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FRAUEN KIRCHE WELT

Thema des Monats

Die Tugenden der von Franziskus heiliggesprochenen Frauen

 Le virtù delle sante  di  Francesco  DCM-010
06. November 2021

Geduld, Sanftmütigkeit, Freude, aber auch Sinn für Humor


Gibt es so etwas wie eine »Politik« der von Papst Franziskus heiliggesprochenen Frauen? Kann man der Auswahl, die dieser Papst bezüglich der Frauen getroffen hat, die es verdienen, zur Ehre der Altäre erhoben zu werden, eine Idee, eine klare »Linie« entnehmen? Entsprechen die ausgewählten Frauen auch dem Idealbild einer Frau, das der Papst den Gläubigen anbieten will? Ich würde das bejahen, und werde die Gründe hierfür erläutern.

Gaudete et exsultate: So hat Papst Franziskus sein am 19. März 2018 veröffentlichtes Nachsynodales Apostolisches Schreiben über den Ruf zur Heiligkeit in der Welt von heute überschrieben. Warum sollten wir uns freuen und jubeln? Weil die Heiligkeit nicht nur einigen wenigen Männern und Frauen vorbehalten ist, die Heiligkeit ist vielmehr das Ziel aller Jünger Christi, die sie verfolgen können, indem sie ihn nachahmen und, so könnte man hinzufügen, sie sollte auch das Ziel ganz generell aller Menschen sein.

»Die Heiligen begleiten und ermutigen uns«, schreibt Franziskus: da haben wir die Beispielhaftigkeit (ebd., 3-5). Und zwar keineswegs nur die »berühmten« Heiligen, sondern es können auch die »Heiligen von nebenan« sein (ebd., 6-9), Menschen, die oft bescheiden in der Welt leben und wenn sie vorübergehen eine Spur des Guten in ihrem Kielwasser hinterlassen. Um diese seine Überlegung noch deutlicher zu machen, fordert der Papst dazu auf, auf die einfachsten Glieder des Volkes zu schauen, und er tut das, indem er sich der Worte einer Heiligen unserer Zeit bedient: Teresia Benedicta vom Kreuz (mit bürgerlichem Namen: Edith Stein), eine der bedeutendsten Philosophinnen des 20. Jahrhunderts. Tatsächlich schreibt sie: »Welchen Seelen wir die entscheidenden Wendungen in unserem persönlichen Leben verdanken, das werden wir auch erst an dem Tage erfahren, an dem alles Verborgene offenbar wird« (ebd., 8), d.h. wenn wir uns in einem anderen Leben und in einem Zustand befinden, der das Bemühen um die Ausübung der Tugenden belohnt und den sie als »seliges Leben« bezeichnet – wir können dabei etwa an die Beschreibung des Paradieses bei Dante denken.

Das Edith-Stein-Zitat demonstriert die Aufmerksamkeit, die Franziskus den Frauen entgegenbringt, eine Aufmerksamkeit, die er in der Generalaudienz vom 8. September 2021 bei Gelegenheit seiner Katechese über den Brief des heiligen Paulus an die Galater unterstrichen hat. Bei der Heiligkeit der kämpfenden Kirche sind die Frauen ein wesentlicher Bezugspunkt. Kann man sagen, dass die Frauen die religiöse Erfahrung intensiver erleben? Wenn man sich die Häufigkeit der Gottesdienstbesuche anschaut, lautet die Antwort »Ja«, aber für die Heiligkeit ist das noch nicht genug. Mit Sicherheit verweist die Mutterschaft, die die Frauen auszeichnet, auf eine Öffnung hin zum anderen, und zwar nicht nur im Sinne von Mensch, sondern auch im Sinne des Göttlichen. Das Mütterliche bringt Leben hervor und beschützt auch: hat die Frau eine größere Affinität zum Schöpfergott? Die heiligen Frauen demonstrieren es, wenn auch auf die unterschiedlichste Art und Weise, und die Vielfalt der Erscheinungsformen verhilft uns dazu, die vielen »Wege« zur Heiligkeit zu verstehen. Diese Vielfältigkeit wird deutlich, wenn man die lange Liste der von Papst Franziskus verkündeten heiligen und seligen Frauen analysiert. Die Zahlen sprechen auch in diesem Fall für sich: 22 heiliggesprochene und 150 seliggesprochene Frauen, die auf ihre Heiligsprechung warten. In dieser Zeit der Pandemie wurde der komplexe iter, der zur Heiligsprechung führt, ausgesetzt, aber es ist höchst aufschlussreich, dass die einzige Frau, die 2021 heiliggesprochen wurde, Margareta von Città di Castello war. Ein Leben, das wir zweifelsohne vom menschlichen Standpunkt aus als tragisch bezeichnen würden; es handelt sich [bei ihr] um einen »Ausschuss«, um ein menschliches Wesen, das von den eigenen Eltern verworfen wurde und das Papst Franziskus aus eigener Initiative heiligsprechen wollte. Aber gehen wir der Reihenfolge nach, weil es sich lohnt, bei diesem Fall zu verweilen, der klar und deutlich Papst Franziskus’ »Politik« im Hinblick auf die Heiligkeit zum Ausdruck bringt, also nicht nur deren theoretische Interpretation, sondern auch sein Handeln.

