Ausstellung in den Trajansmärkten – noch bis 30. Mai

Napoleon und der Mythos von Rom

4a-ted_7_x.jpg
07. Mai 2021

Es war einmal ein kleiner Kadett in der königlichen Militärschule von Brienne-le-Château in der Region Grand Est in Frankreich. Fünf Jahre lang studierte er dort, und zwar von 1779 bis 1784. Wie alle Schüler erhielt das Kind eine klassische Ausbildung, studierte die Helden der alten Griechen und Römer. Napoleon Bonaparte, so sein Name, entwickelte zusätzlich eine persönliche Leidenschaft für die Antike. Julius Cäsar war sein Lieblingsheld. Doch er trachtete auch danach, Alexander dem Großen, Hannibal und Augustus nachzueifern. Später wurde Napoleon I. (1769 bis 1821) bekanntlich ein gefeierter und berüchtigter Eroberer Europas, ein machtbewusstes Vorbild wie seine antiken, in der Militärschule studierten Helden, ehe er in militärischen Niederlagen endete und in die Verbannung geschickt wurde.

Darauf muss man sich zurückbesinnen, ehe man in Roms Trajansmärkten die noch bis zum 30. Mai geöffnete Ausstellung »Napoleon und der Mythos von Rom« bewundert. Anlässlich seines 200. Todesjahres widmet die Ewige Stadt dem Franzosen aus Korsika gleich auf zwei Etagen des Museo dei Fori Imperiali diese imposante Schau mit 100 Werken, geschickt eingegliedert in die nicht minder interessante Dauerausstellung bedeutender Funde. Nur fünf Jahre, von 1809 bis 1814, dauerte die französische Herrschaft über Rom. Für den von der Antike begeisterten Napoleon kam Rom in seinem Reich als Kaiserstadt gleich nach Paris. So wurde vieles geplant und gebaut, einige Projekte blieben auf der Strecke, andere wurden erst später vollendet. Das alles illustriert diese Ausstellung, mit Originalen, wie sie nur Rom zu bieten hat, in Zusammenhang gebracht mit herbeigeholten Kunstwerken, aber auch mit Reproduktionen und lehrreichen Wandtafeltexten auf Italienisch und Englisch. Napoleon selbst hat übrigens nie Rom betreten und sein Sohn Napoleon Franz aus zweiter Ehe mit der Habsburgerin Marie-Louise von Österreich auch nicht. Dabei war dieser schon vor seiner Geburt zum »König von Rom« ernannt worden. Die Familie Bonaparte hingegen, Napoleons Schwestern und Brüder, Nichten und Neffen, Kusinen und Cousins, zeitweise auch »Madame Mère«, die Mutter – sie alle machten sich zeitweise in Rom heimisch, auch weit über die französische Herrschaft hinaus. Ihnen sind zwölf Säle des »Museo Napoleonico« an der Tiberbrücke Ponte Umberto I gewidmet.

Doch zurück in den roten Ziegelbau der Trajansmärkte. Gleich im ersten Bereich der Ausstellung mit dem Titel »Napoleons Beziehung zur klassischen Welt« erlebt der Besucher Napoleon so, wie es ihm gefallen hätte. Nämlich als Kaiser unter Kaisern. Wie die echten Cäsaren trägt er einen Lorbeerkranz auf dem stolz erhobenen Haupt. Sein Gesichtsausdruck zeigt Entschlossenheit. »Napoleon, Empéreur« steht darunter. Es handelt sich um eine Bronzebüste von dem frankophilen italienischen Bildhauer Lorenzo Bartolini (1777 bis 1850), und zwar um das Original aus dem Louvre in Paris. Sie ist wesentlich wuchtiger als die Darstellungen seiner antiken »Kollegen« ringsherum. Alexander der Große thront zu Pferde, es ist eine kleine Bronzestatue aus dem 1. Jahrhundert v. Chr.  aus dem Archäologischen Museum von Neapel. Auch der marmorne Augustus aus den Kapitolinischen Museen trägt Lorbeeren. Die Cäsar-Büste, deren Original in den Vatikanischen Museen steht, ist hier nur aus Gips. Gleichfalls nur eine Kopie des Marmororiginals im New Yorker Metropolitan-Museum ist die Büste von Kaiser Konstantin. Köstlich auch eine Darstellung von Henry Lecomte mit Napoleon in Siegerpose, gekleidet in eine römische Toga.

