· Vatikanstadt ·

Das Wort und das Hören

 La Parola e l’ascolto  QUO-018
24. Januar 2022

Wie bereits in den vergangenen Jahren ist die Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, der heute veröffentlicht wird, ein Text, der reich ist an Anregungen, die es verdienen, noch weiter ausgebaut und vertieft zu werden. Angefangen bei dem Thema, das in den Mittelpunkt gestellt wird: das Hören, dem diese Zeitung als »Wort des Jahres 2022« besondere Aufmerksamkeit schenken wird. Man denke beispielsweise nur an den synodalen Prozess, den der Papst für den Monat Oktober anberaumt hat und den die Weltkirche gerade in dieser ersten Phase erlebt, die sich im Wesentlichen um die Dimension des Hörens dreht.

Nach dem »Komm und sieh« des Jahres 2021 und dem »Erzählen« 2020 hat der Papst beschlossen, »die Aufmerksamkeit auf ein anderes Verb richten: das ›Hören‹, das für die Grammatik der Kommunikation entscheidend sowie Bedingung für einen echten Dialog ist«, daher der Titel der Botschaft; »Mit dem Ohr des Herzens hören«. Jetzt ist also das Zuhören an der Reihe, das in Wirklichkeit die Voraussetzung, die Bedingung ist, die eine echte Kommunikation erst ermöglicht: Um die menschliche Erfahrung in der konkreten Realität der Menschen zu leben und dann davon zu erzählen, bedarf es der Zuhörer, Ohren, die bereit sind zuzuhören, und, wie der Papst sagt, vor den Ohren bedarf es der Herzen. In einer Umschreibung der berühmten Aussage der Kleinen Prinzen könnte man sagen: »Man hört nur mit dem Herzen gut.«

In der Enzyklika Deus caritas est hatte Benedikt XVI. mit Blick auf die karitativen Aktivitäten der Kirche eine Argumentationslinie entwickelt, die sich gut auf das Thema der Kommunikation übertragen lässt, die auch ihrerseits eine karitative Tätigkeit ist: »Berufliche Kompetenz ist eine erste, grundlegende Notwendigkeit, aber sie allein genügt nicht. Es geht ja um Menschen, und Menschen brauchen immer mehr als eine bloß technisch richtige Behandlung. Sie brauchen Menschlichkeit. Sie brauchen die Zuwendung des Herzens. […] In Wahrheit kann die Menschlichkeit der Welt nicht dadurch gefördert werden, dass man sie einstweilen stilllegt. Zu einer besseren Welt trägt man nur bei, indem man selbst jetzt das Gute tut, mit aller Leidenschaft und wo immer die Möglichkeit besteht, unabhängig von Parteistrategien und -programmen. Das Programm des Christen — das Programm des barmherzigen Samariters, das Programm Jesu — ist das ›sehende Herz‹« (Deus caritas est, 31).

Nicht nur das Sehen, nicht nur das Kommunizieren, sondern auch das Hören ist eine Herzensangelegenheit: »Das Hören ist letztlich eine Dimension der Liebe«, sagt der Papst, der dazu auffordert, sich eine Kunst des Kommunizierens anzueignen, die mehr als bloß technische Kompetenz ist: »Nur wenn wir unsere Aufmerksamkeit darauf richten, auf wen wir hören, was wir hören, wie wir hören, können wir in der Kunst der Kommunikation wachsen, deren zentraler Punkt weder eine Theorie noch eine Technik ist, sondern ›die Fähigkeit des Herzens, welche die Nähe möglich macht‹ (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 171)«.

Ein Christ weiß: die Liebe, wie der Mut, von dem Manzoni spricht, schenken nicht wir, sondern sie kommt von Gott, wir hingegen sind schlicht und einfach ihre Empfänger. Das erfolgt auf viele Weisen, vor allem dadurch, dass wir sein Wort hören, und es ist ein schönes zeitliches Zusammentreffen, dass die Botschaft für den Welttag der sozialen Kommunikationsmittel gerade heute, am Tag nach dem Sonntag des Wortes Gottes, veröffentlicht wird. Gott spricht und der Mensch hört zu. »Denn die Initiative geht von Gott aus, der zu uns spricht und dem wir antworten, indem wir ihm zuhören«, merkt der Papst mit einem schönen Bild an: »und auch dieses Hören kommt letztlich aus seiner Gnade, wie es beim Neugeborenen der Fall ist, das auf den Blick und auf die Stimme von Mama und Papa antwortet.«

Das Zuhören ist eine Gabe, eine Gnade. Als Gefangene im Konzentrationslager sinnt Etty Hillesum darüber nach, dass die Stimme Gottes auf vielerlei Weise kommt, durch ihre eigenen Gedanken, aber auch durch die Worte anderer, und dass es darauf ankommt, dieser Stimme Raum zu geben: »Mein Leben ist ein ununterbrochenes Horchen auf die Stimme Gottes in mir und in anderen. Und wenn ich sage, ich horche in mich hinein, dann ist es tatsächlich Gott, der in mir horcht. Der wesentlichste und tiefste Teil von mir horcht auf den wesentlichsten und tiefsten Teil des anderen. Von Gott zu Gott.«

