In seiner Einleitung zur Feier der Frühmesse im Haus Santa Marta wandte Papst Franziskus am Sonntag, 10. Mai, seine Gedanken Europa zu:
Gestern und vorgestern haben zwei Gedenkfeiern stattgefunden: Zum 70. Jahrestag der Erklärung Robert Schumans, mit der die Europäische Union ins Leben gerufen wurde, und auch das Gedenken an das Ende des Krieges. Bitten wir den Herrn für das heutige Europa, dass es in dieser Einheit der Brüderlichkeit, die alle Völker in der Einheit in der Vielfalt wachsen lässt, geeint wachsen möge.
Franziskus konzentrierte seine Predigt dann auf das Gebet. Er kommentierte das heutige Evangelium (Joh 14,1-12), in dem Jesus seinen Jüngern sagt, dass wer an ihn glaubt, auch die Werke tue, die er tut, und auch größere Werke, weil er zum Vater gehe:
In diesem Abschnitt aus dem Evangelium (vgl. Joh 14,1-14), sagt Jesus in seiner Abschiedsrede, dass er zum Vater gehe. Und er sagt: »Amen, amen, ich sage euch: Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich vollbringe, auch vollbringen und er wird noch größere als diese vollbringen, denn ich gehe zum Vater. Alles, um was ihr in meinem Namen bitten werdet, werde ich tun, damit der Vater im Sohn verherrlicht wird. Wenn ihr mich um etwas in meinem Namen bitten werdet, werde ich es tun« (V. 12-14). Wir können sagen, dass dieser Abschnitt aus dem Johannesevangelium die Erklärung des Aufstiegs zum Vater ist.
Der Vater war im Leben Jesu immer gegenwärtig, und Jesus sprach darüber. Jesus betete zum Vater. Und viele Male sprach er vom Vater, der sich unser annimmt, wie er sich der Vögel, der Lilien auf dem Feld annimmt... Der Vater. Und als die Jünger ihn baten, sie beten zu lehren, lehrte Jesus sie, zum Vater zu beten: »Vater unser« (Mt 6,9). Er wendet sich immer an den Vater. Aber in diesem Abschnitt ist er sehr stark; und es ist auch, als öffne er der Allmacht des Gebets die Türen. »Denn ich bin beim Vater: du bittest und ich werde alles tun. Aber weil es der Vater mit mir tun wird« (vgl. Joh 14,11). Dieses Vertrauen in den Vater, das Vertrauen in den Vater, der alles vermag. Dieser Mut zum Gebet, denn zum Beten braucht man Mut! Es bedarf desselben Mutes, derselben Offenheit wie zum Predigen: desselben. Denken wir an unseren Vater Abraham, als er – ich glaube, man drückt es so aus – mit Gott »feilschte«, um Sodom zu retten (vgl. Gen 18,20-33): »Was wäre, wenn sie weniger wären? Und weniger? Und weniger?« Wirklich, er wusste, wie man »verhandelt«. Aber immer mit diesem Mut: »Entschuldige, Herr, aber gewähre mir einen Preisnachlass: ein bisschen weniger, noch ein bisschen weniger...«. Immer der Mut, im Gebet zu kämpfen, denn Beten ist Kämpfen: Kampf mit Gott. Und dann ist da Mose: die beiden Male, als der Herr das Volk vernichten wollte (vgl. Ex 32,1-35 und Num 11,1-3) und ihn zum Führer eines anderen Volkes machen wollte, sagte Mose »Nein!« Und er sagte »Nein« zum Vater! Mit Mut! Aber wenn du auf diese Weise beten gehst – [er wispert ein zaghaftes Gebet] – dann ist das ein Mangel an Respekt! Beten heißt, mit Jesus zum Vater zu gehen, der dir alles geben wird. Mut im Gebet, Aufrichtigkeit im Gebet. Dasselbe, worauf es auch bei der Verkündigung ankommt.