Mit einer Büste aus den Kapitolinischen Museen ist aber auch der deutsche Gelehrte Johann Joachim Winckelmann (1717 bis 1768) als geistiger Begründer des Klassizismus vertreten. »Der einzige Weg für uns, groß und, wenn möglich, unübertroffen zu werden, ist die Nachahmung der Antike«, dieses Winckelmann-Zitat schmückt eine der Ausstellungswände. Das demonstriert gleichzeitig anschaulich, wie schon Jahrzehnte vor Napoleon die Rückbesinnung und Verherrlichung alles Alten begonnen hatte. Auch Brutus wurde von den Franzosen hoch verehrt, Lucius Junius Brutus (circa 500 v. Chr.) ebenso wie Marcus Junius Brutus (85 bis 42 v. Chr.). Der erste gilt der Sage nach als Gründer der antikrömischen Republik, der zweite gehörte zu den Cäsar-Mördern. Die Napoleon-Ausstellung zeigt sie in Büsten aus römischen Museen und in einer Reproduktion aus dem Louvre.

Weiter geht es in der zweiten Sektion mit Napoleons Beziehung zu Italien und Rom. Gleich drei Werke feiern ihn, der sich im Mailänder Dom krönen ließ, als »König von Italien«. Es handelt sich um eine aus Paris entliehene Marmorgruppe des Bildhauers Camillo Pacetti sowie zwei Porträts aus Mailand. Ausführlich wird dann das städtebauliche Programm der Ära Napoleon in Rom illustriert, für das seit 1811 die sogenannte »Verschönerungskommission« zuständig war. »Warum pflanzt ihr in Rom keine Bäume?«, so soll Napoleon den Bildhauer Canova gefragt haben, während dieser ihn in Paris porträtierte. »Wir pflanzen lieber Obelisken«, soll dieser geantwortet haben. Vielleicht nur eine Anekdote, aber Tatsache ist, dass zu Napoleons Städtebau-Programm auch gehörte, zwischen archäologischen Schätzen Grün anzulegen. Jede Menge Zypressen-Abbildungen, zwischen Spiegelwände gesetzt, sind deshalb in der großen Aula des Museums ausgestellt. Gerade die Trajansmärkte, einst blühender Mittelpunkt der wirtschaftlichen Größe des antiken Roms, waren zu jenem Zeitpunkt zu einer übel riechenden Grube verkommen. Die Franzosen beauftragten die Architekten Valadier und Camporese mit der Neuordnung, die Ausgrabungen unumgänglich machte. Dabei wurden immer wieder neue Funde gemacht, die das Bauprogramm verzögerten. Wie etwa die Überreste der Basilica Ulpia, entstanden zwischen 107 und 113 n. Chr. unter Kaiser Trajan. Sie war die größte Basilika und wurde für Gerichts- und Geschäftszwecke genutzt.

Wie die Ausstellung ferner erklärt, mussten ein Kloster und ein Waisenhaus abgerissen werden, um südlich der Trajanssäule einen Platz zu schaffen. Erstmals gemeinsam ausgestellt sind die drei Projekte von Valadier und Camporese  zu der Piazza, von denen nur eines genehmigt wurde. Normalerweise sind sie in der Nationalakademie San Luca zuhause. Verwirklicht wurde dann auch das genehmigte nicht. Letztlich entschied sich die Kommission für ein Projekt des Tessiner Architekten Pietro Bianchi, der keinen Platz mehr entwarf, sondern ein Museum antiker Funde vorsah. Die Arbeiten an der Trajanssäule  wurden erst 1815, ein Jahr nach Ende der französischen Herrschaft, unter Papst Pius VII. abgeschlossen. Das Kirchenoberhaupt war unter Napoleon im Exil in Savona und Fontainebleau. Vorbild für die Vendôme-Siegessäule in Paris, erbaut zwischen 1806 bis 1810, war übrigens die Trajanssäule, die der römische Senat zu Ehren des Kaisers zwischen 112 und 113 n. Chr. errichten ließ, um ihn für die Eroberung Dakiens (heute Rumänien) zu ehren. Was wiederum daran erinnert, wie sehr es Napoleon gefiel, sich im Kreis antiker Kaiser zu sonnen.