Wir haben es bei Margareta von Città di Castello, die im 13./14. Jahrhundert lebte, mit der dritten bereits seliggesprochenen Dominikanertertiarierin zu tun. Am 11. Dezember 2019 präsentiert Papst Franziskus dem Präfekten der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse den Antrag auf eine »äquipollente« [gleichwertige] Heiligsprechung der seligen Margareta, die darin besteht, dass die Weltkirche das Gebet des Stundengebets und die Feier der Messe, die Ausdruck der den Heiligen vorbehaltenen Verehrung sind, [um ihren Namen] erweitert. Eben dieses Verfahren wurde auch für Hildegard von Bingen zur Anwendung gebracht, die von Benedikt XVI. heiliggesprochen wurde, wie auch für Angela von Foligno durch Papst Franziskus.

Margareta von Città di Castello kann nicht mit diesen beiden heiligen Frauen verglichen werden, von denen die eine eine außerordentliche Intellektuelle und die andere eine große Mystikerin war, und das ist klar zu erkennen, wenn man ihr kurzes Leben Revue passieren lässt. Sie kam 1287 in einer Ortschaft namens Metola zur Welt. Ihre Eltern waren adelig, und ihr Vater war dort der Schlossherr. Die kleine Margareta, die blind und missgebildet zur Welt kam, war in ihren Augen eine Schande und musste versteckt werden; tatsächlich schlossen sie sie in einer nahegelegenen Zelle ein, wo sie ihre Kindheit verbrachte. Sehr bald brach zwischen den Herren der benachbarten Territorien ein Krieg um den Besitz von Metola aus. Aus diesem Anlass wurde die kleine Margareta aus ihrer Zelle geholt. Ihre Eltern versuchten, ihr zu helfen, indem sie sie zu einem Laienbruder, Bruder Jakob, nach Città di Castello brachten, dem nachgesagt wurde, dass er Wunder vollbringe. In diesem Fall blieb das Wunder aber aus, und die Kleine wurde von ihren Eltern in Città di Castello ausgesetzt, gemäß einer zu jener Zeit ziemlich verbreiteten Praxis. Missgebildete Kinder konnten, »mussten« in einigen Fällen sogar ausgesetzt werden, da sie sichtbares Zeichen einer göttlichen Strafe waren. Die Kleine überlebte dank der Wohltätigkeit der Bewohner der Stadt und wurde zunächst in einem kleinen Kloster aufgenommen, aber da sie sich als vorbildliches Beispiel der Spiritualität erwies – in der Tat widmete sie sich dem Gebet und dem Fasten –, wurde sie von den Nonnen weggejagt und musste wieder auf der Straße leben.

Ein Ehepaar erbarmte sich ihrer und nahm sie in sein Haus auf. Die neuen Eltern kümmerten sich um sie und erlaubten ihr, ihre außergewöhnlichen Talente zu entfalten, einschließlich derer, Wunder zu vollbringen. Es heißt, dass ihr Leben, das der Stille und der Meditation gewidmet war, auch von Ekstasen und Schweben begleitet wurde, die die Einwohner von Città di Castello schwer beeindruckten. Margareta, die die Kirche der Dominikanerpatres frequentierte, wollte Tertiarierin werden und sich einem Leben der völligen Hingabe an Gott widmen. Ihre geistige Kraft war außergewöhnlich, aber ihre körperliche Konstitution war schwach, und im Alter von 33 Jahren starb sie mit derselben Gelassenheit, mit der sie auch gelebt hatte. Als sie aufgebahrt lag, geschah es, dass ein Mädchen durch ein Wunder geheilt wurde, so begann der lange Weg der Gnaden und der Wunder.

Was bei dieser ganzen Geschichte unserer Sensibilität einen Schlag versetzt, ist die Haltung der Eltern, die sich den Sitten und Gepflogenheiten der Zeit anpassten, obwohl sie sich als Christen bezeichneten. Margareta ist ein Beispiel der Ausgrenzung, das Papst Franziskus zutiefst angerührt hat.

