Der Palazzo Barberini und seine Gemäldesammlung – erweitert um Südflügel mit zehn Sälen

Edle Kunst in majestätischem Ambiente

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13. November 2020

Von der Piazza Barberini in Roms historischem Zentrum führt die verkehrsreiche Straße Via delle Quattro Fontane steil hoch. Auf halber Höhe liegt der barocke Palazzo Barberini, der bedeutendste und schönste der Fürstenfamilie, die seinerzeit so viele Künstler förderte. Ein Kiesweg zwischen Palmen und allerlei Büschen führt zum Vorplatz mit seinem verspielten Brunnen aus dem 19. Jahrhundert. Dahinter erhebt sich majestätisch der Palast, erbaut von 1627 bis 1638 von den beiden Neffen Taddeo und Francesco des in Florenz geborenen Barberini-Papstes Urban VIII. (1623 bis 1644). Carlo Maderno, Gian Lorenzo Bernini und Francesco Borromini waren an der Bauleitung beteiligt. Heutzutage ist der Palast Hauptsitz der Nationalgalerie für antike Kunst und eines der wichtigsten Museen Roms.

Zahlreiche Werke der bedeutendsten Bildschulen aus der Zeit vom 13. Jahrhundert bis zum Neoklassizismus sind chronologisch zusammengestellt, darunter berühmte Gemälde von Raffael, Caravaggio und El Greco. Der Südflügel wurde erst in den letzten Jahren elegant renoviert. Etliche seiner Räume, aber auch andere Teile des Palastes in Staatsbesitz, hatte über 70 Jahre lang der Offiziersklub des italienischen Verteidigungsministeriums genutzt.

Jetzt erfreut auf der Beletage (italienisch piano nobile) nur noch edle Kunst im Nord- wie auch im Südflügel des Palastes. In der Mitte dazwischen liegt der große Saal mit seinem wunderschönen Deckenfresko mit dem »Triumph der göttlichen Vorsehung« von Pietro da Cortona, der zu den Favoriten unter den Künstlern zählte, die die Barberini förderten. Im Nordflügel der Beletage wohnte einst die Fürstenfamilie. Im Südflügel befand sich die Kardinalswohnung der Mitglieder des adeligen Hauses, genannt »Appartement Seiner Eminenz«. Bei festlichen Ereignissen traf man sich in der Mitte im großen Saal. Die einen stiegen die quadratische Schachttreppe nach einem Entwurf von Gian Lorenzo Bernini zu ihren Gemächern hoch, die anderen die spiralförmige Treppe von Francesco Borromini auf der gegenüberliegenden Seite. Beide Barocktreppen gehören zu den berühmtesten der Welt.

Auch die heutigen Museumsbesucher laufen diese Stufen hoch. Und wenn sie alle Kunstschönheiten auf der Beletage im Palazzo genießen wollen, werden sie die eine Treppe hinauf- und die andere hinabgehen. Fast ein Tagesprogramm, infolge der Corona-Einschränkungen zudem noch ein besonderer Genuss ohne Massenandrang. In manchem Saal ist man selbst sonntags nur zu zweit, den Museumswächter eingeschlossen. Zunächst geht es durch  die neun Säle im Untergeschoss, mit bemalten Kreuzen und Ikonen aus dem 13. Jahrhundert, Spätgotik- und Frührenaissance-Werken bis ins 15. Jahrhundert. Dort finden auch Sonderausstellungen statt. »Orazio Borgianni und Caravaggio« hieß die letzte, die nach dem Lockdown im Frühjahr 2020 bis zum 1. November verlängert worden war. Es war die erste für diesen römischen Maler (1574 bis 1616) ausgerichtete monografische Ausstellung. Er hatte sich zunächst an Caravaggio inspiriert, war aber darüber hinausgegangen und hatte letztlich Generationen von Künstlern beeinflusst. 18 Bilder repräsentierten im Barberini-Palast seine Hauptschaffenszeit zwischen 1605 und 1616, die den Werken von Malern wie Giovanni Lanfranco, Simone Vouet und Guido Cagnacci gegenübergestellt wurden, die sich an ihm orientiert hatten.

Wir gehen hinauf in die Beletage, zunächst in den im Dezember 2019 wiedereröffneten Nordflügel. Er wurde neu geordnet und in Beleuchtung, Ausrichtung und auch didaktischer Illustration dem Stil des hinzugekommenen Südflügels angepasst. Alles wirkt großzügig, hell und freundlich, teils mit schön verzierten Gewölbedecken ausgestattet.

80 Werke lassen sich in zehn Sälen auf 550 Quadratmetern Fläche bewundern, etliche wurden erst kürzlich restauriert. Dazu gehören venezianische Maler vom Ende des 16. Jahrhunderts wie Tintoretto, Palma der Jüngere und auch ein interessantes mythologisches Gemälde von Tizian-Schülern, ebenso wie zwei Werke von El Greco. In zwei neuen Sälen sind Annibale Carracci und Landschaftsmalereien von Paul Bril ausgestellt. Nachfolgend Säle mit originalen Caravaggio-Werken: Judith und Holofernes, der heilige Franziskus, Narziss und Johannes der Täufer. Die beiden letztgenannten sind erst im September von einer Ausstellung im Rijksmuseum in Amsterdam zurückgekehrt. Aber in jenen drei Sälen ist auch der »Caravaggismo« präsent, nämlich Bilder jener Künstler in Europa, die durch ihn beeinflusst waren, wie etwa Lionello Spada, Matthias Stomer, Hendrick ter Brugghen und Simon Vouet. Im letzten Saal des Nordflügels schließlich bolognesische Malerei mit Werken von Domenichino, Guercino, Lanfranco und Guido Reni.

