Rom in der Antike

Die Stadt als Ort des Zusammenlebens und der Armenfürsorge

Die Diakonie Santa Maria in Cosmedin: Lebensmittelverteilung an die Bevölkerung hatte hier bereits eine lange Tradition. Die großen Säulen in der Fassadenwand gehörten zur »Statio annonae«, die für die Versorgung der Bevölkerung mit Getreide zuständig war. Das Getreide kam in der Kaiserzeit vor allem aus Nordafrika und Ägypten.
21. August 2020

Kaiser Constantius II. kam 357 nach Rom, um den Triumph über seinen Gegner Magnentius zu feiern. Als er auf die Menschenmenge schaute, die vor die Stadtmauern geströmt war, um ihn freudig zu empfangen, staunte er, dass in der Stadt »alle Völker der Erde in großer Zahl zusammengeflossen« waren, wie der Historiker Ammianus Marcellinus (Amm 15.10.6) berichtet. Vor allem in der Kaiserzeit hatte sich Rom zu einer multiethnischen, multikulturellen und multireligiösen Metropole entwickelt, wobei mindestens 25 Prozent der vielleicht bis zu 800.000 Einwohner Fremde (peregrini) waren: Einwanderer, die aus verschiedensten Motiven nach Rom kamen, vor allem wegen der guten Arbeitsmöglichkeiten. Bekanntlich genossen die meisten von ihnen Rechte, die ihnen Kaiser Caracallas Edikt von 212 zugesprochen hatte, das allen, die innerhalb der Reichsgrenzen lebten, die Staatsbürgerschaft gewährte.

Die lebhafteste Beschreibung der Vielschichtigkeit der römischen Bevölkerung findet sich bereits bei Seneca, ebenfalls ein Fremder, in einem Abschnitt seines Werks Trostschrift an die Mutter Helvia (6,2-3): »So blicke doch einmal auf diese Volksmenge, für welche kaum die Häuser der unermesslichen Stadt hinreichen; der größte Teil dieses Haufens entbehrt des Vaterlandes. Aus ihren Munizipien und Kolonien, ja aus dem ganzen Erdkreis sind sie zusammengeströmt. Die einen führte der Ehrgeiz her, andere die Notwendigkeit einer Tätigkeit für das öffentliche Leben, andere eine übertragene Gesandtschaft, andere Genusssucht, die einen den Lastern günstigen und an ihnen reichen Ort aufsucht, andere die Liebe zur Beschäftigung mit den edlen Wissenschaften, andere die Schauspiele; manche zog auch die Freundschaft her, manche die Betriebsamkeit, die hier ein weites Feld findet, ihr Talent zu zeigen; manche tragen ihre schöne Gestalt zu Markte, manche ihre Beredsamkeit. Jede Klasse von Menschen strömt in der Hauptstadt zusammen, die sowohl den Tugenden als den Lastern große Belohnungen verspricht. Befiehl einmal, diese alle beim Namen aufzurufen und frage, wo ein jeder zu Hause sei: Du wirst sehen, dass der größere Teil von ihnen die Heimat verlassen hat und in diese allerdings sehr große und schöne Stadt gekommen ist.«

Auch die Identität des antiken Rom ist geprägt von der Vielfalt seiner Stimmen. Anpassungs- und Integrationsprozesse standen oft neben Fortdauer und Wahrung der Unterschiede, was in der Religionsausübung (die Stadt hatte sich allmählich mit wichtigen Kulten, vor allem aus dem Osten, gefüllt) ebenso zutage trat wie im Gebrauch anderer Sprachen als des Lateinischen, insbesondere des Griechischen, und in der Beibehaltung von Bräuchen der Herkunftsländer, erkennbar beispielweise bei den Bestattungsriten.

In einigen kritischen Momenten hatte vor allem der Schutz der öffentlichen Ordnung zur Vertreibung einiger Gruppen Fremder geführt: im Jahr 139 v. Chr. der Chaldäer und der Wortführer des Kultes von Zeus Sabazios; auf Anweisung von Agrippa im Jahr 33 v. Chr. (und auch später mehrmals) von Magiern und Astrologen; von Galliern und Germanen nach der Niederlage im Teutoburger Wald im Jahr 9 n. Chr.; im Jahr 19 n. Chr. der Anhänger der jüdischen und der ägyptischen Religion, auch durch Deportationen nach Sardinien; im Jahr 49 n. Chr., unter der Herrschaft von Claudius, der ersten Christen (»die Anhänger eines gewissen Chrestos«) nach dem Zeugnis von Sueton. In einigen Situationen wurden zur Wahrung des »mos maiorum« auch griechische Lehrer und Rhetoren ausgewiesen.

Im Laufe des 4. Jahrhunderts war die Situation schwieriger geworden: Durch die Wirtschaftskrise und häufige Engpässe in der Verteilung von Lebensmitteln an das Volk hatten Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz sich verbreitet. Ammianus Marcellinus (28.4.32) schreibt: »Bei den Schauspielen schreit die Menge mit abscheulicher Einfalt, dass man die Fremden wegjagen solle, auf deren Hilfe die Römer stets vertraut haben und durch die sie gelebt haben.« Verfügungen zur Ausweisung von Fremden waren immer häufiger geworden und brachten die große antike Hauptstadt bereits in einen schlechten Ruf: In Antiochia prahlte der Rhetor Libanius (Oratio 11,174) gegen Ende des 4. Jahrhunderts mit der Gastfreundschaft seiner Stadt, während Rom aus Mangel an Lebensmitteln die Fremden vertreibe und so Zeus Xenios, den Schutzgott der Fremden, entehre.