Die dritte Sektion der Ausstellung vertieft Tendenzen der Napoleonzeit, antike Symbole in der Kunst wieder aufleben zu lassen. Zum Beispiel der römische Adler, seit der Zeit der Könige das Emblem Roms, später aber auch ab Karl dem Großen Symbol des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Napoleon wählte das stolze Symbol aus, um die Fahnenmasten und Kriegsflaggen der Einheiten der Grande Armée zu zieren. Berühmt ist sein Zornausbruch auf die Soldaten des 4. Regiments, die in der Schlacht von Austerlitz seinen Adler verloren hatten. Selbst in der entscheidenden letzten Schlacht von Waterloo (18. Juni 1815), so belehrt die Rom-Ausstellung, kämpften die französischen Truppen trotz der Niederlage weiter, um ihre Embleme zu verteidigen und zu bewahren. In den Trajansmärkten sind mehrere Adler aus dem Waffenmuseum in Paris ausgestellt, aber auch Erinnerungsmedaillen, kleine Modelle der Trajanssäule und kleine Napoleon-Statuen, Ziergegenstände für Möbelvitrinen, aus dem Museo Napoleonico.

Im ersten Stock des Museo dei Fori imperiali geht es dann weiter mit einem Geschichtssprung zurück in die Zeit von Napoleons Ägypten-Expedition 1798, als er noch längst nicht Kaiser, sondern erst General war. Eine Bronzestatue aus Ajaccio zeigt Bonaparte auf einem Dromedar, eine Grafik vor den Pyramiden. Es folgen in dieser Abteilung fünf von 17 Gipsplatten aus dem Museo Civico in Pavia des dänischen Bildhauers Bertel Thorvaldsen (1777 bis 1844), bekannt auch für das von ihm gestaltete Grabmal für Pius VII. im Petersdom. Die Gipsplatten zeigen den »Triumph Alexanders des Großen in Babylon«, von dem der Bildhauer etliche Versionen für Auftraggeber in verschiedenen Teilen Europas schuf. Ein erstes Fries, eines seiner bedeutendsten klassizistischen Werke, kreierte Thorvaldsen 1812 während seiner Romjahre für den »Saal der Damen« im Quirinalspalast, dem heutigen Staatspräsidentensitz. Dort wurden, in Erwartung von Napoleons Ankunft, damals etliche Räume für ihn neu gestaltet. Das Werk sollte Napoleon, dem Bewunderer antiker Helden, schmeicheln. Und zwar in dem Sinne, dass der Kaiser und König von Italien wie einst Alexander der Große in Babylon einen triumphalen Einzug in Rom halten werde. Dazu kam es bekanntlich nicht – Napoleon traf nie in Rom ein und die französische Herrschaft über den Kirchenstaat endete 1814 nach nur fünf Jahren.


Die Ausstellung »Napoleon und der Mythos von Rom« im Museo dei Fori Imperiali (Museum der Kaiserforen) in den Trajansmärkten, Via Quattro Novembre 94, 00187 Rom, ist bis 30. Mai montags bis freitags von 9.30 bis 19.30 Uhr geöffnet. Ab 27. März, sofern Rom gelbe Corona-Zone bleibt, wird auch am Wochenende geöffnet. Im Innern gelten die üblichen Corona-Einschränkungen wie Maskentragen und Abstandseinhaltung von einem Meter. Unbedingt empfehlenswert ist, sich vorher anzumelden unter Tel. 060608 (täglich von 9.00 bis 19.00 Uhr) oder online über www.mercatiditraiano.it.

Von Christa Langen-Peduto