· Vatikanstadt ·

Ein Rundgang durch die Päpstlichen Villen von Castel Gandolfo

Ein Stück Vatikan vor den Toren Roms

5-TED_23_x.jpg
23. Oktober 2020

Auf der »Piazza della Libertà«, dem Platz der Freiheit im idyllischen Ort Castel Gandolfo in den Albaner Bergen, ist wieder viel Betrieb. Zumindest bei schönem Wetter am Wochenende sitzen Ausflügler in Kaffeebars ringsum, und auch die Restaurants sind gut gefüllt. Die Anliegerstraßen sind voll mit geparkten Autos. Trotz Covid-19-Einschränkungen, und auch trotz der Abwesenheit des Papstes, zieht Castel Gandolfo wieder Besucher an, die gern Stunden verweilen im einstigen päpstlichen Sommersitz und vor allem in den pittoresken, sorgsam gepflegten Gärten.

Voranmeldung über die Webseite der Vatikanischen Museen, Fiebermessen am Eingang, dann ist man drinnen. Audioguide am Ohr, so geht es durch den Apostolischen Palast, in dem insgesamt 15 Päpste – mit Unterbrechungen – ab dem 17. Jahrhundert dem heißen Rom entflohen und den Sommer verbrachten. Erst Papst Franziskus brach mit dieser Tradition, er bleibt auch im August im Gästehaus Santa Marta im Vatikan. Seit dem 21. Oktober 2016 ist der »Palazzo« also eine Art Museum. »Wir sind nun also auch zu einem Tourismuspool geworden«, sagt Alessandro, Angestellter der Vatikanischen Museen in Castel Gandolfo, und wirkt zufrieden.

Er fährt uns zunächst durch die weitläufigen Gärten. Man kann sie zu Fuß in rund zwei Stunden durchwandern, aber im »Open Bus« – er verkehrt coronabedingt nur mit halber Besetzung – bekommt man schneller mehr zu sehen. 55 Hektar sind es insgesamt, doch davon gehen 25 Hektar für den Bauernhof ab. Wir fahren kreuz und quer, und schon sehr schnell wird bewusst, dass hier nicht nur schöne und dekorativ gestutzte Pflanzen zu bewundern sind. Die Gärten sind eine harmonische Einheit aus Überresten antiker Kunst, barocken Brunnen und Skulpturen, ergänzt um Zypressen, Zierbüsche, Blumenbeete, Magnolienbäume und allerlei Alleen. An einem Platz steht sogar eine Steineiche im geschätzten Alter von 700 Jahren.

Doch beginnen wir mit der Antike. Der römische Kaiser Domitian (81 bis 96 n. Chr.) errichtete sich dort seine Sommervilla. Sie ist der Vorgängerbau des Apostolischen Palastes. Die Ruinen des von Domitian errichteten Amphitheaters liegen jetzt mitten im Grünen. Ebenso ein einst geheimer unterirdischer Gewölbegang für den Kaiser, der während des Zweiten Weltkriegs von Bürgern Castel Gandolfos zum Schutzraum vor deutschen Truppen genutzt wurde. Im Mittelalter gehörte die Domitianvilla unter dem Namen »Massa Caesariana« den Grafen von Tusculum. 1221 wurde sie von den Fürsten Savelli erworben, die eine Burg aus ihr machten. 1596 wurde sie von der Apostolischen Kammer wegen unbeglichener Schulden der Savelli beschlagnahmt und zum Barockpalast umgebaut.

Papst Urban VIII. Barberini (1623-1644) war der erste Pontifex, der 1626 in Castel Gandolfo Ferien machte. Insgesamt zwölf Mal hielt er sich dort auf, wohnte aber in der von seinem Neffen Taddeo erbauten Villa Barberini in der nächsten Nachbarschaft. Diese wurde erst nach Inkrafttreten der Lateranverträge mit Italien im Jahr 1929 in den exterritorialen päpstlichen Sommersitz eingegliedert. Außerdem gibt es die Villa Cybo aus dem 18. Jahrhundert, wo heutzutage das Kongresszentrum der kirchlichen Fokolarbewegung liegt. Und zwischendurch trifft man auch auf die Vatikanische Sternwarte der Jesuiten und schließlich den Bauernhof mit Kühen, Kaninchen und Hühnern.

