· Vatikanstadt ·

Tierisches aus dem Vatikan

Ein Löwe im Vatikan ist doch genug…

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17. September 2021

Von Anfang an gab es Wortspiele um den Papstnamen Leos XIII. (1878-1903). Der Pontifex, der den Heiligen Stuhl als Apostolischer Nuntius im Königreich Belgien vertreten hatte, hatte sich in vielen Konflikten als Diplomat bewährt und sah sich auch auf dem Stuhl des heiligen Petrus zu einem solchen Vorgehen verpflichtet. Diese Tugend wurde von den Römern zum Spott genutzt. Sie sprachen vom »Leone senza dente«, einem zahnlosen Löwen. Doch der Papst zeigte, dass er sich wie der König der Tiere Respekt verschaffen konnte. »Ex ungue leonem – aus der Tatze erkenne ich den Löwen«, kommentierte ein deutscher Domherr die erste Enzyklika des Papstes.

In den Vatikanischen Gärten hatte Leo XIII. den größten der runden Türme der alten Verteidigungsmauern zu einem bequemen »Landsitz« herrichten lassen. Der Architekt des Apostolischen Palastes hatte den Einfall gehabt, den Maler Ludwig Seitz damit zu beauftragen, für diesen Ort eine ganz besondere Huldigung an den Papst zu schaffen.

In dem Gewölbe des Turms wurde der Sternenhimmel Roms im Sternzeichen des Löwen dargestellt. Um dieser Idee dann noch das i-Tüpfelchen aufzusetzen, hatte man an den Sternen kleine Lämpchen angebracht, die aufflammten, wenn man einen Schalter umlegte. Bei der Präsentation dieser Huldigung zuckte der Papst ein wenig zusammen. Da er weder den Architekten noch den Maler und die Techniker in Verlegenheit bringen wollte, beließ er es in seiner Kritik bei einem vielsagenden Lächeln.

Neben der Gartenresidenz befand sich ein beachtlicher Tierzwinger. »In einem großen Vogelkäfig wurden zusammen Fasane und Pfauen, Turteltauben und Pharaohühner, Enten und Papageien gehalten«, berichtete ein Chronist der damaligen Zeit, »in einem Gehege sah man Damhirsche und Rehe, Strauße, Pelikane und Gazellen, die dem Papst als Geschenk von Kardinal Lavigerie, dem Erzbischof von Karthago, übersandt worden waren. Als sie im Vatikan ankamen, in Kisten und Käfigen verschlossen, wurden diese Tiere natürlich Gegenstand der lebhaftesten Neugierde. Bald darauf leistete sich solches Vieh einen hübschen Streich. Eines Morgens machte ein Pelikan sich aus dem Staub und ließ sich, man bedenke das Zusammentreffen, ausgerechnet im Wald von Castel Porziano nieder, der damals königliches Jagdgehege war. Leo liebte es besonders, sich mit den Gazellen abzugeben, indem er sie mit dem Stock neckte. Einmal aber stürzte eine von ihnen zum großen Entsetzen des Gefolges mit einem plötzlichen Seitensprung auf ihn los. Verwundert wandte er sich um: ›Was soll diese Aufregung? Glaubt ihr vielleicht, dass eine Gazelle einen Löwen in Schrecken versetzen könnte?‹«

Französische Katholiken hatten sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit der Absicht getragen, dem Papst für seinen Zoo einen kleinen Löwen zu schenken. Als man das Ansinnen Papst Leo XIII. bei einer Audienz vortrug, antwortete er schmunzelnd: »Wozu denn, reicht denn nicht ein Leo im Vatikan?«

Ulrich Nersinger