In der Messe in Santa Marta lädt der Papst dazu ein, für die unzähligen Opfer der Pandemie zu beten

Für die Menschen, die ohne eine letzte Liebkosung gestorben sind und für die kein Trauergottesdienst gefeiert werden konnte

SS. Francesco - Cappella Santa Marta - Santa Messa - 05-05-2020
05. Mai 2020

Zu Beginn der Frühmesse in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses Santa Marta am Dienstag, 5. Mai, rief Papst Franziskus zum Gebet für die Opfer des Corona-Virus auf:

Lasst uns heute für die Toten beten, die der Pandemie zum Opfer gefallen sind. Sie sind gestorben, ohne eine Liebkosung der Ihren [ihrer Angehörigen] erhalten zu haben, viele hatten nicht einmal eine Beerdigungsfeier. Möge der Herr sie in seine Herrlichkeit aufnehmen.

In seiner Predigt warnte der Papst mit Bezug auf das Tagesevangelium (Joh 10,22-30 vor den Einstellungen, die uns daran hindern, durch die Tür einzutreten, die Jesus ist, und Schafe seiner Herde zu werden. Er sagte:

Jesus war im Tempel, es war kurz vor dem Tempelweihfest (vgl. Joh 10,22-30). Bei der Gelegenheit »umringten ihn die Juden und fragten ihn: Wie lange noch willst du uns hinhalten? Wenn du der Messias bist, sag es uns offen!« (V. 24). Aber diese Leute ließen ihn die Geduld verlieren, und ganz milde, »mit sehr viel Sanftmut, antwortete ihnen Jesus: ›Ich habe es euch gesagt, aber ihr glaubt nicht!‹« (V. 25). Sie fragten aber immer weiter: »Aber bist du es nun? Bist du’s?« - »Ich habe es euch gesagt, ihr aber glaubt nicht!« »Ihr aber glaubt nicht, weil ihr nicht zu meinen Schafen gehört« (V. 26). Und das lässt vielleicht einen Zweifel in uns aufkommen: Ich glaube und gehöre zu den Schafen Jesu. Aber wenn Jesus zu uns sagen würde: »Ihr könnt nicht glauben, weil ihr nicht dazugehört«: Gibt es einen Glauben, der der Begegnung mit Jesus schon vorausgeht? Was ist dieses »Dazugehören« zum Glauben Jesu? Was ist es, das mich vor der Tür, die Jesus ist, stehenbleiben lässt?

Es gibt innere Einstellungen, die wir bereits vor dem Bekenntnis zu Jesus hatten. Auch wir, die wir zur Herde Jesu gehören. Es handelt sich dabei um so etwas wie »vorherige Antipathien«, die uns daran hindern, in unserer Bekanntschaft mit dem Herrn voranzukommen. An allererster Stelle wäre da der Reichtum zu nennen. Das trifft auch auf viele von uns zu, die wir durch die Tür des Herrn eingetreten sind, dann aber stehenbleiben und nicht weitergehen, weil wir im Reichtum gefangen sind. Der Herr ist im Hinblick auf den Reichtum hart gewesen: er war sehr hart, sehr hart. Das ging so weit, dass er sagte, dass es leichter sei, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Reich Gottes eingehe (Mt 19,24). Das ist hart. Die Reichtümer hindern daran, voranzukommen. Aber müssen wir deshalb in den Pauperismus verfallen? Nein. Aber keine Sklaven des Reichtums sein, nicht für den Reichtum leben, denn der Reichtum ist ein Herr, er ist der Herr dieser Welt und wir können nicht zwei Herren dienen (vgl. Lk 16,13). Und der Reichtum hält uns an.

