Zum einem neuen Buch über den Tiroler Maler Joseph Anton Koch (1768–1839)

Eine Familie mit beachtlichem Stammbaum

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23. April 2021

Ein Blick zurück in andere Zeiten, ohne Pandemie und Zukunftssorgen, das tut derzeit gut. Zwar waren auch jene nicht immer schön, mal von Kriegswirren, mal von Schicksalsschlägen gezeichnet. Doch es gab immer warmen Familienzusammenhalt, über Generationen und drei Kontinente hinweg, über Reisen vom Rhein an den Tiber, oder auch vom Tiber zurück an den Rhein und ins Ruhrgebiet.

»Joseph Anton Koch und seine große Familie« heißt das vor Kurzem im römischen Verlag »L’Erma« di Bretschneider erschienene Buch mit Elmar Bordfeld als Herausgeber (von 1971 bis 1987 Chefredakteur der deutschsprachigen Ausgabe des Osservatore Romano). Bordfeld, obwohl in Deutschland aufgewachsen, gehört selbst zu dieser Familie mit dem berühmten Maler, Kupferstecher und Zeichner Joseph Anton Koch (1768 bis 1839) aus Tirol als Stammvater. Ab 1795 wirkte dieser, führend unter den deutschsprachigen Nazarenern, in Rom. Er heiratete Cassandra Ranaldi aus Olevano Romano, dem viel gemalten idyllischen Ort 30 Kilometer südöstlich der Ewigen Stadt, und gründete mit ihr diese so weit verzweigte Familie, die sich nie ganz aus den Augen verlor. Ihre über 225 Jahre lange Geschichte ist verknüpft mit Rom, den Päpsten und dem Kirchenstaat, auch mit dem Bauboom als neuer Hauptstadt des Königreichs Italien ab 1871 und schließlich seiner weiteren Entwicklung. Deshalb ist dieses interessant zusammengestellte Werk, zweisprachig auf Deutsch und Italienisch erschienen, nicht nur ein »Familienbuch« für Koch-Nachfahren. Es ist zugleich ein Stück Geschichte der sogenannten deutschen Kolonie in Rom, mal aus einem anderem Blickwinkel gesehen und erzählt.

Viele Familienmitglieder haben längst italienische Namen, oder italienische Vornamen und deutsche Nachnamen. Töchter heirateten und hießen dann nicht mehr Koch. Söhne und Schwiegersöhne waren Maler wie der Stammvater. Architekt Gaetano Koch, ein Enkel, ist berühmt für seine  Bauten im neuen Renaissancestil, etwa an der heutigen Piazza della Repubblica in Rom oder auch für das 1892 fertiggestellte Gebäude der Banca d’Italia, immer noch »Palazzo Koch« genannt. Luciano Koch, Nachkomme des Malersohns Augusto, wirkte als Botschafter. Eingeheiratete Angehörige waren Uhrmacher und Juweliere, die mit dem Namen Hausmann&Co. bis heute zur ersten Adresse in Rom gehören und auch viele Tisch- und Pendeluhren in der Vatikanstadt aufgestellt haben.

Wieder andere waren Buchbinder und Buchhändler, Soldaten und Offiziere. Viele Familienmitglieder haben, egal ob in Rom, in Bonn oder in New York zuhause, einen wunderschönen Stammbaum im Wohnzimmer hängen. Mittlerweile gibt es drei, davon zwei wirklich als Baum gestaltet mit vielen Ästen, auf denen jeweils die Namen von Koch-Nachkommen genannt sind. Den ersten entwarf 1923 der Buchbinder Costantino Glingler, Ehemann der Koch-Nachfahrin Erna Hausmann. Der letzte Stammbaum von 2019 wurde von der Nachfahrin Giulia Fabbricotti über die Online-Genealogie-Plattform My Heritage als Diagramm realisiert. Es lässt sich als PDF mittels eines im Buch angegebenen Links vergrößern. Und diese zeigt, dass mittlerweile über 900 Personen zur großen Koch-Familie gehören.

