Die Brunnen im Garten der Villa Medici und die Niobidengruppe

Meisterwerk der Gartenkunst

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16. April 2021

Im Garten der Villa Medici befanden sich einst zahlreiche Brunnen, die jedoch im Laufe der Jahrhunderte verschwanden. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden dank der Restaurierungsarbeiten des Malers und Direktors der »Académie de France«, Balthazar Klossowski de Rola, genannt Balthus, sowohl die Parkanlage der Villa als auch einige Brunnen wiederhergestellt. Nicht weit von der wunderbaren Fassade entfernt liegt am Vorplatz der Kelchbrunnen und etwas weiter der Obeliskenbrunnen.

Mitten auf dem Vorplatz der gartenseitigen Fassade der Villa Medici erkennt man in einem weiten Becken auf Bodenniveau eine im unteren Teil gerippte Marmorschale auf einer Balustrade, die wohl aus mehreren antiken Fragmenten besteht. Sie ist im unteren Becken von vier grotesken Marmorköpfen umgeben, die Wasser speien. Die vier verschiedenen, ernsten Männergesichter haben Vollbärte. Ihre Haartracht geht in Voluten über. Das Wasser entspringt auch in einem Strahl aus dem Kelch. Wer die grotesken Männerköpfe schuf, ist nicht bekannt, ebenso wenig woher das Becken kommt und wer die Balustrade zusammengebaut hat.

Etwas weiter, von Grasrabatten umgeben, steht ein Obelisk in einem Brunnen. Die Steinnadel ist leider eine Kopie, denn das Original wurde von Peter Leopold von Lothringen (dem späteren Kaiser Leopold II., regierte von 1790-1792, Großherzog der Toskana von 1765-1790), als eines der ersten Stücke 1788 zusammen mit allen beweglichen Kunstschätzen der Villa Medici nach Florenz verbracht. Im 19. Jahrhundert wurde als Ersatz für den antiken ägyptischen Obelisken eine Kopie angefertigt. Die ursprüngliche Stele selbst geht auf die Regierungszeit Ramses II. zurück, stammt aus den Steinbrüchen von Assuan und ist aus Rosengranit. Die Inschriften, die sie dekorieren (natürlich auch die Kopie), erinnern an den Sonnengott Atum (die alt-ägyptische Urgottheit, Schöpfer und Himmelsgott, »Der sich selbst erschaffen hat«) und – wie soeben erwähnt – an Ramses II., auch der Große genannt (* um 1303 v. Chr.; † 27. Juni 1213 v. Chr.). Er war der dritte Pharao aus der 19. Dynastie des Neuen Reichs. Er regierte rund 66 Jahre bis zu seinem Tod im Jahr 1213 v. Chr. Somit kann man ihn als eines der am längsten regierenden Staatsoberhäupter aller Zeiten ansehen und als einen der bedeutendsten Herrscher des Alten Ägypten. Seine Mumie ist im Museum von Kairo aufbewahrt.

Wo der Obelisk in Heliopolis (heute mit Kairo verschmolzen) stand, weiß man nicht mehr. Er kam zusammen mit seinem »Zwillingsbruder« (dem Dogali-Monolithen) wohl unter Domitian (herrschte 81-96 n. Chr.) nach Rom. Der Kaiser restaurierte das nach einem Brand zerstörte Iseum auf dem Marsfeld, wo auf einer »Prozessionsstraße« zahlreiche Steinnadeln einander gegenüber standen und das Heiligtum dieser beliebten ägyptischen Göttin zierten. Da gab es auch den Obelisken, der sich jetzt in einem Brunnen vor dem Pantheon erhebt, denjenigen vor Santa Maria sopra Minerva (Elefantenobelisk), sowie den in der Villa Mattei auf dem Caelius-Hügel.

