Machaerus – Freilegung und Rekonstruktion einer bedeutenden historischen Stätte

Wo Johannes der Täufer das Martyrium erlitt

 Wo Johannes der Täufer das Martyrium erlitt  TED-007
18. Februar 2022

Seit mehr als einem Jahrzehnt erforscht Dr. Gyözö Vörös – der am 1. Februar von den Päpstlichen Akademien mit der Goldenen Pontifikatsmedaille ausgezeichnet wurde – die antike biblische Stätte Machaerus, eine Wüstenfestung des Herodes Antipas und der Ort der Gefangenschaft und Hinrichtung Johannes des Täufers. Im Interview mit Christopher Wells von »Vatican News« spricht Dr. Vörös über die außergewöhnliche archäologische Stätte.

Können Sie uns ein wenig über Ihre Arbeit erzählen?

Als einfacher ungarischer Archäologe habe ich das Privileg, einen auf 20 Jahre befristeten Arbeitsvertrag beim »Königlichen Amt für Altertümer« in Jordanien zu haben. Das geht auch auf den Wunsch des emeritierten Paps-tes Benedikt XVI. zurück, da er während seines Apostolischen Besuchs in Jordanien 2009 sein Interesse an Machaerus, dem wichtigs-ten Schauplatz des Evangeliums in Jordanien, zum Ausdruck brachte. Damals war der Ort nicht leicht zu besuchen, denn er lag in der militärischen Pufferzone am Toten Meer. Dort sollte weiter ausgegraben werden, und es sollten auch die Möglichkeiten für die Präsentation der Denkmäler und die Erhaltung der Ruinen ausgelotet werden. Man suchte jemanden, der nicht nur Archäologe, sondern auch Architekt war. Zu jener Zeit arbeitete ich bereits seit 15 Jahren in der Levante, zehn Jahre in Ägypten und dann fünf Jahre auf Zypern. Damals war ich Leiter der Ausgrabungen in Paphos, der griechisch-römischen Hauptstadt des Landes. Und als gläubiger Katholik hatte ich natürlich ein großes Interesse an dieser Stätte des Evangeliums am Ostufer des Toten Meeres. Es gab einen internationalen Wettbewerb, den ich 2009 im Namen der Ungarischen Akademie der Künste gewann.

Viele Menschen sind mit Machaerus vielleicht nicht vertraut. Können Sie uns zunächst einmal die Bedeutung für das Neue Testament erklären?

In den Evangelien gibt es einen Bericht über die Umstände der Gefangennahme und des Todes von Johannes dem Täufer, wie Salome tanzte und Johannes der Täufer enthauptet wurde. Dies ist die einzige Stelle im Evangelium, zu der es eine parallele Erzählung aus der gleichen Zeit gibt, die von einem nichtchristlichen Autor verfasst wurde. Es ist eine einzigartige Situation, dass Josephus, der jüdische romfreundliche Historiker aus dem ersten Jahrhundert, sehr deutlich niedergeschrieben hat, dass Johannes der Täufer von Herodes Antipas in Machaerus eingekerkert und enthauptet wurde. […] Aber auch Eusebius von Caesarea schrieb 324 in seiner Kirchengeschichte, dass Johannes der Täufer in Machaerus gefangen genommen und getötet wurde. Wir haben also die beiden wichtigsten Historiker des alten Palästina, Josephus und Eusebius, die beide bestätigen, dass es sich um den historischen Ort Machaerus handelt, diese herodianische Königsstadt, in der Johannes der Täufer gefangen gehalten und getötet wurde.

Aber dann war die Stadt, obwohl sie zur Zeit des Neuen Testaments sehr wichtig war, einige Jahre lang verschollen...