Ein Zweites, das uns daran hindert, in der Bekanntschaft mit Jesus, in unserer Zugehörigkeit zu ihm voranzukommen, ist die Rigidität: die Rigidität des Herzens. Und auch die Rigidität bei der Interpretation des Gesetzes. Jesus tadelt die Pharisäer, die Gesetzeslehrer wegen dieser Rigidität (vgl. Mt 23, 1-36). Das ist keine Treue: die Treue ist immer eine Gabe Gottes; die Rigidität hingegen ist eine Sicherheit für mich selbst. Ich erinnere mich an einmal, als ich ins Pfarrhaus kam und eine Frau – eine gute Frau – sich mir näherte und bat: »Vater, ich würde Sie gerne konsultieren, um einen Rat bitten…« - »Lassen Sie hören« - »Am Samstag vor einer Woche, nicht gestern, sondern am Samstag davor, sind wir mit der Familie bei einer Hochzeit gewesen: mit einer Messe. Es war Samstagnachmittag, und wir haben es so verstanden, gedacht, dass wir mit dieser Messe die sonntägliche Vorschrift erfüllt hätten. Dann habe ich aber, als ich wieder daheim war, gedacht, dass die Lesungen dieser Messe nicht denen vom Sonntag entsprachen. Und so ist mir aufgegangen, dass ich im Stand der Todsünde war, weil ich am Sonntag nicht gegangen bin, weil ich ja am Samstag gegangen bin, aber in eine Messe, die nicht die richtige war, weil die Lesungen nicht die richtigen waren…« Diese Rigidität… Und diese Frau gehörte einer kirchlichen Bewegung an… Rigidität. Das entfernt uns von der Weisheit Jesu, von der Schönheit Jesu; sie raubt dir die Freiheit. Und viele Hirten lassen diese Rigidität in den Seelen der Gläubigen zunehmen, und diese Rigidität hindert uns daran, durch die Tür Jesu einzutreten (vgl. Joh 10,7). Ist es wichtiger, das Gesetz so zu befolgen, wie es geschrieben ist, oder vielmehr so, wie ich es interpretiere, was die Freiheit ist, auf den Spuren Jesu weiterzugehen?

Etwas anderes, das uns daran hindert, in unserer Bekanntschaft mit Jesus voranzukommen, ist die Trägheit. Diese Müdigkeit… Denken wir an diesen Mann am Teich: Er war 38 Jahre lang dort (vgl. Joh 5,1-9). Die Trägheit. Sie beraubt uns der Willenskraft, weiterzugehen und alles wird zu einem »Ja, aber… Nein, nicht jetzt, nein, aber…«, das dich lau werden lässt und dich lauwarm macht. Die Trägheit ist etwas anderes, das dich daran hindert, voranzukommen.

Eine weitere Sache, die sehr hässlich ist, ist die klerikalistische Einstellung. Der Klerikalismus usurpiert den Platz Jesu. Er sagt: »Nein, das muss so, so und so sein…« - »Aber der Meister…« - »Lass mal den Meister beiseite: das ist so, so und so, und wenn du nicht dies, das und jenes tust, dann kannst du nicht eintreten.« Ein Klerikalismus, der den Glauben der Gläubigen seiner Freiheit beraubt. Das ist eine hässliche Krankheit in der Kirche, die klerikalistische Einstellung.

Und dann gibt es noch etwas, das uns daran hindert, voranzugehen, einzutreten, um Jesus kennenzulernen und Jesus zu bekennen, und zwar den Geist der Weltlichkeit. Wenn die Observanz des Glaubens, die Glaubenspraxis sich verweltlicht. Und alles weltlich ist. Denken wir etwa an die Feier einiger Sakramente in einigen Gemeinden: Wie viel Weltlichkeit gibt es da doch! Und man wird sich der Gnade der Gegenwart Christi nicht recht bewusst.

Das sind die Dinge, die uns davon abhalten, zu den Schafen Jesu zu gehören. Wir sind »Schafe«, die all diesen Dingen [nachfolgen]: den Reichtümern, der Trägheit, der Rigidität, der Weltlichkeit, dem Klerikalismus, den Bestimmungen, den Ideologien, den Lebensweisen. Es fehlt die Freiheit. Und ohne Freiheit kann man Jesus nicht nachfolgen. »Aber manchmal geht die Freiheit zu weit und man rutscht aus«: Ja, das stimmt. Das ist wahr. Wir können ins Rutschen kommen, wenn wir in Freiheit gehen. Schlimmer ist aber, auszurutschen, bevor man überhaupt angefangen hat zu gehen, dank all dieser Dinge, die uns daran hindern, loszugehen.

Möge der Herr uns erleuchten, so dass wir in uns schauen können, ob da die Freiheit ist, durch die Tür einzutreten, die Jesus ist, und über Jesus hinauszugehen, um Herde zu werden, um Schafe seiner Herde zu werden.

Der Papst lud alle, die die sakramentale Kommunion nicht empfangen können, mit dem folgenden Gebet zur geistlichen Kommunion ein: »Mein Jesus, ich glaube, dass du im allerheiligsten Sakrament des Altares zugegen bist. Ich liebe dich über alles und meine Seele sehnt sich nach dir. Da ich dich aber jetzt im Sakrament des Altares nicht empfangen kann, so komme wenigstens geistigerweise zu mir. Ich umfange Dich, als wärest Du schon bei mir und vereinige mich mit Dir! Ich bete Dich in tiefster Ehrfurcht an. Lass nicht zu, dass ich mich je von Dir trenne.«