Haus an Haus, Fassade an Fassade fügt sich in der Via dei Condotti, unterbrochen nur von wenigen Seitengassen. Das ist Roms vornehmste Einkaufsstraße direkt gegenüber der Spanischen Treppe im historischen Zentrum, mit berühmten Luxus-Boutiquen. Nur zu einem »Palazzo« führen Stufen hoch. Und wer noch mehr in die Höhe schaut, sieht dort eine barocke Skulpturengruppe mit einem Engel, der zwei Sklaven von schweren Ketten befreit. Doch so hoch blicken die meisten Passanten gar nicht, sind sie doch sehr damit beschäftigt, links und rechts die Schaufensterauslagen mit eleganter Mode, exklusiven Schuhen, teuren Juwelen, Uhren und Handtaschen zu bewundern.
In Covid-19-Zeiten ist das Portal meist geschlossen und lässt so kaum erahnen, dass sich dahinter in üppiger Barockpracht eine Kirche mit knapp 100 Plätzen befindet. Es ist die »Chiesa della Santissima Trinità degli Spagnoli«, die zwischen 1741 und 1746 zusammen mit dem Kloster nebenan von spanischen Mitgliedern des Trinitarier-Ordens erbaut wurde. Auch dieses deutet sich vorn an der Via dei Condotti nur durch eine Fassade an. Statuen der beiden heiliggesprochenen Ordensgründer Johannes von Matha und Felix von Valois aus dem 12. Jahrhundert schmücken ebenfalls die konkave Außenfassade. Die Gründungsidee des Dreifaltigkeitsordens in der Zeit der Kreuzzüge war, zu Sklaven gemachte Christen aus der Gefangenschaft der Sarazenen freizukaufen oder auszutauschen. Darauf bezieht sich die Skulpturengruppe des römischen Bildhauers Pietro Pacilli (1720 bis 1772) über dem Eingangsportal.
Kirche und Kloster wurden von dem portugiesischen Architekten Emanuele Rodriguez de Santos erbaut, das Innendekor von dem Spanier José Hermosilla y Sandoval fortgesetzt. Um 1880 gab es einen Eigentümerwechsel. Seitdem gehören sie dem Dominikaner-Orden, der das Kloster in ein Kolleg für fernöstliche Missionen verwandelt hat. »Vor dem Corona-Virus kamen zu den Sonn- und Feiertagsmessen 50 bis 70 Gläubige, viele aus anderen Teilen Roms. So hatte sich eine Familie gebildet, mit 90 Prozent Stammgästen bei den Feierlichkeiten«, berichtet der spanische Pater Jesús-Angel Barreda. Der emeritierte Professor der Missionswissenschaften an der Päpstlichen Urbaniana-Universität, der immer noch wissenschaftlich tätig ist, lebt seit 40 Jahren in Rom und ist seit zehn Jahren Rektor der Dreifaltigkeitskirche in der Via dei Condotti.
Aufgrund der Lockdowns konnten viele treue Besucher aus der Ferne jedoch nicht mehr kommen. Doch langsam füllt sich das Gotteshaus, das vorläufig noch nur morgens und abends zu den Gottesdienstzeiten geöffnet ist, wieder mehr. In diesem exklusiven Geschäftsviertel gibt es nur wenige Privathaushalte, darunter die einiger Fürsten wie jenem des Prinzen Ruspoli und seiner Familie, aber auch Film- und Fernsehgrößen, die ab und zu diese Kirche besuchen. Vier bis fünf Hochzeiten werden pro Jahr im Gotteshaus gefeiert. Taufen, Erstkommunionen, Firmungen und Trauergottesdienste gibt es dort nicht, weil die »Chiesa della Santissima Trinità degli Spagnoli« keine Pfarrkirche ist.
»Padre Angelo«, so nennen ihn die italienischen Gläubigen, denkt besonders wehmütig zurück an jene Jahre, als jeweils am 8. Dezember der Papst zu einem Kurzbesuch kam. Das war anlässlich der Feier an dem mit Blumen geschmückten Marienmonument der Unbefleckten Empfängnis an der Piazza di Spagna. Auf dem Weg dorthin machte jeder Pontifex Halt an der Kirche, begrüßte dort die Dominikaner-Gemeinschaft und auch einige Geschäftsleute der Boutiquen rundherum. »Das war ein sehr bewegender Augenblick«, erzählt der Rektor. Franziskus hat sich in den letzten Jahren meist auf einem anderen Weg zur Mariensäule begeben. Pater Angelo erinnert sich: »Einmal erkundigte sich Johannes Paul II. bei mir, was ich genau an der Universität lehrte. Ich zählte verschiedene Kurse auf und nannte darunter auch das Thema Sekten. Da ging der Heilige Vater schnell weiter zu einem anderen Mitbruder. Am Tag danach sagte ich scherzhaft zu meinen Studenten, ich hätte den Papst wohl ein wenig verschreckt, und sie lachten.«
Im Kloster, gleichzeitig Kolleg, sind jeweils zehn bis fünfzehn Mönche untergebracht. Drei Universitätsprofessoren gehören dazu, ansonsten angehende Priester aus acht Nationen, vor allem aus Asien mit Ländern wie Korea, Taiwan, Myanmar und Japan. Mehrere von ihnen nehmen jeweils an den Sonntagsmessen teil. Es gibt auch einen kleinen Chor.
