Messe in Santa Marta

Der Freimut ist der Stil der christlichen Verkündigung

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18. April 2020

Zu Beginn der Frühmesse am 18. April, dem Samstag der Osteroktav, betete Papst Franziskus insbesondere für behinderte Menschen, die mit COVID-19 infiziert sind: »Gestern habe ich einen Brief von einer Ordensschwester erhalten, die als Übersetzerin in die Gebärdensprache für Taubstumme arbeitet, und sie berichtete mir von der sehr schwierigen Arbeit, die die Mitarbeiter im Gesundheitswesen, die Krankenpfleger, die Ärzte mit behinderten Kranken haben, die sich mit COVID-19 angesteckt haben. Beten wir für jene, die stets im Dienst an jenen Menschen stehen, die andere Fähigkeiten haben, aber nicht jene Fähigkeiten, die wir haben.«

In seiner Predigt thematisierte der Heilige Vater mit Bezug auf die Lesung aus der Apostelgeschichte (4,13-21) das Thema des Freimuts, der ein Erkennungszeichen des Christen ist. Er sagte:

Als die Oberen, die Ältesten, die Schriftgelehrten diese Männer sehen und den Freimut, mit dem sie sprechen, und da sie wussten, dass es ungebildete Leute waren, die vielleicht nicht einmal schreiben konnten, wunderten sie sich. Sie verstanden es nicht: »Das können wir nicht verstehen, wieso diese Leute so mutig sind, woher sie diesen Freimut haben« (vgl. Apg 4,13). Dieses Wort ist ein sehr wichtiges Wort, das zum Stil der christlichen Verkündiger wird, auch in der Apostelgeschichte: Freimut. Mut. Es bedeutet all das. Klar sprechen. Es kommt von der griechischen Wurzel, alles zu sagen, und auch wir benutzen dieses Wort oft, das griechische Wort, um das zum Ausdruck zu bringen: Parrhesia, Freimut, Mut. Und sie sahen diesen Freimut, diesen Mut, diese Parrhesia in ihnen und verstanden es nicht.

Freimut. Der Mut und der Freimut, mit denen die ersten Apostel predigten… Die Apostelgeschichte zum Beispiel ist voll davon: Es heißt dort, dass Paulus und Barnabas den Juden das Geheimnis Jesu »mit Freimut« zu erklären versuchten und dass sie das Evangelium »mit Freimut« verkündigten (vgl. Apg 13,46).

Es gibt jedoch einen Vers im Brief an die Hebräer, der mir sehr gefällt: als der Autor des Briefes an die Hebräer merkt, dass etwas in der Gemeinde ist, das nachlässt, das etwas verlorengeht, dass eine gewisse Lauheit da ist, dass diese Christen lau werden. Und er sagt – ich erinnere mich nicht genau an das Zitat – er sagt dies: »Erinnert euch an die früheren Tage, in denen ihr einen harten Leidenskampf auf euch genommen habt: Werft jetzt nicht euren Freimut weg « (vgl. Hebr 10,32-35). »Nimm ihn wieder auf«, den Freimut wiederaufnehmen, den christlichen Mut voranzugehen. Man kann kein Christ sein, ohne dass dieser Freimut kommt: Wenn er nicht kommt, bist du kein guter Christ. Wenn du keinen Mut hast, wenn du, um deine Position zu erklären, in Ideologien oder kasuistische Erklärungen abrutschst, dann fehlt dir jener Freimut, dann fehlt dir jener christliche Stil, die Freiheit im Sprechen, alles zu sagen. Der Mut.

Und dann sehen wir, dass die Oberen, die Ältesten und die Schriftgelehrten Opfer sind. Sie sind Opfer jenes Freimuts, weil er sie in die Ecke drängt: Sie wissen nicht, was sie tun sollen. Als sie merken, »dass es ungebildete und einfache Leute waren, wunderten sie sich. Sie erkannten sie als Jünger Jesu, sahen aber auch, dass der Geheilte bei ihnen stand; so konnten sie nichts dagegen sagen« (Apg 4,13-14). Statt die Wahrheit zu akzeptieren, wie man sie sah, war ihr Herz so verschlossen, dass sie den Weg der Diplomatie, den Weg des Kompromisses gesucht haben: »Jagen wir ihnen etwas Angst ein. Sagen wir zu ihnen, dass man sie bestrafen wird, und sehen wir, ob sie dann schweigen« (Apg 4,13-14). Sie sind wirklich in die Ecke gedrängt von dem Freimut: Sie wussten nicht, wie sie dort herauskommen sollten. Es kam ihnen jedoch nicht in den Sinn zu sagen: »Aber ist es nicht vielleicht wahr?« Das Herz war bereits verschlossen, es war hart: Das Herz war verdorben. Das ist eines der Dramen: Die Kraft des Heiligen Geistes, die in diesem Freimut der Verkündigung, in dieser Torheit der Verkündigung zum Ausdruck kommt, kann nicht in verdorbene Herzen eintreten. Geben wir daher acht: Sünder ja, verdorben nie. Und wir dürfen nicht zu dieser Verderbnis gelangen, die in vielen Formen zum Ausdruck kommt…

