Diesen Monat stellen wir »Erdbeben«-Frauen vor: Frauen, die unerwartete Beben ausgelöst und die Gleichgewichte ihrer Zeit durcheinandergebracht und für diese Unordnung mitunter einen hohen Preis gezahlt haben. Dafür liegen uns Beispiele aus allen Religionen, aus den Heiligen Schriften und dem Koran vor, die davon berichten. Von der Kirche, für die sie mitunter ihr Leben gegeben haben, wurden sie für Rebellinnen gehalten, manche auch für Häretikerinnen.
Es sind Frauen, die die Protagonistinnen ihres Schicksals waren, die die Macht herausgefordert haben und Zusammenstöße mit der (männlichen) Hierarchie hatten, um Probleme anzusprechen, die sich später als prophetisch erweisen sollten. Einige wurden erst nach ihrem Tod rehabilitiert. Vielleicht handelt es sich bei ihnen um eine Art von »kirchlichem Martyrium«.
Diese Geschichten sind nicht einfach eine weitere Front im »Krieg der Geschlechter«. Auch wenn der männliche Chauvinismus im Hinblick auf ihr Schicksal zweifellos eine Rolle gespielt hat, geht es nicht nur darum. Die grundlegende Frage ist, ob die Autorität offen ist für die Anerkennung der Prophetie, besonders wenn sie sich, wie es oft geschieht und wie im Fall dieser Frauen, durch Kanäle präsentiert, die fernab der Machtzentren liegen. Die Prophetie bricht aus den Schablonen aus und schafft Unordnung; sie ist grundsätzlich unbequem. Sie fürchtet sich nicht, Gewohnheiten und Strukturen in Frage zu stellen. Einen Propheten anzuhören ist immer ein Risiko, weil es implizit bedeutet, dass man dazu bereit ist, die eigene Komfortzone zu verlassen und sich auf persönlicher und institutioneller Ebene zu verändern.
Die Prophetie stellt sich nicht etwa dem Gesetz entgegen: sie geht ihm schlicht und einfach voraus. Prophetie und Autorität sind nicht einmal gegensätzliche Pole: ganz im Gegenteil. Aus christlicher Sicht sind beide Gaben des Heiligen Geistes, der alle auffordert, sich auf den Weg zu machen. Die Autorität muss aber lernen, stattzugeben bzw. zu empfangen und zu unterscheiden. Innerhalb der katholischen Kirche muss unterschieden werden zwischen der aus der Offenbarung abgeleiteten Tradition und den aus überholten kulturellen Mustern entstandenen Traditionen. Die Autorität darf sich nicht fürchten, Sitten und Gebräuche oder Sicherheiten aufzugeben. Vielmehr soll sie, wenn sie das von Jesus gebrachte Neue willkommen heißt, die Stimme des Hirten auch in den kleinen und ausgegrenzten Menschen erkennen, die oftmals Träger eines sensus fidei sind, der der Weg des neuen Lebens für die Kirche selbst ist. Andererseits sollen die Propheten die Versuchung der Selbstbezogenheit überwinden. Die Gabe, die sie empfangen haben, ist der Gemeinschaft und dem Dienst am Volk Gottes bestimmt, und das wird zum Führer in den Geburtswehen der Unterscheidung.
Bedürfen wir prophetischer Antworten auf die zahlreichen Fragen unserer Zeit? Die Frage ist, ob wir bereit sind, sie zu erkennen und in den von den Frauen gegebenen Antworten zum Wohle aller einen Horizont und eine Perspektive zu entdecken.
Marta Rodriguez