Im Jahr 1576 übernahm Ferdinando de’ Medici (* 1549; † 1609) die ehemaligen »Horti Luculliani« von der Familie Ricci di Montepulciano und beauftragte Bartolomeo Ammannati mit der Fertigstellung eines bereits im Gang befindlichen Umbaus. Der damaligen Mode gemäß wurden einige »unschöne« Teile der Ruinen der römischen Villa zugeschüttet. »Wertvolle« Stücke, wie Reliefs, antike Stauten und andere Fragmente, wurden in die gartenseitige Fassade der Villa Medici eingelassen und im großen Park malerisch angeordnet.

Ferdinando de’ Medici, auf den das heutige Aussehen der Villa Medici zurückgeht, wurde 1549 in Florenz als Sohn von Cosimo I. geboren. Bereits mit 13 Jahren folgte er nach dem Tod seines Bruders Kardinal Giovanni diesem in seinem Amt nach und wurde zum Purpurträger. Im Jahr 1587 übernahm er nach dem Ableben seines Bruders Francesco I. das Großherzogtum der Toskana. Aus dynastischen Gründen verzichtete er auf den Kardinalshut und heiratete 1589 Christine von Lothringen. Während seines Jahrzehnte währenden Aufenthaltes in Rom bewies er sein großes Talent als geschickter Administrator. Aller Wahrscheinlichkeit nach erwarb er den bei Santa Maria sopra Minerva ausgegrabenen Monolithen und ließ ihn in seiner Villa auf dem Pincio, welche das Panorama der Ewigen Stadt heute noch dominiert, aufstellen. Vielleicht waren vor allem einige ägyptische Symbole, die eine Beziehung zu dem Hause Medici aufwiesen, der Grund für den Ankauf. So beispielsweise die Kugel auf der Spitze – ein möglicher Hinweis auf das Kugelwappen der Medici. Auch die Herkunft des Granitpfeilers vom Marsfeld, das dem etruskischen König Tarquinius Priscus (5. König von Rom) heilig war. Ferdinando de’ Medici ließ – ebenso wie später sein Nachfolger Peter Leopold von Habsburg-Lothringen, der sein Werk vollendete – zahlreiche Kunstwerke nach Florenz bringen.

Hat man noch etwas Zeit, sollte man die sicherlich sehenswerte Niobidengruppe im Garten der Villa, die vielleicht um einen Brunnen arrangiert war, besichtigen. Sie befindet sich im äußersten Norden des Parks bei der Mauer. Etwa in der Mitte erkennt man Niobe, die eine ihrer Töchter mit einem Mantel zu beschützen versucht. Die übrigen Statuen, ihre Kinder, sind in einiger Entfernung rund um sie gruppiert.

Die Sage um Niobe schildert sie als Tochter des Tantalos und der Dione (oder Eurasia). Ebenso wie ihre Brüder Pelops und Broteas war sie mit dem »Tantalosfluch« belegt. Tantalos war in der griechischen Mythologie der Stammvater und Namensgeber des Geschlechts der Tantaliden und frevelte gegen die Götter, womit er sich die Verdammung über sich selbst und seine Nachkommen zuzog. Mit ihrem Gemahl, dem thebanischen König Amphion, bekam sie sieben Töchter und sieben Söhne. Stolz auf ihre vielen Kinder, brüstete sie sich der Titanin Leto gegenüber, der Mutter von Apollo (Gott des Lichtes, des Gesangs und der Kunst im Allgemeinen) und Artemis (Göttin der Jagd, des Waldes, der Geburt und des Mondes sowie Hüterin der Frauen und Kinder), dass sie viel mehr Kinder auf die Welt gebracht habe. Ja, sie hinderte sogar die Bevölkerung an ihrer Verehrung.

Diese »Hybris« durfte nicht ungerächt bleiben. Leto wandte sich deshalb an ihre Kinder, die an einem Tage erst alle Söhne und dann alle Töchter der Niobe mit Pfeilen niederstreckten. Angesichts dieser Tragödie zutiefst gebrochen, flehte sie Artemis und Apollo an, wenigstens ihre jüngste Tochter zu verschonen. Doch auch diese entkam ihrem Schicksal nicht. Niobe und Amphion ging das zutiefst zu Herzen. Amphion nahm sich das Leben und Niobe erstarrte vor Schmerz über diesen unerträglichen Verlust zu Stein. Ein starker Sturm trug sie zum Berg Sipylos (Spil Dagi), einem Gebirgsmassiv nördlich des heutigen Izmir (Türkei), an dessen Fuß eine schon im Altertum beschriebene Felsformation liegt, die eindeutig die Gestalt einer sitzenden Frauenfigur aufweist. Dieser große Stein soll der griechischen Mythologie nach die versteinerte Niobe sein, wobei auch dieser nicht aufhört, Tränen zu vergießen.