Nicht nur die Stammbäume einen jedoch die Nachkommen. Auf dem Deutschen Friedhof Campo Santo Teutonico in der Vatikanstadt liegt nicht nur der Stammvater begraben. Etliche Zweige seiner Familie haben dort ihre Grüfte. Und sie waren oder sind führende Mitglieder der Erzbruderschaft zur Schmerzhaften Mutter Gottes der Deutschen und Flamen, die den Friedhof betreut. Der katholische Glaube habe diese Familie »in allen Wechselfällen geistig getragen und sozial verortet«, stellt Msgr. Prof. Dr. Stefan Heid als Vorstandmitglied der Erzbruderschaft in dem Buch heraus.

Die Vielzahl an Autorinnen und Autoren ist es, die das Buch auf 184 Seiten, illustriert mit zahlreichen Fotos, zur abwechslungsreichen Lektüre machen. Ausführlich wird natürlich Leben und Wirken des Stammvaters gewürdigt, unter anderem aus der Feder der Kunsthistorikerin Claudia Nordhoff. Die meisten Verfasser gehören aber zur großen Nachkommenschaft, zeichnen eindrucksvoll und teils originell die Geschichte ihres Familienzweiges nach. Marco Lodoli, bekannter Schriftsteller und Familienmitglied des Zweigs Augusto Koch, stellt tiefsinnige Betrachtungen über den Stammbaum an. Aber auch über die Koch-Fresken zur Göttlichen Komödie von Dante im Casino Massimo am Lateran: »Ich schaue und denke stolz: Tüchtiger Großvater, weil nämlich dieser deutsch-römische Koch die Wurzel meiner ganzen Familie war…« Herausgeber Elmar Bordfeld und seine Frau Vera beschäftigen sich ferner mit dem aus Oberbayern stammenden, ebenfalls berühmten Maler Johann Michael Wittmer (1802 bis 1880), der sich als Schwiegersohn von Joseph Anton Koch auch um dessen künstlerischen Nachlass kümmerte. Professor Giorgio Koch, Ururenkel des Malers, schildert das beeindruckende Lebenswerk seines Vaters Renato im italienischen Luftfahrt- und Übertragungssektor im 20. Jahrhundert.

Einzigartig sind Episoden, die in Beziehung zum Vatikan stehen. So brachten Archivrecherchen zutage, dass Papst Pius IX. die Hälfte der Mitgift zusteuerte für die Wittmer-Tochter Matilde (Koch-Enkelin), damit diese 1865 den Leutnant Max Hefner von dem päpstlichen Elitetrupp der Zuaven heiraten konnte. Eine Mitgift von 3000 Scudi für die Braut eines Offiziers war Pflicht, die Familie Wittmer konnte aber nur die Hälfte aufbringen. Interessant auch, was der Hausmann-Zweig als Uhrenlieferant für das Königshaus Savoyen und die Päpste erzählt. 600 Lire Monatslohn für das Aufziehen und Warten der Uhren im Vatikan, so war 1920 von einem Bediensteten von Papst Benedikt XV. festgelegt worden. Der spätere Papst Paul VI. war als junger Prälat mit der Hausmann-Familie befreundet.

Und wie hätte es anders sein können – auch der Gründer des Verlags »L’Erma« di Bretschneider (1896), in dem dieses Buch erschienen ist, gehört zur großen Koch-Familie. Dessen Enkel Roberto Marcucci, der zusammen mit seiner Frau den Verlag heute führt, erzählt im Buch, wie sein Großvater, aus Sachsen kommend, schließlich in Rom Fuß fasste. Wegen seiner Verdienste um die Vermittlung wissenschaftlicher Literatur in deutscher und italienischer Sprache wurde er zum »Hofbuchhändler des Königlichen Hauses« von Savoyen ernannt. 1904 heiratete Max Bretschneider Maria Hefner, eine Enkelin des Malers Joseph Anton Koch. Das Paar hatte sechs Kinder.

Von Christa Langen-Peduto


Joseph Anton Koch e la sua grande famiglia – Joseph Anton Koch und seine große Familie, Hrsg. Elmar Bordfeld, 2021, »L’Erma« di Bretschneider, 186 S, ISBN 9788891319951, €125,00 Euro.