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Gedanken zum Sonntag - 23. Januar: 3. Sonntag im Jahreskreis

Bewusst in der Gegenwart leben

 Bewusst in der Gegenwart leben  TED-003
21. Januar 2022

»Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt« (Lk 4,21), sagte Jesus in der Synagoge von Nazaret, als er aus der Buchrolle des Propheten Jesaja vorgelesen hatte. Gottes Reich, das mit dem Kommen Jesu anbricht, ist keine Utopie, kein »Nicht-hier« oder »Noch-nicht«, sondern eine sich schon verwirklichende Zukunft, ein »Schon heute«, und zwar »Hier«.

Die Theologie des Evangelisten Lukas ist geprägt vom »Heute Gottes«. Zwölfmal kehrt dieses Wort in seiner »Frohen Botschaft« wieder. Jesus selbst kündet dreimal von diesem »Heute«: in der Synagoge seiner Heimatstadt, im Haus des Zöllners Zachäus (Lk 19,9) und gegenüber dem reumütigen Verbrecher am Kreuz (Lk 23,43). Das »Heute« markiert dabei nicht einfach einen Kalendertag. Es macht Menschen vielmehr bewusst, mitten in der Zeit der Gnade zu stehen, an der großen, rettenden Wende zum Leben in Fülle.

Die Liturgie der Kirche erinnert uns immer wieder daran: Das biblische »Heute« ist nicht beschränkt auf die Geschichte Jesu, sondern öffnet sich in das »Heute« aller Glaubenden – zu allen Zeiten, an allen Orten. Wo immer ein Mensch das Wort Gottes hört und sein Leben davon prägen lässt, ist es heute!

In seiner Homilie zum Buch Exodus warf Origenes (ca. 185-254) einst den Christen vor, dass sie zwar beim Empfang des eucharistischen Brotes darauf achteten, kein Krümchen auf die Erde fallen zu lassen. Bei der Aufnahme des Wortes Gottes ließen sie jedoch nicht dieselbe Ehrfurcht und Aufmerksamkeit walten!

Für Gott ist beständig »Heute« – nicht nur im Gottesdienst oder in Zeiten der Stille, sondern auch in den alltäglichen Begegnungen im Kollegen-, Familien- und Freundeskreis. Gott spricht in allem und durch alles zu uns.

Bewusst in der Gegenwart zu leben ist eine Herausforderung! Oft kreisen wir um Vergangenes oder sorgen uns um Zukünftiges. Wir beschweren uns vielleicht darüber, dass Gott »schweigt«, dass er nicht da ist, und bemerken nicht, dass wir selbst es sind, die schwerhörig und »abwesend« sind.

Ein wichtiger Prüfstein auf die Lebendigkeit unseres Glaubens ist unsere Entschiedenheit, uns jederzeit dem Heute Gottes anzuvertrauen.

Sr. Manuela Scheiba OSB,

Abtei St. Gertrud – Alexanderdorf,

Am Mallensee