Die Niobidensage wird von Ovid in seinen »Metamorphosen« (6, 146-312) überliefert. Während die Namen der sieben Söhne (Ismenus, Sipylus, Phaedimus, Tantalus, Alphenor, Damasichthon und Ilioneus) da aufscheinen, fehlen jene der Töchter.

Im Jahr 1583 wurden im Laufe von Ausgrabungen (bei der Porta San Giovanni) die Marmorfiguren der Niobidengruppe entdeckt. Neben Niobe und ihren Kindern war auch ein Pferd (als Todesbote) dabei. Ferdinando de’ Medici beschloss sofort, sie zu erwerben und im Garten vor seinem Arbeitszimmer aufzustellen. Als Kaiser Leopold II. (* 1747 in Wien; † 1792 ebenda, in Italien als »Pietro Leopoldo d’Asburgo-Lorena« bekannt) im Jahr 1765 Großherzog der Toskana wurde – und somit auch Besitzer der Villa Medici –, entschied er 1790, alle wertvollen Statuen und Reliefs nach Florenz bringen zu lassen. Sie wurden in einem eigens dafür eingerichteten Saal in den Uffizien aufbewahrt, wo man sie heute immer noch bewundern kann. Auch in den Vatikanischen Museen gibt es Niobidenstatuen.

Die Niobidengruppe war wohl das Werk eines hellenistischen Bildhauers. Plinius der Ältere (Naturalis Historia, XXXVI, 28) bestaunte die Marmorgestalten noch im Tempel des Apollo Sosianus (beim Marcellus-Theater, es sind da noch drei Säulen erhalten). Damals wusste man nicht mehr, wer die Urheber gewesen waren.

Die Figuren, die nun in der Villa fehlten, ließ der Maler Balthus (Balthasar Klossowski de Rola, genannt »Balthus«,* 1908 in Paris; † 2001 in Rossinière, Schweiz), der von 1961 bis 1977 Direktor der Französischen Akademie in Rom und daher der Villa war, im Zuge einer von ihm initiierten Generalrestaurierung wiederherstellen und im Park platzieren.

Den Mittelpunkt der Gruppe bildet Niobe mit ihrer jüngsten Tochter, die ihr Haupt im Schoß der Mutter birgt und als letzte stirbt. Die anderen Kinder stieben nach allen Seiten auseinander, teils schon getroffen, teils sich angstvoll umwendend, um den schwirrenden Pfeilen, den Todesgeschossen, zu entgehen. Das Pferd als Todesbote steht unweit der Niobe.

Die Datierung der in den Uffizien aufbewahrten Figuren ist noch Diskussionsthema der Wissenschaft. Sie sollen entweder aus dem 4. vorchristlichen Jahrhundert stammen oder aus hellenistischer Zeit (2./1. Jh. v. Chr.). Wahrscheinlich zierte die Figurengruppe einst den Tympanon des Tempels des Apollo Daphnephoros in Eretria (Stadt an der Westküste Griechenlands). Der römische General Gaius Sosius ließ sie nach Rom transportieren und auf dem von ihm gestifteten Tempel des Apollo Sosianus (beim Marcellus-Theater) anbringen. Dort bewunderte sie noch Plinius der Ältere.

Die Niobidenfiguren in den Vatikanischen Museen, ebenso wie die im römischen Nationalmuseum (Palazzo Massimo) und jene im Niobe-Saal in den Uffizien beziehungsweise im Louvre in Paris, erinnern nicht nur an den Niobe-Mythos, sondern zeugen auch von der Eleganz und ausdruckstarken Schönheit antiker Statuen.

Von Silvia Montanari