Sie waren jedoch in die Ecke gedrängt und wussten nicht, was sie sagen sollten. Und am Ende haben sie einen Kompromiss gefunden: »Drohen wir ihnen etwas, jagen wir ihnen etwas Angst ein.« Und sie fordern von ihnen – sie ermahnten sie und befahlen es ihnen –, sie fordern von ihnen, nie wieder im Namen Jesu zu verkünden und zu lehren. »Schließen wir Frieden: Ihr könnt im Frieden gehen, aber ihr dürft nicht im Namen Jesu verkünden und lehren« (vgl. Apg 4,18). Sie kannten Petrus: Er zeichnete sich nicht gerade durch seinen Mut aus. Er war ein Feigling gewesen, er hat Jesus verleugnet. Aber was ist jetzt geschehen? Sie antworten ihnen: »Ob es vor Gott recht ist, mehr auf euch zu hören als auf Gott, das entscheidet selbst. Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben« (Apg 4,19-20). Aber woher nimmt er diesen Mut – dieser Feigling, der den Herrn verleugnet hat? Was ist im Herzen dieses Menschen geschehen? Das Geschenk des Heiligen Geistes: der Freimut, der Mut, die Parrhesia ist ein Geschenk, eine Gnade, die der Heilige Geist am Pfingsttag schenkt. Gleich nachdem sie den Heiligen Geist empfangen haben, sind sie aufgebrochen, um zu verkündigen: Sie waren etwas mutig, etwas Neues für sie. Das ist Konsequenz, das Zeichen des Christen, des wahren Christen. Er ist mutig, sagt die ganze Wahrheit, weil er konsequent ist.

Und zu dieser Konsequenz ruft der Herr in der Aussendung. Nach dieser Zusammenfassung, die Markus im Evangelium macht: »Am frühen Morgen auferstanden« (16,9) – eine Zusammenfassung der Auferstehung – »tadelte er ihren Unglauben und ihre Verstocktheit, weil sie denen nicht glaubten, die ihn nach seiner Auferstehung gesehen hatten« (V.14). Aber mit der Kraft des Heiligen Geistes – es ist der Gruß Jesu: »Empfangt den Heiligen Geist« – sagte er zu ihnen: »Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung!« (Mk 16,15), geht hinaus mit Mut, geht mit Freimut, habt keine Angst. Ich greife noch einmal den Brief an die Hebräer auf: »Werft euren Freimut nicht weg, werft dieses Geschenk des Heiligen Geistes nicht weg« (vgl. Hebr 10,35). Genau hier entsteht die Sendung, aus diesem Geschenk, das uns mutig macht, freimütig in der Verkündigung des Wortes.

Der Herr möge uns helfen, immer so zu sein: mutig. Das bedeutet nicht unbesonnen: nein, nein. Mutig. Der christliche Mut ist immer besonnen, aber er ist Mut.

Der Papst lud alle, die die sakramentale Kommunion nicht empfangen können, mit dem folgenden Gebet zur geistlichen Kommunion ein: »Zu deinen Füßen, o mein Jesus, werfe ich mich nieder und bringe Dir die Reue meines zerknirschten  Herzens  dar, das sich mit seinem  Nichts  in Deiner heiligen Gegenwart verdemütigt. Ich bete Dich an im Sakrament Deiner Liebe, der unfassbaren Eucharistie. Ich sehne mich danach, Dich in der armen Wohnstatt meines Herzens zu empfangen. Während ich das Glück der sakramentalen Kommunion erwarte, möchte ich Dich im Geist besitzen. Komm zu mir, o mein Jesus, da ich zu Dir komme! Die Liebe umfange mein ganzes Sein im Leben und im Tod. Ich glaube an Dich, ich hoffe auf Dich, ich liebe Dich. Amen.« Nach   einer   Zeit   der   Anbetung   und   dem   eucharistischen   Segen wurde   in der Kapelle des Gästehauses Santa Marta, die dem Heiligen Geist geweiht ist, die österliche marianische Antiphon Regina Caeli angestimmt.