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Gottes unerhörte Logik

 Gottes unerhörte Logik  TED-002
14. Januar 2022

»Von den Sternen zu den Ställen« – [auf dt. in etwa: »Vom Millionär zum Tellerwäscher« oder »Hochmut kommt vor dem Fall«] – ist eine gängige [italienische] Redensart. Mit ihr wird auf die Verschlechterung einer Situation hingewiesen, die vorher exzellent war. Sie spielt auf ein Szenarium an, wo ein Übergang, eine Verwandlung stattfindet, die den bitteren Beigeschmack einer Erniedrigung hat. Wenn wir das Sprichwort in den Singular setzen, »vom Stern zum Stall«, verändert sich die Szene etwas und ähnelt auffallend der Epiphanie, als die Heiligen Drei Könige, die dem Stern gefolgt waren, in Betlehem ankamen. Auch hier gibt es in der Tat diesen abrupten Übergang, diese Bewegung von oben nach unten. Die Heiligen Drei Könige, wahrscheinlich reich und mächtig, auf jeden Fall aber zur »Oberschicht« gehörend, mischen sich unter die Armen und die Hirten, und während sie zuvor den Himmel betrachteten, bewegen sie sich nun auf einer Ebene unterhalb der Erdoberfläche: einer Höhle, einer in den Fels gehauenen schmutzigen, kalten und feuchten Höhle. Sie ziehen nicht nur dorthin, sondern sie werfen sich, kaum angekommen, zur Anbetung des Kindes nieder, das heißt sie knien und verbeugen sich bis zur Erde. »Das scheint ein Widerspruch zu sein. Eine so demütige Geste seitens so illustrer Männer ist überraschend«, so der Papst beim Angelus am 6. Januar. »Die Sterndeuter verneigen sich vor der unerhörten Logik Gottes… […] Um das zu tun, bedarf es der Demut.«

Das ist vielleicht das Schlüsselwort: Demut, die mit dem »Humus«, der Erde, zu tun hat. Der Weg von den Sternen zum Stall ist auch der Weg des Kindes, das die Heiligen Drei Könige und die Hirten zum Aufbruch veranlasst hat. Dieses Kind ist der »Sohn des Höchsten«, wie der Engel Gabriel Maria verkündete, und nun befindet er sich an einem sehr niedrigen Ort. Auch hier spüren wir den bitteren Geschmack der Demütigung, aber wir entdecken, dass dieser Geschmack süß werden kann. Denn auf geheimnisvolle Weise ist hier ein verborgener Schatz enthalten, ein Same der Hoffnung. Der heilige Paulus bringt dies im christologischen Hymnus des Philipperbriefs zum Ausdruck, wenn er von Jesus spricht, der »Gott gleich war. Er hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz« (Phil 2,6-9).

Gott erniedrigt sich. Und zwar vom ersten bis zum letzten Augenblick, wenn er in einer Betlehem sehr ähnlichen Szene wieder in den Armen seiner Mutter liegt, die ihn in eine andere Felsenhöhle, in das Grab, legt. Gottes Plan, seine »unerhörte Logik«, in der er die menschliche Existenz in allem geteilt hat, hat sich erfüllt. Bereits beim Angelus am 2. Januar hatte der Papst diese vollkommene und unentgeltliche Liebe des »Wortes, das Fleisch geworden ist, um unser Leben zu teilen«, betont. »Jesus ist der Gute Hirte, der uns dort sucht, wo wir sind: in unseren Problemen, in unserem Elend. Er kommt dorthin«, und das auch dann, wenn wir uns »oft von Gott fernhalten, weil wir meinen, seiner nicht würdig zu sein. [...] Denkt an den Stall von Bethlehem. Jesus wurde dort geboren, in dieser Armut, um dir zu sagen, dass er sich gewiss nicht scheut, dein Herz zu besuchen und in einem schäbigen Leben zu wohnen. Das ist das Wort: wohnen. Wohnen ist das Verb, das das Evangelium heute verwendet, um diese Realität zum Ausdruck zu bringen: Es bedeutet das vollkommene Teilen, eine große Vertrautheit.«

Dieses Kind ist von den Sternen herabgestiegen [»Tu scendi dalle stelle …«], wie es in dem berühmten Weihnachtslied heißt, um in unseren Ställen zu wohnen. Es liegt an uns, es aufzunehmen, ja es »einzuladen«, wie der Papst unterstreicht: »Laden wir es offiziell in unser Leben ein, besonders in die dunklen Bereiche [...] unsere ›inneren Ställe‹: Jeder von uns hat sie. Und erzählen wir ihm auch ohne Angst von den sozialen Problemen, den kirchlichen Problemen unserer Zeit, den persönlichen Problemen, selbst den schlimmsten: Gott liebt es, in unserem Stall zu wohnen.«

(Orig. ital. in O.R. 7.1.2022)

Von Andrea Monda