Vatikanstadt. Papst Franziskus kritisiert die sich verbreitende Auffassung, wonach arme Menschen selbst schuld an ihrer Lage seien und eine wachsende Belastung darstellten. Vielmehr seien es die zu vielen »Formen sozialer und moralischer Unordnung«, die »stets neue Formen von Armut hervorrufen«, betont der Papst in seiner am Montag, 14. Juni, veröffentlichten Botschaft zum 5. Welttag der Armen. »Armut ist nicht das Ergebnis des Schicksals, sie ist die Folge von Egoismus«, wendet sich Franziskus in dem Schreiben gegen einen individualistischen Lebensstil, der »mitschuldig ist an der Entstehung von Armut und den Armen oft die gesamte Verantwortung für ihre Situation zuschiebt«.
Durch die Corona-Pandemie seien sehr viel mehr Menschen in Armut geraten, erinnert der Papst in der Botschaft zu dem von ihm ins Leben gerufenen weltkirchlichen Aktionstag, der in diesem Jahr am 14. November begangen wird. Die Krise »klopft weiterhin an die Türen von Millionen von Menschen«. Für eine konkrete Antwort an die Millionen von Armen, denen nicht nur Gleichgültigkeit, sondern auch Zurückweisung und Verdruss entgegenschlage, braucht es laut Franziskus Entwicklungsmodelle, die Fähigkeiten und Teilhabe aller Beteiligten stärken. Arme Menschen dürften nicht nur empfangen, sondern müssten in die Lage versetzt werden, etwas geben und beitragen zu können. Im Grunde müssten besonders die individualistischen und wohlhabenden Gesellschaften des Westens einräumen, dass sie oft unfähig sind im Umgang mit Armen. »Man spricht von ihnen in abstrakter Weise, beschränkt sich auf Statistiken und meint, mit einigen Dokumentarfilmen die Menschen zu rühren«, kritisiert Franziskus. Damit sich wirklich etwas ändern könne, dürften Arme nicht länger als Außenstehende betrachtet werden, für die man hin und wieder spende, mahnt der Papst. Gelegentliche Almosen wirkten kurzfristig und stellten vor allem den Spender zufrieden. Gegenseitiges Teilen dagegen lasse Geschwisterlichkeit entstehen, stärke die Solidarität und sei Voraussetzung für Gerechtigkeit.
Für gläubige Christen seien zudem »die Armen ein Sakrament Christi; sie repräsentieren seine Person und verweisen auf ihn«. Aus dieser Einsicht, so Franziskus, müsse eine Bekehrung werden. Die bestehe vor allem darin, sein Herz zu öffnen. Jesus nachzufolgen bedeute, sein Denken zu ändern, die Herausforderung anzunehmen, zu teilen und sich zu engagieren. »Wenn man sich nicht entscheidet, arm an vergänglichem Reichtum, an weltlicher Macht und Eitelkeit zu werden«, werde man immer nur »eine zersplitterte Existenz leben, voll guter Vorsätze, aber unwirksam für eine Veränderung der Welt«.