Ja, die herodianische Stadt wurde von derselben Legion, der »Legio X Fretensis«, zerstört wie Jerusalem im Jahr 70 nach Christus. Machaerus wurde im Winter 71/72 zerstört und verschwand völlig von den Landkarten. Deshalb ist es erstaunlich, dass Eusebius noch von der Stadt spricht, von der im vierten Jahrhundert niemand wusste, wo sie lag. Das war bis 1968 so. Ein großartiger deutscher Gelehrter, der protestantische Archäologe August Strobel, besuchte die Gegend, in der ein modernes Dorf, Muqāwir, existiert, und da der Name dem antiken Namen ähnelt, wurde die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass das antike Machaerus auch dort liegen könnte. Es war jedoch Strobel, der zum ersten Mal mit scharfem Blick erkannt hatte, dass es einen Belagerungswall gab, der dem von Masada sehr ähnlich war. Und 1968 schrieb er, dass sich im Zentrum dieses Walls ein Berg befinde, auf dessen Spitze seiner Meinung nach die alte herodianische Stadt Machaerus liegen müsste, mit dem Palast und der Burg, wo das tragische Geburtstagsbankett des Tetrarchen Herodes Antipas stattfand und Johannes der Täufer enthauptet wurde.

Sie haben nun seit mehr als 10 Jahren die Möglichkeit, an dieser besonderen Stätte zu arbeiten. Können Sie uns etwas über Ihre Arbeit dort erzählen?

Die Arbeit wurde 1968 von einer amerikanischen Mission begonnen, die sehr kurz war, nur vier Wochen, geleitet von Jerry Vardaman vom »Southern Baptist Theological Seminary«. Sie waren die ersten, die dort eine Grabungssondage durchführten und herodianische Überreste fanden. Ab 1978 setzten zwei franziskanische Archäologen, Virgilio Canio Corbo und Michele Piccirillo, die Ausgrabungen fort. Aber leider sind sie zu früh gestorben und haben nichts veröffentlicht. Als ich die Genehmigung der königlichen Behörden in Jordanien erhielt, musste ich mich zunächst zur »Mississippi State University« begeben, wo man die ersten Funde aufbewahrt: fast 5000 Gegenstände aus der ersten Mission der Baptisten. Dann hatte ich in Jerusalem das Archivmaterial, die Zeichnungen, Fotografien und eine Menge archäologisches Material, alles unveröffentlicht, des »Studium Biblicum Franciscanum« zu studieren. Und dann begannen wir in enger Zusammenarbeit mit der »École Biblique« und dem »Studium Biblicum« mit dem Großprojekt. Ich habe mich mit meiner Familie in Jordanien niedergelassen, um kontinuierlich dort arbeiten zu können.

Erzählen Sie uns etwas mehr über die Bedeutung dieser Stätte…

Abgesehen von der Einzigartigkeit seines historischen Wertes hat der Ort zwei weitere außergewöhnliche Merkmale. Das erste – es klingt seltsam – ist, dass die archäologische Stätte wie in einer Art Zeitkapsel erhalten blieb. Es gibt hier nichts aus der Zeit vor den späten Hasmonäern und nichts aus der Zeit nach der Zerstörung. Es ist so, als ob Jerusalem nach der Zerstörung durch Titus verlassen geblieben wäre und wir dorthin gehen würden. Alles ist da. Es ist wie… Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Es ist unfassbar. Es ist ein Wunder, dass es eine Stätte aus dem Evangelium gibt, die quasi als archäologische Zeitkapsel erhalten geblieben ist.

Einzigartig ist jedoch auch, dass ich als Architekt ein mehr als zehn Jahre langes Projekt beginnen konnte, bei dem einander ergänzende Fragmente zusammengefügt wurden, und zwar nicht in der Größe eines Keramikgefäßes, sondern in der Größe des Königspalastes. Wir hatten mehr als 100.000 architektonische Elemente dieses einst prächtigen herodianischen Baus. Es ist der einzige Palast, den Antipas von König Herodes dem Großen geerbt hatte, also ein sehr passender Ort für seine Geburtstagsfeier. Und nachdem wir diese über 100.000 architektonischen Teile zusammengefügt hatten, waren wir nicht nur in der Lage, komplette Säulen aus der Zeit des königlichen Palastes wieder aufzustellen, sondern konnten auch den prächtigen Innenraum rekonstruieren. […]