Alles eingebettet in die Gärten, ohne deren Schönheit und besonderen Reiz zu beeinträchtigen. Da gibt es den Rosenweg, wo in regelmäßigen Abständen jeweils eine Staude mit besonderem Namen steht. Queen Elizabeth heißt eine, andere tragen Papstnamen. Unweit davon, aus Pflanzen modelliert, die Wappen von Franziskus und Benedikt XVI. Es folgen ein Bambuswald, eine Pinienallee, geformt wie eine gotische Kathedrale, Plätze mit plätschernden Brunnen, Skulpturen auch aus den 1930er-Jahren, schließlich der Steineichen-Platz. Der italienische Garten mit seinen rund- und bogenförmig geschnittenen Hecken entzückt mit den Blumenbeeten dazwischen. Natürlich gibt es auch den Gebetsweg, mit einer Marienstatue und einem kleinen Seerosenteich davor. Benedikt XVI. fütterte dort gern die Goldfische, wird erzählt. Die »Fontana dei Tritoni« ziert ähnlich wie ihre Namensvetterin in Rom mit herrlichen Plastiken die Mitte einer langen Mauer, die ihrerseits geschmückt ist mit fingerhutartig geschnittenen kleinen Zypressen in Kübeln. Davor sind gepflegte Rasenflächen mit weiteren Zierpflanzen. Und immer wieder trifft man auch auf herrliche Panoramaterrassen.

Weiter zum schmucken Bauernhof und dem  Agrargelände auf insgesamt 25 Hektar. Hier wird so natürlich und hochqualitativ wie möglich produziert, ohne das EU-Zertifikat »Bio« zu besitzen. Hühner laufen frei herum, Kühe weiden, Obst und Gemüse werden angebaut, auch Oliven geerntet. Viel Milch wird produziert, die auch in einem kleinen Lädchen nebenan und im Supermarkt des Vatikans verkauft wird. Neben dem Bauernhof liegt auch eine kleine Raststätte im Freien mit Imbiss-Möglichkeit für Besucher. Doch jetzt in Corona-Zeiten ist das Angebot stark reduziert. Versteht sich von selbst, dass einiges von dem, was der Bauernhof hergibt, auch bei Papst Franziskus verzehrt wird. Eier, Milch, Mozzarella, Joghurt, Salat, Birnen und Pfirsiche – alles frisch auf den Tisch. Rund 50 Mitarbeiter sind zwischen Gärten, Villen und Bauernhof im Einsatz, erzählt Alessandro.

Kurz fahren wir noch am Hubschrauberlandeplatz vorbei, der zu Zeiten von Benedikt XVI. (2005 bis 2013) und vorher von Johannes Paul II. häufig genutzt wurde. Dort landete der deutsche Pontifex, nachdem er im Februar 2013 überraschend zurückgetreten war und vorläufig in Castel Gandolfo wohnen blieb, bis sein Ruhesitz im Kloster Mater Ecclesiae in der Vatikanstadt für ihn bereitstand. Am Apostolischen Palast steht jetzt schon die nächste Gruppe bereit, die im »Open Bus« die Gärten besichtigen möchte. Sie haben den Rundgang durch die Residenz schon hinter sich, aus deren Fenstern man auf allen Etagen auf den schönen Albaner See tief unten im Tal blickt.