Im Jahr 384, als Quintus Aurelius Symmachus Stadtpräfekt war, hatte die Furcht vor Schwierigkeiten in der Lebensmittelversorgung erneut ernsthafte Auswirkungen auf den Status der »peregrini«, die mit drastischen Mitteln aus der Stadt entfernt wurden. Symmachus selbst schreibt dazu an den Dichter Naucellius (2,7): »Wir fürchten die Hungersnot, nach der Ausweisung aller, die die Stadt Rom in ihren gastfreundlichen und fruchtbaren Schoß aufgenommen hatte. Auch wenn wir uns dadurch erholen können: Wie viel Hass von Seiten der Provinzen kostet uns diese Sicherheit! Götter des Vaterlands, vergebt uns, dass wir eure Verehrung aufgegeben haben! Nehmt die elende Hungersnot von uns! Möge unsere Stadt möglichst bald jene zurückrufen, die sie mit Bedauern vertrieben hat!«

Von Mailand aus tadelte Bischof Ambrosius diese auf Vertreibung und Ausgrenzung ausgerichtete Entscheidung, die im Gegensatz zum ökumenischen und karitativen Ideal der Kirche stand, und erläuterte nachdrücklich die Gründe dafür in einem Kapitel seines Werkes »Über die Pflichten« (De officiis III, 45-52, Kap. 7). In seine Worte lässt der Bischof von Mailand auch die Ermahnungen zur Gastfreundschaft des Cicero einfließen, der bereits im Jahr 44 v. Chr. geschrieben hatte: »Auch jene handeln schlecht, die den Fremden verbieten, die Vorteile der Stadt zu genießen, und sie verbannen, wie Pannus früher bei unseren Vorfahren und Papius in jüngerer Zeit. Zwar ist es nicht rechtmäßig, den Titel des Staatsbürgers dem zuzuerkennen, der es nicht ist, auf der Grundlage des von den weisen Konsuln Crassus und Scaevola erlassenen Gesetzes; es ist jedoch gänzlich unzivilisiert, den Fremden zu verbieten, die Vorteile der Stadt zu genießen« (De officiis III,11,47).

Ambrosius’ Worte sind von Trauer durchdrungen: Die Stadt Rom habe ihre Rolle als große gemeinsame Mutter verraten und die Schwächeren gerade in dem Augenblick vertrieben, in dem Hilfe nötig gewesen wäre. Sie habe sie von den Früchten der Erde ausgeschlossen, bereits begonnene Lebensbeziehungen abgebrochen und die gemeinsamen Rechte verweigert. Selbst Tiere handelten nicht so bestialisch, sondern seien zu gegenseitiger Hilfe fähig. So habe sich die Stadt der Menschen beraubt, die Teil einen großen Familie seien und zu ihrem Unterhalt hätten beitragen können.

Einige Jahre zuvor, im Jahr 376, war eine andere Vertreibung durch einen »sanctissimus senex« – wahrscheinlich der christliche Stadtpräfekt Aradius Rufinus – verhindert worden, der die Senatoren zu einer Kollekte aufforderte, um Weizen auf dem freien Markt zu kaufen, und der so das Problem der Hungersnot vorübergehend gelöst hatte. Von den beiden Optionen, die für zwei Gesinnungen, zwei entgegengesetzte Ideologien standen, war dies für Ambrosius natürlich die bessere Entscheidung, das Beispiel, dem man unbedingt folgen musste, in voller Übereinstimmung mit der Strategie der Kirche, die von Anfang an die Unterstützung der Armen und Ausgegrenzten in den Mittelpunkt ihres Wirkens gestellt hatte (zum Beispiel: Tertullian, Ad Scapulam, 3,1).

Und vor allem seitens der Kirche erhielt Rom die nachdrücklichste Aufforderung zur Unterstützung der »peregrini« und der Armen, die auch weiterhin sehr zahlreich waren. Oft waren es Flüchtlinge aus Orten, die von den Barbaren besetzt waren, oder aus Glaubensgründen Verfolgte, während der Apparat der öffentlichen Lebensmittelverteilungen seine alte Effizienz verlor. Mitte des 5. Jahrhunderts organisierte Leo der Große den Kalender der Kollekten für die Armen auch in liturgischer Form: Die Tage der traditionellen Verteilungen während der »ludi plebei«, die vom 4. bis 17. November zu Ehren von Jupiter abgehalten wurden, verwandelte er in das Fest der Unterstützung der Armen.

In seinen Predigten, die er bei den Kollekten hielt, forderte der Papst die Gläubigen auf, die geistliche Verantwortung der Nächstenliebe, das Erkennungszeichen der christlichen Gemeinde, miteinander zu teilen. In denselben Jahren entstand ein komplexes Netzwerk karitativer Strukturen: von reichen Wohltätern gegründete »xenodochia« (Unterkünfte zur Aufnahme und Versorgung von Fremden), Armenhäuser bei den wichtigsten Gotteshäusern, Bäder und andere Dienste, bis hin zu den späteren Diakonien, die die Geschichte der Stadt bis ins Mittelalter hinein prägen und tragen sollten.

Lucrezia Spera