Die Kommunikation ist für den Christen in erster Linie Gemeinschaft mit Gott und daher mit den Brüdern und Schwestern. Wenn es dieses Leben der Gemeinschaft gibt, diese Quelle, dann wird sich die Kommunikation als deren Folge ergeben, sie wird natürlich fließen, weil das Wort, wie der Papst in seiner Predigt gestern gesagt hat, »uns Gott offenbart« und »uns zum Menschen führt«.

Das Kreuz, Symbol des Christentums, hat zwei Arme, den vertikalen und den horizontalen, die, eng vereint, durch ein unauflösliches Band verbunden sind, um die untrennbare Einheit der Liebe zu Gott und zu den anderen zu bezeichnen. Die zweite Liebe ist in gewisser Weise eine Bestätigung der ersten, so dass uns das Wort, das uns das Geheimnis des Vaters offenbart, unweigerlich zu unseren Brüdern und Schwestern führt, und der Prüfstein für unsere Beziehung zu Gott ist, wie wir uns ihnen gegenüber verhalten. Das Hören des Wortes, das uns aus der Erstarrung eines egozentrischen Lebens aufrüttelt, öffnet uns dafür, den Worten der anderen zuzuhören, vorausgesetzt, wir lassen Raum, denn sonst besteht die Gefahr, dass wir verschlossen bleiben, selbst gegenüber dem Anderen, an den wir zu glauben behaupten. Der Papst erinnert daran mit einem Zitat des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer, der in Gemeinsames Leben bekräftigt, dass »der erste Dienst, den wir den anderen in der Gemeinschaft schulden, darin besteht, ihnen zuzuhören. Wer seinem Bruder nicht zuhören kann, der wird auch bald Gott nicht mehr zuhören können.« Zuhören heißt also, »sich in Hörbereitschaft zu versetzen« und zu wissen (und zu akzeptieren), dass dies unser Leben verändern kann. Das hat der Papst in seiner gestern, am Sonntag des Wortes Gottes, gehaltenen Predigt ganz klar und deutlich gesagt und dabei betont, dass uns dieses Wort »drängt, aus uns herauszugehen und unseren Brüdern und Schwestern allein mit der sanften Kraft der befreienden Liebe Gottes zu begegnen. […] Das Wort Gottes verwandelt uns, indem es die Seele wie ein Schwert durchdringt (vgl. Hebr 4,12). Denn einerseits tröstet es uns, indem es uns das Antlitz Gottes offenbart, andererseits provoziert und erschüttert es uns, indem es uns auf unsere Widersprüche aufmerksam macht. […] Es lässt uns nicht zur Ruhe kommen, wenn der Preis für diese Ruhe eine von Ungerechtigkeit und Hunger zerrissene Welt ist und immer die Schwächsten dafür bezahlen müssen. […] Das Wort Gottes lädt uns ein, aus der Deckung zu kommen und uns nicht hinter der Komplexität der Probleme zu verstecken, hinter einem »Da kann man nichts machen«, »Das ist deren Problem«, »Das ist sein Problem«, oder einem »Was kann ich da schon ausrichten?« […] Es mahnt uns zu handeln und den Gottesdienst und den Dienst am Menschen als Einheit zu sehen. Denn die Heilige Schrift ist uns nicht gegeben worden, um uns zu unterhalten oder uns mit einer engelhaften Spiritualität zu verhätscheln, sondern damit wir hinausgehen und den anderen begegnen und uns ihren Wunden zuwenden. […] Das Wort, das Fleisch geworden ist (vgl. Joh 1,14), will in uns Fleisch werden. Es nimmt uns nicht aus dem Leben heraus, sondern stellt uns ins Leben hinein, in die alltäglichen Situationen, es lässt uns auf die Leiden unserer Brüder und Schwestern hören, auf die Hilferufe der Armen, die Gewalt und die Ungerechtigkeit, die die Gesellschaft und den Planeten verletzen, so dass wir nicht gleichgültige, sondern aktive, kreative Christen, prophetische Christen sind.« Kommunizieren ist für den Christen also keine »Unterhaltung«, sondern es heißt immer in eine prophetische Dimension einzutreten. Wer mit dem Herzen gehört hat, bleibt betroffen, verändert zurück, und er bringt sich dann selbst ein, indem er sich seiner Worte bedient, um daran mitzuwirken, die Welt menschlicher zu machen. Und alles fängt damit an, dass wir in unserem Herzen Platz schaffen, um die Gnade des (Zu-)Hörens zu empfangen.

Von Andrea Monda


(Orig. ital. in O.R. 24.1.2022)