Durch den Innenhof, in dem zu früheren Zeiten in Castel Gandolfo häufig die allwöchentlichen Generalaudienzen stattfanden, gelangen die Besucher ins Palastinnere. Die sogenannte »Ehrentreppe« führt in den ersten Stock. Dort spazieren die Besucher über auf Hochglanz polierte Marmor-Fußböden. Alles ist sehr gediegen und gepflegt. An den Wänden hängt die »Ahnengalerie«, nämlich Porträts in Goldrahmen von Päpsten mehrerer Jahrhunderte, teils Kopien berühmter Künstler. Die Säle sind ähnlich wie jene im Apostolischen Palast im Vatikan angelegt, auch mit Namen wie Konsistoriums- und Thronsaal. Der Saal der Schweizer Gardisten ist geschmückt mit einer Kreuzabnahme im Hochrelief und einer Gottesmutter aus dem 18. Jahrhundert von Domenico Corvi (1721 bis 1803), einem Maler aus Viterbo im Latium. Es folgt der sogenannte »Saal der Reiterknechte«, wo jetzt unter anderem die einstigen Papstsänften und als lebensgroße Figuren die Träger ausgestellt sind. Der 33-Tage-Papst Johannes Paul I. war 1978 der letzte Pontifex, der sich bei Generalaudienzen so tragen ließ, damit ihn alle sehen konnten. Auch die Nobelgarde, zuständig für die Sicherheit des Kirchenoberhauptes, hielt sich früher dort auf. Gemälde von Pier Leone Ghezzi aus dem 18. Jahrhundert sowie kostbare Wandteppiche mit Darstellungen der Heiligen Familie schmücken weitere Säle. Dazwischen immer wieder kleine Warteräume mit zierlichen Sitzmöbeln. In einem Korridor des ersten Stocks ist eine Reihe von Schwarz-Weiß-Fotos ausgestellt, mit Bildern von Menschen, die Hab und Gut verloren hatten und die Pius XII. im Krieg zwischen November 1943 und Juni 1944 in Castel Gandolfo beherbergen ließ. Tausende von Kriegsflüchtlingen und Ausgebombten waren es. Auch Juden gehörten dazu.

Im zweiten Stock weitere Audienzsäle und schließlich die Privaträume des Papstes. Das Arbeitszimmer wurde unter Pius XI. renoviert und unter anderem mit Gemälden des berühmten Renaissancemalers Paolo Veronese (1528 bis 1588) verschönert. Nach dem Speisesaal das Schlafzimmer mit Parkettboden, Perserteppichen und dunklen Holzmöbeln mit Intarsiendekors. Benedikt XVI. war der letzte Pontifex, der in dem Bett mit verschnörkeltem Messing-Gestell und beiger Tagesdecke übernachtet hat. Für die Päpste Pius XII. (1939 bis 1958) und Paul VI. (1963 bis 1978) war es das Sterbezimmer. Daneben die päpstliche Privatkapelle, mit einer Kopie der berühmten Muttergottesikone von Tschenstochau in Polen. Nicht Johannes Paul II., wie naheliegend wäre, sondern sein Vorgänger Pius XI. ließ sie dort aufstellen, ebenso wie Gemälde des polnischen Malers Jan Henryk Rosen (1891 bis 1982). Pius XI. war vor seiner Papstzeit Nuntius in Warschau gewesen. In dieser Kapelle fand 2013 die historische Begegnung zweier gemeinsam betender Päpste statt, nämlich von Franziskus nach seiner Wahl im März 2013 und dem emeritierten Benedikt XVI. Zwei weitere Kapellen gibt es im Apostolischen Palast, die älteste aus der Zeit Urbans VIII. im 17. Jahrhundert.

An die Privaträume der Päpste schließt sich ein 30 Meter langer Billardsaal an, heute auch »Buffet-Salon« genannt. Gedacht war er einst für das Freizeitvergnügen am päpstlichen Hof. Doch zuletzt diente er als Esszimmer. Zwei Fresken aus dem 18. Jahrhundert schmücken die Wände. Mit der Besichtigung der sich anschließenden Wohnung des Vatikanstaatssekretärs mit Möbeln in chinesischem Stil endet der Rundgang durch den Apostolischen Palast.


Castel Gandolfo liegt circa 25 Kilometer von Rom entfernt. Man erreicht den einstigen päpstlichen Sommersitz am besten per Auto oder mit der U-Bahn der Linie A bis Anagnina, von dort mit einem Cotral-Bus bis Castel Gandolfo (30 Minuten Busfahrt). Die Zugfahrt vom Vatikanbahnhof aus, in den letzten Jahren möglich, wird derzeit nicht durchgeführt. Voranmeldung über www.museivaticani.va empfehlenswert. Corona-Auflagen sind zu beachten. Öffnungszeiten: Montags bis freitags von 8.30 Uhr bis 14.30 Uhr, samstags und sonntags von 10 bis 19.30 Uhr. Letzter Eintritt jeweils 30 Minuten bis eine Stunde vor Schließung.

Von Christa Langen-Peduto