Und in der ersten Lesung haben wir von diesem Konflikt in der Frühzeit der Kirche gehört(vgl. Apg 6,1-7), weil Christen griechischer Herkunft murrten – sie tuschelten, sie murrten, das pflegte man schon damals zu tun: man sieht, dass es eine Gewohnheit der Kirche ist... – sie murrten, weil ihre Witwen, ihre Waisen nicht gut versorgt wurden; die Apostel hatten zu vielen Dingen keine Zeit. Und [gemeinsam mit den Aposteln] »erfand« Petrus, vom Heiligen Geist erleuchtet, sozusagen die Diakone. »Lasst uns aber eines tun: Lasst uns sieben gute Menschen suchen, und dass diese Menschen sich um den Dienst kümmern« (vgl. Apg 6,2-4): der Diakon ist der Wächter des Dienstes in der Kirche.. »Und so werden diese Leute, die sich zu Recht beschweren, im Hinblick auf ihre Bedürfnisse versorgt, wir aber – so Petrus - wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben« (vgl. V. 4-5). Das ist die Aufgabe des Bischofs: Beten und predigen. Mit dieser Kraft, die wir im Evangelium gehört haben: der Bischof ist der erste, der zum Vater geht, mit dem Vertrauen, das Jesus gegeben hat, mit dem Mut, mit dem Freimut, für sein Volk zu kämpfen. Die erste Aufgabe eines Bischofs ist das Beten. Petrus sagte es: »Und uns das Gebet und die Verkündigung des Wortes«.
Ich habe einen Priester gekannt, einen heiligen, guten Pfarrer, der, wann immer er einen Bischof besuchte, ihn grüßte, nun ja, sehr liebenswürdig, und immer die Frage stellte: »Exzellenz, wie viele Stunden am Tag beten Sie?«, und immer erklärte: »Denn die erste Pflicht ist das Gebet«. Denn es ist das Gebet des Oberhauptes der Gemeinde für die Gemeinde, die Fürbitte an den Vater, dass er das Volk beschütze.
Das Gebet des Bischofs, die erste Aufgabe: beten. Und die Menschen, die den Bischof beten sehen, lernen zu beten. Denn der Heilige Geist lehrt uns, dass es Gott ist, der »es tut«. Wir tun ein bisschen, aber er ist es, der die Dinge der Kirche »tut«, und das Gebet ist es, was die Kirche voranbringt. Und eben deshalb müssen die Führer der Kirche, um es so auszudrücken, die Bischöfe, mit dem Gebet vorangehen.
Dieses Wort des Petrus ist prophetisch: »Das alles sollen die Diakone tun, damit das Volk gut behütet ist und seine Probleme und auch seine Nöte gelöst werden. Uns aber, den Bischöfen, kommen das Gebet und die Verkündigung des Wortes zu«.
Es ist traurig, gute Bischöfe zu sehen, tüchtige, gute Leute, die aber mit vielen Dingen beschäftigt sind, mit der Wirtschaft und mit diesem und jenem und jenem und jenem... Das Gebet an erster Stelle. Dann erst die anderen Dinge. Aber wenn die anderen Dinge dem Gebet Platz wegnehmen, dann funktioniert etwas nicht. Und das Gebet ist aus dem Grund so stark, den wir im Evangelium Jesu gehört haben: »Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich vollbringe, auch vollbringen und er wird noch größere als diese vollbringen, denn ich gehe zum Vater. Alles, um was ihr in meinem Namen bitten werdet, werde ich tun, damit der Vater im Sohn verherrlicht wird« (Joh 14,12-13). So geht die Kirche weiter, mit dem Gebet, mit dem Mut zum Gebet, denn die Kirche weiß, dass sie ohne diesen Aufstieg zum Vater nicht überleben kann.
Der Papst beendete die Messfeier wie immer mit der Anbetung und dem eucharistischen Segen und lud die Menschen zur geistlichen Kommunion ein.