Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!
In der heutigen Liturgie berichtet das Evangelium von der ersten Predigt Jesu in seinem Heimatort Nazaret. Das Ergebnis ist bitter: statt Anerkennung zu erhalten, stößt Jesus auf Unverständnis und sogar auf Feindseligkeit (vgl. Lk 4,21-30). Seine Mitbürger wollten keine Worte der Wahrheit, sondern Wunder, wunderbare Zeichen. Der Herr wirkt aber keine, und so lehnen sie ihn ab, denn sie sagen, sie hätten ihn schon als Kind gekannt, er sei der Sohn Josefs (vgl. V. 22) und so weiter. So spricht Jesus einen Satz, der zum Sprichwort geworden ist: »Kein Prophet wird in seiner Heimat anerkannt« (V. 24).
Diese Worte zeigen, dass der Misserfolg für Jesus nicht völlig unerwartet kam. Er kannte die Seinen, er kannte die Herzen der Seinen, er kannte das Risiko, das er einging, er rechnete mit Ablehnung. Wir können uns also fragen: Wenn die Dinge so standen, wenn er ein Scheitern vorhersieht, warum geht er dann trotzdem noch in seine Heimatstadt? Warum sollte man Menschen etwas Gutes tun, die nicht bereit sind, einen zu akzeptieren?
Das ist eine Frage, die wir uns oft auch selber stellen. Aber es ist eine Frage, die uns hilft, Gott besser zu verstehen. Angesichts unserer Verschlossenheit macht er keinen Rückzieher: er zügelt seine Liebe nicht. Auch angesichts unserer Verschlossenheit lässt er nicht locker. Dies spiegelt sich auch in den Eltern wider, die sich der Undankbarkeit ihrer Kinder bewusst sind, aber nicht aufhören, sie zu lieben und ihnen Gutes zu tun. Gott ist genauso, aber auf einer sehr viel höheren Ebene. Und heute lädt er auch uns ein, an das Gute zu glauben und nichts unversucht zu lassen, um Gutes zu tun.
In dem, was in Nazaret geschieht, finden wir jedoch noch etwas anderes: Die Feindseligkeit der »Seinen« Jesus gegenüber provoziert uns: Sie waren nicht aufnahmebereit, und wir? Um dies zu überprüfen, wollen wir uns die Modelle der Aufnahme anschauen, die Jesus seinen Landsleuten und uns heute vorschlägt. Es sind zwei Fremde: eine Witwe aus Sarepta bei Sidon und Naaman der Syrer. Alle beide empfingen Propheten: erstere Elija, letzterer Elischa. Aber es war nicht einfach, sie zu empfangen; es gab viele Prüfungen. Die Witwe nahm Elija trotz der Hungers-not auf, und obwohl der Prophet verfolgt wurde (vgl. 1 Kön 17,7-16), er war ein aus politisch-religiösen Gründen Verfolgter. Naaman hingegen akzeptierte, obwohl er ein Mann von sehr hohem Rang war, die Aufforderung des Propheten Elischa, die ihn dazu brachte, sich zu demütigen und sieben Mal in einem Fluss zu baden (vgl. 2 Kön 5,1-14), als wäre er ein unwissendes Kind. Kurz gesagt, die Witwe und Naaman empfingen mit Bereitschaft und Demut. Der Weg, Gott aufzunehmen, besteht darin, immer verfügbar zu sein; ihn aufnehmen und demütig sein. Das ist der Weg des Glaubens: Verfügbarkeit und Demut. Die Witwe und Naaman haben die Wege Gottes und seiner Propheten nicht abgelehnt; sie waren fügsam, nicht starr und verschlossen.
Brüder und Schwestern, auch Jesus geht den Weg der Propheten: er zeigt sich auf eine Weise, die wir nicht erwarten würden. Wer Wunder sucht, wird ihn nicht finden – wenn wir Wunder suchen, werden wir Jesus nicht finden –, wer neue Empfindungen, innere Erlebnisse, seltsame Dinge sucht; wer einen Glauben sucht, der aus Macht und äußeren Zeichen besteht, wird ihn nicht finden. Nein, er wird ihn nicht finden. Nur wer seine Wege und Herausforderungen annimmt, ohne sich zu beschweren, ohne Misstrauen, ohne Kritik und lange Gesichter, wird ihn finden. Anders gesagt: Jesus bittet dich, ihn in der Realität des Alltags, in dem du lebst, aufzunehmen; in der Kirche, wie sie heute ist; in den Menschen, die jeden Tag um dich sind; in der Realität der Bedürftigen, in den Problemen deiner Familie, in deinen Eltern, Kindern, Großeltern, um Gott dort anzunehmen. Er ist da und lädt uns ein, uns im Fluss der Verfügbarkeit und in vielen gesunden Bädern der Demut zu reinigen. Wir brauchen Demut, um Gott zu begegnen, um zuzulassen, dass Er uns begegnet.
Und wir, sind wir aufnahmebereit oder ähneln wir seinen Mitbürgern, die glaubten, alles über ihn zu wissen? »Ich habe Theologie studiert, ich habe diesen Katechesekurs gemacht... Ich weiß alles über Jesus!« Ja, wie ein Dummkopf! Sei nicht dumm, du kennst Jesus nicht. Vielleicht denken wir nach vielen Jahren des Glaubens oft, dass wir den Herrn gut kennen, mit all unseren Vorstellungen und Urteilen. Das Risiko besteht darin, dass wir uns daran gewöhnen, dass wir uns an Jesus gewöhnen. Und wie gewöhnen wir uns an ihn? Indem wir uns verschließen, indem wir uns seiner Neuheit verschließen, dem Augenblick, wo er an deine Tür klopft und dir etwas Neues sagt; er will bei dir eintreten. Wir müssen aufhören, stur auf unseren Positionen zu beharren. Der Herr bittet um einen offenen Geist und ein einfaches Herz. Und wenn ein Mensch einen offenen Geist und ein einfaches Herz hat, dann kann er sich überraschen lassen und staunen. Der Herr überrascht uns immer wieder, das ist das Schöne an der Begegnung mit Jesus. Möge die Gottesmutter, Vorbild der Demut und der Verfügbarkeit, uns den Weg zeigen, wie wir Jesus aufnehmen können.
Grußworte nach dem Angelusgebet
siehe Seite 3