Gedanken zum Sonntag - 27. Sonntag: 8. Sonntag im Jahreskreis

Die Dynamik des Herzens

 Die Dynamik des Herzens  TED-008
25. Februar 2022

»Wenn das Meer ruhig ist, können die Fischer bis auf den Grund sehen, so dass ihnen kein Fisch verborgen bleibt. Wird das Meer aber vom Sturm gepeitscht, dann verdeckt das aufgewühlte Wasser das, was man bei Windstille leicht wahrnehmen kann, und alle Kunst der Fischer versagt«. Mit diesem Bild aus dem biblischen Alltag verglich ein antiker christlicher Autor einmal die Dynamik des menschlichen Herzens. Und man mag das Bild durch einen weiteren Gedanken ergänzen: Wenn sich der Sturm legt und sich die Sonne durch die Wolken kämpft, bleibt das Meer zunächst schwarz. Dann sieht der Fischer im Wasser wie in einem Spiegel sein eigenes finsteres Angesicht. Und er ärgert sich noch mehr! Während der Sturm eher die äußeren Umstände widerspiegelt, die unser Leben und unsere Vorhaben zuweilen beeinträchtigen können, zeigt die dunkle Wasseroberfläche den eigenen Gemütszustand, die inneren Erregungen und Leidenschaften, die unseren Blick auf die Wirklichkeit trüben. Nicht selten überträgt sich diese Stimmungslage auf andere; der im Ärger Blindgewordene führt einen anderen Blinden, und beide fallen in die Grube (vgl. Lk 6,39).

Das, was in uns ist, beeinflusst unsere Erkenntnis und unsere Beziehung zu unserer Umwelt. »Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzens das Gute hervor und der böse Mensch bringt aus dem bösen das Böse hervor« (Lk 6,45). Das Herz kann bitter werden, und das Bittere des Herzens hat eine verheerende Wirkung; es vergiftet unsere Umgebung. »Nur der Heilige Geist kann das Herz reinigen«, sagt unser antiker Autor, der Bischof Diadochus von Photike in Epirus, der in der Mitte des 5. Jahrhunderts gelebt und gewirkt hat. Der Heilige Geist ist uns nämlich durch die Taufe geschenkt. Und »dieses ewige und lebensspendende Licht des Heiligen Geistes erlischt nicht, aber die Betrübnis, das Sich-Abwenden von Ihm, lässt unseren Geist ohne das Licht der Erkenntnis dunkel und in Finsternis gehüllt zurück«.

Es geht darum, den guten Schatz des Herzens zu heben und zu teilen; aber mit Sorgfalt, damit er nicht zerbröckelt. Gott kommt uns dabei zu Hilfe in Seinem Wort und mit den Sakramenten. Und wir dürfen diesen Schatz noch vermehren – durch unsere Werke der Barmherzigkeit!

Prälat Winfried König,

Leiter der deutschsprachigen Abteilung im Päpstlichen Staatssekretariat