Einige dieser Selig- und Heiligsprechungsprozesse waren bereits vor seinem Pontifikat in Gang gesetzt worden, wurden zu Ende geführt und von ihm akzeptiert, aber diese Causa wie auch jene, die die selige Angela von Foligno betrifft, verweisen auf die »Wiedereingliederung«, die »Rehabilitierung« derer, die verlassen und verachtet sind, weil sie nicht den Normen der Welt entsprechen.

Die Heiligkeit der Angela von Foligno (1248-1309) wurde nach 700 Jahren anerkannt, aus vielerlei Gründen. Von ihr ist die Rede vor allem in einem mit Memoriale (Memoiren) überschriebenen Buch, dessen Inhalt den Leser ratlos zurücklässt. Aber angesichts der Existenz anderer zeitgenössischer Zeugnisse wurden die Zweifel über seine Existenz und auch hinsichtlich des Wahrheitsgehalts ihres eigenartigen Verhaltens überwunden, das in der berühmt gewordenen Episode gipfelte, der zufolge sie 1291 im Dom von Assisi Schreie ausgestoßen und sich vor dem Kruzifix entblößt haben soll, was mit Sicherheit ein äußerst unziemliches Benehmen war. Dieses Geschehen erregte die Aufmerksamkeit eines anonym gebliebenen Mönchs, der sie, da ihre Persönlichkeit ihn neugierig machte, befragte und niederschrieb, was sie ihm sagte. Inzwischen ist erwiesen, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt, die sogar Kardinal Colonna und acht Franziskanermönchen zur Beurteilung vorgelegt wurde, die sie billigten. Was in der Tat rätselhaft ist, sind die Reaktionen der Heiligen auf körperlicher Ebene, die Involvierung ihres Körpers, nicht aber der lehrhafte Inhalt ihrer Erzählungen. So beschreibt sie ihre mystische Erfahrung, die von Licht und Schatten geprägt ist, von der Dunkelheit, von der auch Mutter Teresa von Kalkutta, eine weitere von Papst Franziskus proklamierte Heilige, gesprochen hat und von der viele Mystikerinnen und viele Mystiker sprechen.

Die Päpste der letzten Zeit haben den Wert der mystischen Erfahrung anerkannt, und Papst Franziskus hat gezeigt, dass er sie als einen Weg zur Heiligkeit betrachtet. Er hat auf einige grundlegende Eigenschaften hingewiesen, die dazu dienen, dies zu erreichen; es handelt sich um innere Haltungen, die jeden Lebensstil prägen können: Jeder muss sich in Nachsicht, Geduld und Sanftmut üben, muss die Freude und seinen Sinn für Humor kultivieren. Es stellt sich die Frage: Wo soll all das demonstriert werden?

Die Antwort lautet: in der Gemeinschaft, zusammen mit den Brüdern und Schwestern. Aber es ist gar nicht einfach, über die Kraft für den Weg der inneren Vervollkommnung zu verfügen, der verlangt, (wen?) nachsichtig zu ertragen, Geduld zu haben (mit wem?), sanftmütig zu sein (wem gegenüber?).

Auf diesem von Papst Franziskus anerkannten Weg zur Vollkommenheit finden wir die unterschiedlichsten Lebenswege: Jacinta Marto, eine der Seherinnen von Fatima, die im Alter von nur 10 Jahren starb; eine Frau aus dem Laienstand, die Mutter der heiligen Thérèse von Lisieux (1831-1877); eine Ordensfrau, die selige Clelia Merloni, Gründerin des Instituts der Apostelinnen vom Heiligen Herzen (1861). Um das zu veranschaulichen, habe ich drei grundverschiedene Lebensläufe aufgezählt, denen jedoch der Prozess der inneren Vervollkommnung gemein ist, der sich in der Nächstenliebe manifestiert, die eine unabdingbare Voraussetzung für die Erlangung der Heiligkeit ist. Dies wird in einem anderen »politischen« Vorschlag von Papst Franziskus deutlich, der in der Enzyklika Fratelli tutti enthalten ist, in der »Brüderlichkeit« sicherlich sowohl die Brüder als auch die Schwestern einschließt.

Von Angela Ales Bello
Emeritierte Professorin für Geschichte der zeitgenössischen Philosophie an der Lateranuniversität, Präsidentin des Italienischen Zentrums für Phänomenologische Forschungen (Centro italiano di Ricerche Fenomenologiche)