Ansprache von Papst Franziskus beim Angelusgebet am Sonntag, 6. Februar

Nimm Jesus in das Boot deines Lebens auf

  Nimm Jesus in das Boot deines Lebens auf  TED-006
11. Februar 2022

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag!

Das Evangelium der heutigen Liturgie führt uns an die Ufer des Sees Gennesaret. Die Menge drängt sich um Jesus, während einige enttäuschte Fischer, darunter Simon Petrus, nach einer erfolglosen Nacht des Fischens die Netze waschen. Da steigt Jesus in Simons Boot, und dann fordert er ihn auf, hinauszufahren und seine Netze nochmals auszuwerfen (vgl. Lk 5,1-4). Betrachten wir diese beiden Handlungen Jesu genauer: Erst steigt er in das Boot und dann, als Zweites, erfolgt die Aufforderung hinauszufahren. Es war eine Nacht, die schlecht gelaufen war, ohne Fische, aber Petrus hat Vertrauen und fährt hinaus.

Zunächst steigt Jesus in Simons Boot. Um was zu tun? Um zu lehren. Er bittet um eben dieses Boot, das nicht voller Fische ist, sondern das nach einer Nacht voller Mühen und Enttäuschungen leer ans Ufer zurückgekehrt ist. Das ist auch ein schönes Bild für uns. Jeden Tag verlässt das Boot unseres Lebens die heimischen Gestade, um in die See der täglichen Aktivitäten zu stechen; jeden Tag versuchen wir, »auf hoher See zu fischen«, Träume zu hegen, Projekte zu verwirklichen, Liebe in unseren Beziehungen zu leben. Aber oft erleben wir wie Petrus die »Nacht der leeren Netze« – die Nacht der leeren Netze –, die Enttäuschung darüber, uns sehr anzustrengen und nicht die gewünschten Ergebnisse zu sehen: »Wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen« (V. 5), sagt Simon. Wie oft bleiben auch wir mit einem Gefühl der Niederlage zurück, während Enttäuschung und Bitterkeit in unseren Herzen aufsteigen. Zwei hochgefährliche nagende Würmer.

Was tut da der Herr? Er beschließt, gerade in unser Boot zu steigen. Von da aus will er das Evangelium verkünden. Genau dieses leere Boot, Symbol unserer mangelnden Fähigkeiten, wird zur »Kathedra« Jesu, zur Kanzel, von der aus er das Wort verkündet. Und das ist es, was der Herr gerne tut, denn der Herr ist der Herr der Überraschungen, der Wunder in den Überraschungen: in das Boot unseres Lebens einzusteigen, wenn wir ihm nichts zu bieten haben; in unsere Leere einzutreten und sie mit seiner Gegenwart zu füllen; unsere Armut zu nutzen, um seinen Reichtum zu verkünden, unser Elend, um seine Barmherzigkeit zu verkünden.

Denken wir daran: Gott will kein Kreuzfahrtschiff, ihm reicht ein armes »heruntergekommenes« Boot, solange wir ihn nur aufnehmen. Das ja, ihn aufnehmen; egal auf welchem Boot, ihn aufnehmen. Aber lassen wir ihn – so frage ich mich – in das Boot unseres Lebens steigen? Stellen wir ihm das Wenige zur Verfügung, das wir haben? Manchmal haben wir das Gefühl, seiner nicht würdig zu sein, weil wir Sünder sind. Aber das ist eine Ausrede, die dem Herrn nicht gefällt, weil sie ihn von uns entfernt! Er ist der Gott der Nähe, des Mitgefühls, der Zärtlichkeit, und er sucht nicht nach Perfektionismus: Er will aufgenommen werden. Er sagt auch zu dir: »Lass mich in das Boot deines Lebens steigen!« – »Aber Herr, sieh doch...« – »Also, lass mich einsteigen, so wie es ist.« Denken wir darüber nach. So stellt der Herr das Vertrauen des Petrus wieder her. Nachdem er in sein Boot gestiegen war und gepredigt hatte, sagt er zu ihm: »Fahr hinaus, wo es tief ist« (V. 4). Es war keine geeignete Zeit zum Fischen, es war helllichter Tag, aber Petrus vertraut Jesus. Er verlässt sich nicht auf die Strategien der Fischer, die er gut kannte, sondern er verlässt sich auf die Neuheit Jesu. Dieses Staunen, das ihn dazu brachte, zu tun, was Jesus ihm sagte.

Das gilt auch für uns: Wenn wir den Herrn in unser Boot aufnehmen, können wir in See stechen. Mit Jesus fährt man frei von Angst über das Meer des Lebens, ohne der Enttäuschung nachzugeben, wenn wir nichts fangen, und ohne mit einem »Da ist nichts mehr zu machen« zu kapitulieren. Sowohl im persönlichen Leben als auch im Leben der Kirche und der Gesellschaft gibt es immer etwas Schönes und Mutiges, das man tun kann, immer. Wir können immer wieder neu anfangen, der Herr lädt uns immer wieder ein, uns wieder ins Spiel zu bringen, weil er uns neue Möglichkeiten eröffnet. Nehmen wir die Einladung also an: Vertreiben wir den Pessimismus und das Misstrauen und stechen wir mit Jesus in See! Auch unser kleines leeres Boot wird einen wunderbaren Fischfang erleben.

Beten wir zu Maria, die wie niemand anderes den Herrn in das Boot ihres Lebens aufgenommen hat: Möge sie uns ermutigen und für uns Fürsprache halten.

Grüße und Appelle nach dem Angelus
siehe Seite 3