Liebe Schwestern!
Aus Anlass eures Generalkapitels heiße ich euch herzlich willkommen. Ich danke der Oberin für ihre freundlichen Worte, mit einem Sinn für Humor, aber einem guten, »avec le sens de l’humour«. Von Herzen begrüße ich eine jede von euch und versichere durch euch alle Schwestern eurer Kongregation in den verschiedenen Ländern meiner geistlichen Nähe.
Gemeinsam mit euch danke ich dem Herrn für das Werk seines Heiligen Geistes, das in eurem erzieherischen Charisma zum Ausdruck kommt, im Dienst an den jungen Generationen und den Familien für einen ganzheitlichen Humanismus und eine geschwisterlichere Welt. Heute stehen wir vor der Herausforderung der Bildung und Erziehung der menschlichen Person. Den vom Evangelium inspirierten Intuitionen eurer Gründer, des heiligen Pierre Fourrier und der seligen Alix Le Clerc, treu bleibend, habt ihr euch für die Volksbildung eingesetzt, für eine Erziehung zum Glauben, eine Erziehung zur Gerechtigkeit und eine Nähe zu den Armen. Ich möchte euch ermutigen, in den verschiedenen Ländern, in denen ihr tätig seid, missionarische Jüngerinnen und von Hoffnung und Freude erfüllte Gemeinschaften zu sein, denn »die große Gefahr der Welt von heute mit ihrem vielfältigen und erdrückenden Konsumangebot ist eine individualistische Traurigkeit, die aus einem bequemen, begehrlichen Herzen hervorgeht, aus der krankhaften Suche nach oberflächlichen Vergnügungen, aus einer abgeschotteten Geisteshaltung.« Das Drama der abgeschotteten Geisteshaltung. »Wenn das innere Leben sich in den eigenen Interessen verschließt, gibt es keinen Raum mehr für die anderen, finden die Armen keinen Einlass mehr« (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 2).
Liebe Schwestern, das von euch für das Kapitel gewählte Thema »Der Erziehungspakt der Kongregation Notre-Dame« ist ein nachdrücklicher Aufruf, über neue mögliche Wege nachzudenken, um die jungen Menschen in ihrem alltäglichen Umfeld zu erreichen, mit dem Ziel, zu ihrer ganzheitlichen Entwicklung beizutragen. Denn: »Lebenswege brauchen eine Hoffnung, die auf Solidarität gründet. Jede Veränderung erfordert einen Bildungsprozess, um neue Paradigmen herauszubilden, die auf die Herausforderungen und Notlagen der heutigen Welt reagieren, die Bedürfnisse der verschiedenen Generationen verstehen und Lösungen für sie finden und die Menschheit von heute und morgen zum Blühen bringen.«1 Angesichts der Herausforderungen und Gefahren, die die Jugendlichen bedrängen, wünsche ich, dass euer Einsatz und eure Begeis-terung, geschmiedet in der Kraft des Evangeliums, ihnen den Geschmack am Leben zurückgeben sowie neu den Wunsch wecken, eine Gesellschaft aufzubauen, die dieses Namens würdig ist (vgl. Enzyklika Fratelli tutti, 71).
Liebe Schwestern, ich zähle auf euch und vertraue euch, die Kirche vertraut euch. Mit euren Worten, euren Taten und eurem Zeugnis sendet ihr eine eindringliche Botschaft an die Welt, die Schutzbedürftige zurückweist. Mögt ihr in Gebet und Anbetung aus der Quelle der Güte und der Wahrheit schöpfen und in der Gemeinschaft mit dem gestorbenen und auferstandenen Christus die Kraft finden, einen positiven Blick, einen liebevollen Blick, einen hoffnungsvollen Blick, einen mitleidsvollen Blick, einen zärtlichen Blick auf die Welt zu richten, und dabei den benachteiligten Schichten der Gesellschaft besondere Aufmerksamkeit zuwenden. So wird eure Sendung als Erzieherinnen qualitätvolle Frucht bringen im Herzen des Volkes zum Wohl der Gesellschaft. Dank eures Charismas, das darauf abzielt, jeden Menschen zur Entdeckung der Liebe Christi zu führen, tragt ihr dazu bei, neue Horizonte zu eröffnen und Räume der Geschwisterlichkeit zu schaffen, denn »Erziehen ist immer ein Akt der Hoffnung; er ruft zur Mitbeteiligung auf und zur Umwandlung der sterilen, lähmenden Logik der Gleichgültigkeit in ein anderes Denken, das unsere gegenseitige Zugehörigkeit berücksichtigt.«2
Liebe Schwestern, in diesem Augenblick, in dem die Covid-19-Pandemie in vielfacher Hinsicht eine Krise verursacht hat, darunter insbesondere die einschneidenden Auswirkungen auf die Bildung und auf die Jugendlichen, fordere ich euch auf, den Menschen näher zu sein, die isoliert leben, in Traurigkeit und Mutlosigkeit. Denn »man muss der Sprache der Nähe den Vorzug geben, der Sprache der uneigennützigen, personalen und lebensnotwendigen Liebe, die das Herz berührt, das Leben erreicht, Hoffnung und Sehnsüchte weckt« (Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christus vivit, 211).
Eine jede von euch und alle eure Mitschwestern vertraue ich dem Herrn und der Jungfrau Maria an, ich segne euch von Herzen. Bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Danke.
Fußnoten
1 Videobotschaft von Papst Franziskus aus Anlass der Begegnung »Global Compact on Education. Together to look beyond« (15. Oktober 2020).
2 Ebd.
(Orig. ital. in O.R. 24.1.2022)