Die Kirche und die Frauen
Warum tut sich die Kirche so schwer damit, die Frauen anzuerkennen, damit, ihnen eine angemessene Rolle zuzugestehen? Warum sind die Versuche, die in diese Richtung gehen, schüchtern, langsam und bleiben oft auf halbem Wege stehen? Warum zieht es die Kirche vor, die Frau zu feiern und zu ehren, anstatt sie wirklich willkommen zu heißen und ihre Kraft und ihren Wert anzuerkennen?
Genau das fragt sich Anne-Marie Pelletier, die bekannte Bibelkundlerin, in ihrem Buch L’Église et le féminin, das unlängst bei den Éditions Salvator in Frankreich erschienen ist. Und sie sucht nach einer Antwort, denn die Kirche, die sich nach über zwanzig Jahrhunderten nun an einem Scheideweg wiederfindet, bedarf mehr als je zuvor einer Antwort. Ein völliges Umdenken und eine Rückbesinnung auf die Tradition sind unerlässlich, sofern sie weiterhin Bestand haben will.
Anne-Marie Pelletier versucht dies mit tiefgründigen Seiten, auf denen sie zeigt, wie die Traditionen, die zur Rechtfertigung der Nicht-Anerkennung des Weiblichen herangezogen werden, wenig mit der tiefen Bedeutung der heiligen Texte zu tun haben, sondern vielmehr die Folge einer Vermittlung zwischen Religion und historischer Kultur sind. Also Traditionen, deren es sich zu entledigen gilt? Die Verfasserin – das ist einer der Vorzüge des Buches – nimmt eine tiefgründige Analyse vor, ohne sich davor zu fürchten, zu offenbaren, wo die Verantwortung für die Vorurteile liegt, die heute die weibliche Präsenz in der Kirche bremsen und jeden Fortschritt verhindern. Die Tradition – so sagt sie –, hat ihren Wert, insofern es ihr zu verdanken ist, dass der Glaube weitergegeben wurde. Aber wir müssen den Mut haben, sie im Lichte einer sich verändernden Gesellschaft, von Frauen, die Stärke und Rolle erobert haben, neu zu interpretieren.
Die unbezähmbaren Frauen der Bibel
Sie sind Königinnen, Abenteurerinnen, Kriegerinnen, Pionierinnen. Sie kämpfen und verführen. Sie lieben und arbeiten. Der Bericht über ihre Geschichten nimmt mindestens die Hälfte der Bibel ein, und trotzdem wissen wir noch wenig über sie. Und das, was man weiß, was man schreibt, was man liest, ist dürftig, oft auch recht uninteressant und wenig attraktiv für junge Menschen bzw. Menschen des 21. Jahrhunderts. Maria Teresa Milano und Valentina Merzi versuchen in Le indomabili donne della Bibbia (erschienen bei Edizioni Sonda) die Revolution. Sie erzählen die Frauen aus dem Buch der Bücher so nach, wie eine Frau unserer Zeit sie einer Jugendlichen erzählen würde, mit kulturellen Bezügen, Zitaten, Verhaltensweisen, die sie in all ihrer Kraft und Stärke verstehen lassen können. Religion und Popkultur, Glaube und Persönlichkeiten aus dem Fernsehen, Kino und Heilige Schriften kreuzen sich bei der Beschreibung von Frauen, die von einem anderen und stärkeren Licht beleuchtet zu sein scheinen. Realer und phantasievoller. Sie gleichen Lady Gaga oder Beyoncé, sie könnten die Protagonistinnen von Erfolgsserien im Fernsehen sein, sie sind stolz auf sich, auf ihr Leben. Sie haben Interessen und Leidenschaften.
Wir haben da Lydia, eine perfekte Geschäftsfrau, Maria von Magdala, die Lieblingsjüngerin, Mirjam, die Stimme der Freiheit, Rut und Noomi, Freundinnen für immer, Tamar, die unternehmungslustige Witwe. Nein, die Bibel ist kein überholtes Buch, sie ist kein von den Großeltern geerbter »alter Schinken«, die Bibel erzählt von uns, sie erzählt von den Frauen. Davon, wie sie heute sind. Man muss nur verstehen, sie zu lesen. Maria Teresa Milano und Valentina Merzi versuchen es, und zwar erfolgreich, sie bringen es fertig, unterhaltsam zu sein und uns dazu zu bringen, die Bibel zu lieben.
Von Ritanna Armeni
(Orig. ital. in O.R., Monatsbeilage »Frauen – Kirche – Welt«, Januar 2022)