Eine Schenkung an die Vatikanische Apostolische Bibliothek

Die Handschrift des Bernhardin von Siena

 Il manoscritto  di Bernardino  da Siena  QUO-098
03. Mai 2021

Bernhardin von Siena: der heilige Franziskanerpater, der die Namen-Jesu-Verehrung förderte, durch Mittel- und Norditalien zog, um überall zu predigen: in Siena, Ferrara, Pavia, Mantua, Mailand, Rom, Genua, Padua, Bologna, L’Aquila, Perugia…; und die Menschenmassen, die zusammenströmten, um seine leidenschaftlichen Aufrufe zur Umkehr und Befriedung und Versöhnung anzuhören.

Um Aspekte zu erfassen, denen gegenüber wir derzeit besonders empfänglich sind, wollen wir auch nicht vergessen, dass er zu der Zeit, als die Pestepidemie wütete, welche die Stadt im Jahr 1400 heimsuchte, in noch jugendlichem Alter (er war 1380 zur Welt gekommen) Mitglied der Compagnia dei battuti della Beata Vergine [einer der Allerseligsten Jungfrau gewidmeten Laienbruderschaft, deren Name noch auf die Geißler verweist und die sich den Werken der Barmherzigkeit, v. a. der Krankenpflege, verschrieben hatte] am Hospital Santa Maria della Scala wurde und vier Monate lang mit einigen Gefährten die Kranken pflegte, die sich mit dieser Krankheit angesteckt hatten. 1411, als er erneut in Siena war, erkrankte er selbst an der Pest, überstand sie aber, nachdem er sich der Krankheit mit gelassener Entschlossenheit gestellt hatte.

Seine Biographie erinnert auch an seine Bereitschaft, in seinem Orden verantwortliche Ämter zu übernehmen. Aber es ist angebracht, auf seine Predigttätigkeit zurückzukommen, die er als seine eigentliche Berufung und als seine unabdingbare Pflicht verstand: konkrete und einfache, besonnene und einprägsame Predigten. Wir wollen uns besonders mit jenen Predigten auseinandersetzen, die er in der Fastenzeit des Jahres 1423 in Padua hielt. Von diesen haben sich die »reportationes« erhalten, also die Transkriptionen eines Zuhörers,  in diesem Falle des Notars Daniele de Purziliis – der sie direkt aus dem Mund des Heiligen sozusagen mitstenografierte, wie wir heute sagen würden, und sammelte. Die ins Lateinische übersetzte Sammlung dieser Predigten ist unter dem Namen Quadragesimale Seraphim bekannt, und ihr wurde die Ehre zahlreicher Ausgaben zuteil, angefangen bei jener aus dem 16. Jahrhundert der Opera omnia, die 1591 in Venedig »apus Iuntas« gedruckt wurde.

Die Nachricht, die ich mit großer Freude und Dankbarkeit bekanntgeben möchte, lautet, dass die Stiftung Gaudium Magnum – Maria e João Cortez de Lobão Papst Franziskus am 29. April ein handschriftliches Exemplar dieser Sammlung für die Vatikanische Apostolische Bibliothek geschenkt hat. Der Überreichung der Gabe an den Heiligen Vater wohnten die Eheleute Maria und João Cortez de Lobão mit ihrer vielköpfigen Familie von Kindern und Enkeln sowie Kardinal José Tolentino de Mendonça bei.

Es handelt sich dabei um einen schlichten Papier-Kodex mit über 440 Seiten, der kurz nach 1423 in einer kleinen Rotunda-Schrift mit gelegentlichen Elementen in roter Tinte (Initialen und Spalten) geschrieben wurde. Der Kodex ist eines der seltenen Zeugnisse für diese Sammlung, die, soweit bekannt, in nur drei weiteren Exemplaren überliefert ist, die jeweils in der Biblioteca Medicea Laurenziana in Florenz, in der Biblioteca Ambrosiana in Mailand und in der Stadtbücherei von Assisi aufbewahrt werden. Das neue, bis dato unbekannte Exemplar wird nun Teil des Bestandes der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek, um dort aufbewahrt, konsultiert und erforscht zu werden, und steht nun Seite an Seite mit den Handschriften von der Hand Bernhardins, die die Vatikanbibliothek – gemeinsam mit den Bibliotheken in Siena – zu jenem Aufbewahrungsort machen, der die größte Anzahl seiner Autographen besitzt.

Die Vatikanische Apostolische Bibliothek ist den Wohltätern nicht nur unendlich dankbar für die außergewöhnliche Gabe, die sie erhalten hat, sondern ist sich auch bewusst, dass sie dank des besonderen Feingefühls solcher Menschen bzw. Körperschaften ihren Dienst, allen immer neue Kulturgüter zugänglich zu machen, fortführen kann.

Von Cesare Pasini