»Fosse Ardeatine«: weitere Fortschritte im Forschungsprojekt ViBiA

Zu einem individuellen Gedächtnis gelangen

Die Homepage des ViBiA-Projektes mit den Porträts der Opfer des Massakers
21. August 2020

Rund um das NS-Massaker vom 24. März 1944 mit 335 Opfern in den Ardeatinischen Höhlen von Rom (Fosse Ardeatine) geht gerade in den letzten Jahren die Forschung weiter. Es gibt ein neues wissenschaftliches Werk zu bisher wenig bekannten Aspekten, aber auch deutsche Finanzhilfe zur Förderung eines italienischen Projektes. Dabei handelt es sich um das »Virtuelle Biografische Archiv« / ViBiA der römischen Universität »Tor Vergata« mit der Digitalisierung von 5200 Originaldokumenten und 350 Sachgegenständen (wir berichteten darüber in unserer Ausgabe 12/2019 vom 22. März 2019). Das Ziel ist, auch noch zur Identifizierung der letzten drei unbekannten Opfer zu gelangen.

Grausames Massaker

Es war »das grausamste in einer europäischen Hauptstadt verübte NS-Massaker«, so wurde kürzlich bei einem Roundtable-Gespräch im Historischen Museum der Befreiung im Ex-Gestapo-Gefängnis in der Via Tasso herausgestellt. Im Mittelpunkt stand die Vorstellung eines 328 Seiten langen Werkes mit dem Titel »Der Körper und der Name« (Il corpo e il nome. Inventario della Commissione tecnica medico-legale per l’identificazione delle vittime delle Fosse Ardeatine (1944 – 1963), Viella). Dabei geht es um die fundierte Arbeit der technisch-gerichtsmedizinischen Kommission in den Jahren 1944 bis 1963. Diese hatte zur Identifizierung der Mehrzahl der Opfer geführt. Verfasserin des Buchs ist Prof. Alessia A. Glielmi, Leiterin des ViBiA-Projektes, der Archive des Italienischen Forschungsrates CNR und des Historischen Museums der Befreiung, wie auch Dozentin der Universität Tor Vergata. Die Professorin kündigte bei der Gelegenheit hocherfreut an, dass die Forschungen mit weiteren Partnern fortgesetzt werden können, darunter mehreren Universitäten und auch der jüdischen Gemeinde von Rom. Glielmi: »Denn das Projekt ViBiA ist Empfänger von Finanzierungen durch die deutsche Regierung geworden, die dem Projekt größte Sensibilität und Aufmerksamkeit widmet. Das gibt uns die Möglichkeit, unsere Ziele weiter zu verfolgen.« Bereits 2019 gab es über Vermittlung der Deutschen Botschaft Rom erste Zuschüsse. Er sei »sehr glücklich« über die Zusammenarbeit, so hatte auch Botschafter Viktor Elbling Anfang Juni in einer Ansprache zum 65. Jahrestag des Historischen Museums der Befreiung betont. Dank des Italienisch-Deutschen Fonds für die Zukunft könnten so weitere Dokumente zur Vervollständigung der ViBiA-Plattform erworben und damit die Voraussetzung geschaffen werden, auch die letzten Opfer identifizieren zu können.

Identifizierung der Opfer

Als Anfang Juni 1944 die Alliierten in Rom einmarschierten, versuchten die Nazis, sie belastendes Material in der Via Tasso zu verbrennen, bevor sie flüchteten. Dem Ex-Polizisten Giuseppe Dosi – später Interpol-Chef – gelang es jedoch, einen Teil der Unterlagen insbesondere zu dem Massaker in den Fosse Ardeatine zu retten. Von seinem Privatarchiv ausgehend gelang der Kommission nach und nach die Identifizierung der teils unkenntlichen Leichen in den Höhlen, die alle per Genickschuss niedergestreckt worden waren. Etliche lebten vielleicht noch, als das Exekutionskommando sein Gemetzel mit der Sprengung der Höhlen abschloss. Die Professorin

würdigt in ihrem Werk die außerordentliche Ermittler- und Identifizierungstätigkeit der Kommission aus Polizisten und Ärzten auch mit Hilfe von Angehörigen der Opfer. Die Namensliste, die man verloren geglaubt hatte, wurde im Übrigen erst 2009 wiedergefunden. Eine einzige Frau arbeitete in der Kommission mit, berichtete Glielmi bei dem Roundtable-Gespräch mit zahlreichen Beiträgen von Historikern und auch Polizeiexperten. Dr. Lutz Klinkhammer, Vizedirektor des Deutschen Historischen Instituts in Rom, betonte bei seiner Würdigung des Werkes, es gehe auch darum, durch Identifizierung der Opfer diese zu ehren und zu einem »individuellen Gedächtnis« zu gelangen. Das stehe in Gegensatz zum Symbol des »Unbekannten Soldaten«, mit dem vor allem der im ersten Weltkrieg gefallenen und anonym in Massengräbern bestatteten Opfer gedacht wird.

Das Roundtable-Gespräch mit der Buchvorstellung war eigentlich zum Jahrestag des NS-Massakers im vergangenen März im Historischen Museum der Befreiung vorgesehen gewesen, musste aber wegen des Corona-Lockdowns verschoben werden. So fand es jetzt im Hochsommer statt, aber wegen der Covid-19-Einschränkungen immer noch ohne Publikum. Doch über 1000 Zuschauer verfolgten es digital über Facebook – auch ein Zeichen dafür, wie sehr die schrecklichen Ereignisse von 1944 auch heute noch die Italiener beschäftigen.

Christa Langen-Peduto