Zu Beginn der Frühmesse in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses Santa Marta am Montag, 4. Mai, rief Papst Franziskus zum Gebet für die Familien auf: »Wir wollen heute für die Familien beten: In dieser Zeit der Quarantäne versucht die Familie, die zuhause bleiben muss, viele neue Dinge zu tun, viel Kreatives mit den Kindern, mit allen, um voranzugehen. Und es gibt auch die andere Seite: Manchmal kommt es zu häuslicher Gewalt. Beten wir für die Familien, dass sie diese Quarantäne im Frieden, mit Kreativität und Geduld fortsetzen.«
In seiner Predigt mahnte der Papst mit Bezug auf die Erste Lesung (Apg 1,1-18) und auf das Tagesevangelium (Joh 10,1-10) vor Spaltungen, die dort entstehen, wo man die eigenen Ideen über die Einheit der vom Heiligen Geist geleiteten Kirche stellt. Er sagte:
Als Petrus nach Jerusalem hinaufkam, machten die Gläubigen ihm Vorhaltungen (vgl. Apg 11,1-18 ). Sie hielten ihm vor, dass er bei Unbeschnittenen eingekehrt war und mit ihnen, mit den Heiden, gegessen habe: Das durfte man nicht, es war eine Sünde. Die Reinheit des Gesetzes gestattete es nicht. Petrus hatte es jedoch getan, weil der Geist ihn dorthin geführt hatte. In der Kirche – und vor allem in der Urkirche, weil die Sache nicht klar war – gibt es immer diesen Geist, der sagt: »Wir sind die Gerechten, die anderen die Sünder«. Dieses »wir und die anderen«, »wir und die anderen«, die Spaltungen: »Wir haben genau die richtige Position vor Gott.« Dagegen gibt es die anderen. Man sagt auch: Sie sind bereits »verurteilt«. Und das ist eine Krankheit der Kirche: eine Krankheit, die aus Ideologien oder religiösen Parteien entsteht… Denken wir daran, dass es zur Zeit Jesu mindestens vier religiöse Parteien gab: die Partei der Pharisäer, die Partei der Sadduzäer, die Partei der Zeloten und die Partei der Essener. Und jede legte das Gesetz nach der eigenen »Idee« aus. Und diese Idee ist eine »außer-gesetzliche« Schule, wenn sie eine weltliche Art zu denken, zu empfinden ist, die sich zum Sprachrohr des Gesetzes macht. Sie hielten auch Jesus vor, dass er das Haus von Zöllnern betrat – ihnen zufolge waren es Sünder –, um mit ihnen, mit den Sündern, zu essen, denn die Reinheit des Gesetzes gestattete es nicht (vgl. Mt 9,10-11). Und er wusch sich nicht die Hände vor der Mahlzeit (vgl. Mt 15, 2,20)… Immer jene Vorhaltung, die Spaltung schafft: Das ist der wichtige Punkt, den ich hervorheben möchte.
Es gibt Ideen, Positionen, die Spaltung schaffen – so dass die Spaltung sogar wichtiger ist als die Einheit. Meine Idee ist wichtiger als der Heilige Geist, der uns leitet. Ein verdienstvoller Kardinal hier im Vatikan, ein guter Hirte, sagte zu seinen Gläubigen: »Die Kirche ist wie ein Fluss, weißt du? Einige sind mehr auf dieser Seite, einige auf der anderen Seite, aber wichtig ist, dass wir alle im Fluss sind.« Das ist die Einheit der Kirche. Keiner draußen, alle drinnen. Dann mit den Besonderheiten: Das spaltet nicht, das ist keine Ideologie, das ist gestattet. Aber warum hat die Kirche diese Weite, wie ein Fluss? Weil der Herr es so will.
Der Herr sagt zu uns im Evangelium: »Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten« (Joh 10,16). Der Herr sagt: »Ich habe überall Schafe, und ich bin der Hirt aller.« Dieses »alle« ist bei Jesus sehr wichtig. Denken wir an das Gleichnis vom Hochzeitsmahl (vgl. Mt 22,1-10), als die eingeladenen Gäste nicht hingehen wollten: Einer, weil er einen Acker gekauft hatte, einer hatte geheiratet… jeder hatte seinen Grund, um nicht hinzugehen. Und der König wurde zornig und hat gesagt: »Geht also an die Kreuzungen der Straßen und ladet alle, die ihr trefft, zur Hochzeit ein!« (V. 9). Alle. Große und Kleine, Reiche und Arme, Gute und Böse. Alle. Dieses »alle« ist ein wenig die Auffassung vom Herrn, der für alle gekommen und für alle gestorben ist. » Ist er denn auch für jenen Bösewicht gestorben, der mir das Leben schwer gemacht hat?« Er ist auch für ihn gestorben. »Und für jenen Räuber?« Er ist für ihn gestorben. Für alle. Und auch für die Menschen, die nicht an ihn glauben oder die anderen Religionen angehören: Für alle ist er gestorben. Das bedeutet nicht, dass man Proselytismus betreiben soll: nein. Aber er ist für alle gestorben, er hat alle gerechtfertigt.
Hier in Rom gab es eine Dame, eine gute Frau, eine Professorin, Frau Professor [Maria Grazia] Mara. Wenn sie in Schwierigkeiten war, wegen vieler Dinge, und es gab viele Parteien, sagte sie: »Christus ist für alle gestorben: Gehen wir voran!« Jene konstruktive Fähigkeit. Wir haben nur einen Erlöser, eine Einheit: Christus ist für alle gestorben. Die Versuchung dagegen… auch Paulus hat sie erlitten: »Ich halte zu Paulus, ich halte zu Apollos, ich halte zu diesem, ich halte zu jenem…« (vgl. 1 Kor 3,1-9). Und denken wir an uns, vor 50 Jahren, an die Zeit nach dem Konzil: die Spaltungen, die die Kirche erlitten hat. »Ich stehe auf dieser Seite, ich denke so, du so…« Ja, es ist gestattet, so zu denken, aber in der Einheit der Kirche, unter dem Hirten Jesus.
Zwei Dinge. Der Vorwurf, den die Apostel an Petrus richteten, weil er im Haus der Heiden eingekehrt war, und Jesus, der sagt: »Ich bin der Hirt aller.« Ich bin der Hirt aller. Und dass er sagt: »Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben« (Joh 10,16 ). Es ist das Gebet für die Einheit aller Menschen, denn alle Männer und Frauen, alle haben wir den einen Hirten: Jesus.
Der Herr befreie uns von jener inneren Haltung der Spaltung, zu spalten. Und er möge uns helfen, Jesus so zu sehen, diese große Sache Jesu, dass wir in ihm alle Brüder und Schwestern sind und er der Hirte aller ist. »Alle, alle!«: Dieses Wort möge uns durch den heutigen Tag begleiten.
Nach dem Wortgottesdienst folgte die Eucharistiefeier, nach der die Gläubigen, die die sakramentale Kommunion nicht empfangen können, zur geistlichen Kommunion eingeladen wurden. Anschließend wurde das Allerheiligste auf dem Altar ausgesetzt und es folgte eine Zeit der stillen Anbetung. Die heilige Messe wurde mit dem feierlichen eucharistischen Segen und dem Gesang der österlichen marianischen Antiphon Regina Caeli abgeschlossen.