischen dem Menschen und seinen Fehlern. Den Menschen rettet er immer. Er glaubt immer an den Menschen und ist immer bereit, die Fehler zu vergeben. Wir wissen, dass Gott immer vergibt. Und er fordert uns auf, dasselbe zu tun: in den anderen nicht nach dem Bösen zu suchen, sondern nach dem Guten.

Nach dem Blick lädt Jesus uns heute ein, über unser Reden nachzudenken. Der Herr erklärt: »Wovon das Herz überfließt, davon spricht sein Mund« (V. 45). Es stimmt, an der Art, wie jemand spricht, kann man sofort erkennen, was in seinem Herzen vorgeht. Die Worte, die wir benutzen, sagen, wer wir sind. Manchmal geben wir auf unsere Worte aber wenig acht und verwenden sie auf eine oberflächliche Art und Weise. Aber die Worte haben ihr Gewicht: Sie ermöglichen uns, Gedanken und Gefühle auszudrücken, unseren Ängsten und den Plänen, die wir verwirklichen wollen, Ausdruck zu verleihen [sowie] Gott und die anderen zu preisen. Leider können wir mit der Zunge aber auch Vorurteile nähren, Schranken errichten, angreifen und sogar zerstören; wir können mit unserer Zunge die Brüder und Schwestern zerstören: der Klatsch verletzt und Verleumdung kann schärfer sein als ein Messer! Und heutzutage verbreiten sich Worte, vor allem in der digitalen Welt, rasend schnell; aber allzu viele von ihnen vermitteln Wut und Aggressivität, nähren falsche Nachrichten und nutzen kollektive Ängste aus, um verzerrte Ideen zu verbreiten. Ein Diplomat, der Generalsekretär der Vereinten Nationen war und den Friedensnobelpreis erhielt, sagte: »Das Wort miss-brauchen heißt, die Menschen zu verachten« (D. Hammarskjöld, Tracce di cammino, Magnano BI 1992, 131).

Fragen wir uns also, welche Art von Worten wir verwenden: Worte, die Fürsorge, Respekt, Verständnis, Nähe und Mitgefühl ausdrücken, oder Worte, die hauptsächlich darauf abzielen, uns vor anderen gut aussehen zu lassen? Und dann: reden wir mit Sanftmut, oder verunreinigen wir die Welt, indem wir Gift verbreiten: indem wir kritisieren, klagen, verbreitete Aggressionen schüren?

Die Muttergottes, Maria, deren Demut Gott gesehen hat, die Jungfrau der Stille, zu der wir jetzt beten, möge uns helfen, unseren Blick und unser Reden zu läutern.

Nach dem Gebet des »Engel des Herrn« und seinem eindringlichen Appell für Frieden in der Ukraine sagte der Papst zu den auf dem Petersplatz versammelten Pilgern und Besuchern:

Gestern wurden im spanischen Granada der Priester Gaetano Giménez Martín und fünfzehn weitere Gefährten, Märtyrer, die in odium fidei [aus Glaubenshass] während der Zeit der religiösen Verfolgung in den 1930er-Jahren in Spanien getötet worden waren, seliggesprochen. Möge das Zeugnis dieser heldenhaften Jünger Christi in jedem den Wunsch wecken, dem Evangelium mit Treue und Mut zu dienen. Einen Applaus für die neuen Seligen.

Ich grüße euch alle, Römer und Pilger, mein Gruß geht insbesondere an die Niñas Quinceñeras aus Panama; an die jungen Universitätsstudenten der Diözese Porto; an die Gläubigen aus Mérida-Badajoz und aus Ma-drid in Spanien; an die Gläubigen aus Paris und Polen; an die Gruppen aus Reggio Calabria, Sizilien und die Seelsorgeeinheit von Alta Langa; an die Firmlinge aus Urgnano und die Jugendlichen aus Petosino, Diözese Bergamo.

Ein besonderer Gruß geht an alle, die anlässlich des morgigen Tages der seltenen Krankheiten gekommen sind: ich möchte die verschiedenen Vereinigungen von Patienten und Angehörigen sowie die auf diesem Gebiet tätigen Forscher ermutigen. Ich bin euch nahe! Ich grüße die hier anwesenden Völker... Ich sehe auch viele Fahnen der Ukraine! (auf Ukrainisch) Gelobt sei Jesus Christus!

Ich wünsche allen einen schönen Sonntag. Bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Gesegnete Mahlzeit und auf Wiedersehen.