Nach dem Thronsaal beginnt mit Saal 34 der seit April 2019 neu hinzugekommene, wunderschön restaurierte Südflügel. Über 80 Werke sind auf 750 Quadratmetern ausgestellt. Zunächst Malerei des 17. Jahrhunderts mit Werken von Cagnacci, Furini und Lanfranco, gefolgt von neapolitanischer Malerei. In Saal 36 mythische Bilder von Mattia Preti und die »Allegorie der fünf Sinne« von Gregorio Preti. Weiter geht es mit Carlo Marattas Apostel-Darstellungen. Unweit davon steht eine schöne Marmorbüste von Papst Clemens X., kreiert von dem Barockgenie Gian Lorenzo Bernini. In Saal 38 geht es weiter mit dem 18. Jahrhundert. Es sind vor allem Werke von Pompeo Batoni (geboren 1708 in Lucca, gestorben 1787 in Rom), der damals in Italien der bedeutendste Porträtist des Adels und von Familien von Päpsten war. In Saal 39 sind etliche berühmte Canaletto-Werke ausgestellt, die noch heute viel kopiert werden und als Poster an den Kiosks in Venedig hängen. Hier sind es Originale seiner Veduten vom Markusplatz, dem Canal Grande und der Rialtobrücke.

Im Saal 40 dann mehrere Rom-Veduten des Holländers und berühmten Hofmalers Gaspar van Wittel (geb. 1653 in Amersfoort, gest. 1736 in Rom), in Italien auch Vanvitelli genannt. Schön seine Ansicht des Quirinals-Platzes, aber auch seine 1683 entstandene Veduten der Villa Medici und von Trinità dei Monti oberhalb der Spanischen Treppe sind historisch interessant. Jene gab es zu van Wittels Zeit noch gar nicht, statt der berühmten Stufen befand sich dort eine Grünlandschaft. Vedutenmaler Bernardo Bellotti (geb. 1721 in Venedig, gest. 1780 in Warschau) hingegen machte auch Karriere im Ausland, wie einige seiner Gemälde im Palazzo Barberini demonstrieren. Es sind der »Schlosshof«, eine Vedute vom Hof des Wiener Schlosses, gemalt zwischen 1760 und 1763, sowie eine Ansicht vom Marktplatz von Dresden auf Ölleinwand im Jahr 1747.

Längst sind wir bei der Blütezeit der »Grand Tour« angelangt, jener Bildungsreisen aus England, Nord- und Mitteleuropa, die zunächst Adelige und dann immer mehr auch wohlhabende Bürger vor allem in Richtung Italien auf den Weg brachten. Auch Goethe und sein Schriftstellerfreund Karl Philipp Moritz gehörten zu jenen, die die Kunst, Kultur und Geschichte auf dem Stiefel studierten und bewunderten. Sie waren befreundet mit in Rom malenden Zeitgenossen aus dem deutschsprachigen Raum. Jacob Philipp Hackert (1737 bis 1807) gehörte dazu. In Saal 41 fasziniert sein vor Ort gemaltes naturgetreues Bild »Der Wasserfall von Tivoli« (1769). Die Schweizerin Angelika Kauffmann (1741 bis 1807), Malerin des Klassizismus, aber auch Gastgeberin für Künstler und Adelige in ihrem Haus bei Trinità dei Monti, eigentlich berühmt für ihre Selbstbildnisse, ist hier mit der romantischen Darstellung einer Muse vertreten, 1801 auf Ölleinwand gemalt.

Im letzten Saal sind schließlich rund 20 Bilder vom 17. bis Anfang des 19. Jahrhunderts ausgestellt, die die römischen Anwälte und Kunstsammler Fiammetta und Fabrizio Lemme dem Palazzo Barberini 1998 gespendet haben. Es sind Werke von mittel- und norditalienischen Malern mit römischem Wirkungskreis wie Domenico Corvi (1721 bis 1803), Pier Leone Ghezzi (1674 bis 1755), Stefano Pozzi (1699 bis 1768), Giovanni Domenico Piastrini (1680 bis 1740) und Francesco Trevisani (1656 bis 1746) mit vorwiegend religiösen Motiven. Auch Skizzen und Entwürfe für die Ausstattung von Kapellen und Kirchen sind darunter. Jetzt haben sie endlich ihren festen Platz.

Von Christa Langen-Peduto

Der Palazzo Barberini, Via delle Quattro Fontane 13, 00184 Rom, ist normalerweise vier Tage pro Woche geöffnet: Von Donnerstag bis Sonntag jeweils von 10 bis 18 Uhr. Eintrittspreis 10 Euro. Nähere Auskünfte (auch zu temporären, coronabedingten Schließungen) finden sich im Internet unter https://www.barberinicorsini.org/.