Papst Franziskus hat erneut über ein Thema gesprochen, das ihm sehr am Herzen liegt: die Zukunft. Er tat dies am Donnerstag, 18. September, in der Ansprache an die Redaktionsmitglieder der belgischen Zeitschrift Tertio mit den folgenden Worten: »Der christliche Informationsexperte muss daher ein Sprachrohr der Hoffnung sein und Vertrauen in die Zukunft wecken. Denn nur wenn die Zukunft als positive und mögliche Realität angenommen wird, wird auch die Gegenwart lebbar.«
Die Gegenwart, sagt der Papst, wird in ihrer konkreten Möglichkeit in gewisser Weise von der Zukunft hervorgebracht. Sich die Zukunft vorzustellen, eine mögliche »menschliche« Zukunft ist entscheidend, um die Gegenwart leben zu können. Interessant ist der Gebrauch des Verbs »annehmen«: Zukunft und Gegenwart sind zwei Gaben, und der Mensch kann und muss sie zu empfangen wissen. Man könnte noch weitergehen und sagen: Auch die Vergangenheit entsteht aus der Zukunft, sie geht aus ihr hervor. Angesichts der Herausforderung durch die Zukunft, die immer ein Abenteuer ist, etwas Kommendes (»Advent«), prüft jeder Mensch die Gegenwart, und er tut dies auf der Grundlage der Vergangenheit, das heißt er reaktiviert die Erinnerung, um in seinem Erfahrungsschatz eine Anregung, einen Weg zu suchen, um den vor ihm liegenden Augenblick zu durchqueren. Die sich präsentierende Zukunft selbst ist es, die diese Reaktivierung der Erinnerung bewirkt, indem sie Szenen, Situationen, Episoden der Vergangenheit ins Gedächtnis ruft. Daher ist die Zukunft von so großer Bedeutung. Sie sagt uns, dass der Mensch »de-zentriert« ist, seinen Schwerpunkt außerhalb von sich selbst findet, in etwas, das ihm vorausgeht, das vor ihm steht und ihn anzieht.
Das gilt für jeden Menschen und noch mehr für jeden Christ. Er weiß, dass sein »Herz«, der Mittelpunkt seines Lebens, in Gott und unruhig ist, bis es in Gott ruht (wie der heilige Augustinus treffend gesagt hat), das heißt genau das: es ist »de-zentriert«. Dieses Herz ist demnach »jenseits«, es ist in der Zukunft, die einstweilen nur vorstellbar ist. Das ist ein charakteristischer Aspekt des Christen, der im Hören des Wortes Gottes Nahrung für seinen Glauben sucht, wenn er die Bibel liest, ein Buch, das der Menschheit ein großes Geschenk gemacht hat, indem es ihm eben gerade Zukunft geschenkt hat. Denn vor dem Alten und Neuen Testament hatte die Zukunft kein eigenes legitimes Bürgerrecht im Reich der Ideen und im Leben der antiken Menschen. Für die Griechen zum Beispiel gab es keine Zukunft, denn sie entsprach der Wiederkehr des ewig Gleichen, das heißt der zyklischen Wiederholung der Vergangenheit. Das war das unabwendbare Schicksal, das wie ein Rad immer wieder zum gleichen Punkt zurückkehrte und sich nie lösen konnte von dem immergleichen Rhythmus der Natur, weshalb nach dem Winter immer wieder der Frühling kommt und so weiter, auf ewig. Odysseus kehrt nach Hause zurück, nach Ithaka, und begegnet seinem Vater Laertes, das heißt der Vergangenheit. Zu Abraham dagegen sagt der Herr, dass er in ein fremdes Land aufbrechen soll, »das ich dir zeigen werde«. Und Abraham bricht auf, gedrängt von einer »spes contra spem«; »gegen alle Hoffnung hat er voll Hoffnung geglaubt«, wie der heilige Paulus sagen wird.
Für den Christen reaktiviert also die Zukunft nicht nur die Erinnerung, sondern weckt Hoffnung, diese neue und entscheidende Tugend, die die Bibel in den Mittelpunkt des menschlichen Lebens stellt. Zu den Griechen von Thessaloniki spricht der heilige Paulus über das Schicksal der Verstorbenen, »damit ihr nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffung haben« (1 Thess 4,13). Der Christ ist ein hoffnungsvoller Mensch, der sich bemüht, sich die Zukunft vorzustellen, in die er vertraut, weil Christus der Herr der Geschichte ist, denn er hat durch seine Menschwerdung, seinen Tod und seine Auferstehung, die Fesseln der Zeit gesprengt.
So ist der Christ, und um so mehr der »christliche Informationsexperte«, heute aufgerufen, sagt der Papst in diesem Spätsommer 2020, »die Hoffnung in dieser von der Pandemie verursachten Situation aufrecht zu erhalten, die die Welt durchmacht. Ihr streut den Samen dieser Hoffnung auf eine bessere Zukunft aus. Im Kontext dieser Krise ist es wichtig, dass die sozialen Kommunikationsmittel einen Beitrag leisten und bewirken, dass die Menschen nicht an Einsamkeit erkranken und ein Wort des Trostes empfangen können.« Die Herausforderung der Zukunft ist diese schreckliche Krankheit der Einsamkeit, die sich in den westlichen Gesellschaften bereits seit Jahrzehnten ausbreitet. Zum Glück gibt es »Krankenhausstützpunkte«, und das sind die Journalisten, auch sie einberufen in dieses große »Feldlazarett«, das die Kirche ist, Trägerin jener »großen Hoffnung«, von der Benedikt XVI. in Spe salvi gesprochen hat, der Hoffnung, die »nicht zugrunde gehen lässt« (Röm 5), wie wiederum der heilige Paulus sagt.
Andrea Monda