Das Innere der Kirche hat ein wohltuend homogenes Erscheinungsbild, es ist weitgehend unverändert im Barockstil der ersten Zeit geblieben ohne nachträgliche Änderungen, mit viel Goldverzierung, Engeln und Putten. Der Innenraum hat einen elliptischen Grundriss mit sieben miteinander verbundenen Kapellen, vier rechts und drei links. Die Gemälde, teils nachgedunkelt, sind alle Originale aus dem 18. Jahrhundert. Die Wände sind gleichmäßig vielfarbig im Marmoreffekt dekoriert, die Fußböden und die Steine der Altäre aber aus echtem Marmor. Das Hochaltarbild, das die Heiligste Dreifaltigkeit und die Befreiung eines Sklaven darstellt, stammt von Corrado Giaquinto (1703 bis 1765), einem der bekanntesten italienischen Maler seiner Zeit. Den Auftrag für das Gemälde in der Kirche der Via dei Condotti hatte ihm der spanische König Karl III. erteilt. Auch sein Schüler Antonio González Velázquez (1723 bis 1793) aus Madrid malte für die römische Kirche, darunter die Darstellung von Abraham und den drei Engeln, auch Abraham und Sarah, in der Kuppel. Er ist kein Nachfahre des berühmteren Diego Velázquez, war aber nach seiner Romzeit Hofmaler im spanischen Königsschloss.
An der über und über goldverzierten Gewölbedecke befindet sich ein Fresko des römischen Malers Gregorio Guglielmi (1714 bis 1773), der später auch in Berlin, Dresden Augsburg und Sankt Petersburg arbeitete sowie die Deckenfresken der Großen Galerie in Schloss Schönbrunn in Wien schuf. Die römische Szene zeigt den heiligen Ordensgründer der Trinitarier, Johannes von Matha, in Glorie. Die Seitenkapellen schmücken mehrere Bilder des römischen Malers Andrea Casali (1705 bis 1784), unter anderem mit Szenen aus dem Leben der Ordensgründer der Trinitarier und der Passionsgeschichte Christi sowie mit einer Darstellung der Aufnahme Mariens in den Himmel. Der Spanier Francisco Preciado de la Vega (1712 bis 1789) ist mit einer 1750 gemalten »Unbefleckten Empfängnis« vertreten. Wie Andrea Casali war auch er ein Schüler des Malers Sebastiano Conca und machte außerdem Verwaltungskarriere in der renommierten Nationalen Akademie San Luca.
Die Via dei Condotti hat etliche schöne Paläste aufzuweisen, erbaut und bewohnt in früheren Jahrhunderten von Adeligen und reichen Kaufleuten. An der Hausnummer 68 befindet sich seit dem 16. Jahrhundert das Gebäude des Malteserordens mit einem schönen Brunnen im Hof. Das gediegene Antico Caffé Greco an der Nummer 86, Gründungsjahr 1760, ist das älteste Kaffeehaus Roms. Dort verkehrten schon Goethe und Goldoni, auch Stendhal und Casanova, der Komponist Wagner und Anfang des 19. Jahrhunderts die Nazarener. Seit ein paar Wochen – weil wegen Corona-Restriktionen vorläufig Restaurants und Bars nur im Freien servieren dürfen – hat das Kaffeehaus seine roten Plüschstühle und Tische auch mitten auf der Straße aufgestellt, mit Panoramablick auf die Spanische Treppe.
Ein paar Häuser weiter befand sich bis Anfang des 20. Jahrhunderts das »Hotel d’Allemagne«, wo der deutsche Adel, auch Archäologen und weitere Gelehrte, bei Rombesuchen abstiegen. Es wurde geführt von der Familie Roesler, zu der auch der berühmte Aquarellmaler Ettore Roesler Franz gehörte. Danach baute man das vierstöckige Gebäude um, und jetzt beherbergt es im Erdgeschoss renommierte Boutiquen – genauso wie die meisten anderen Häuser der Via dei Condotti.
Kirche der »Santissima Trinità degli Spagnoli«, Via dei Condotti 42, 00187 Rom; Tel. 06 679 8664.
Christa Langen-Peduto