Schwester Michaela O’Connor hat in Richmond, Kalifornien, eine enge Verbindung zu den Khmu, einer ethnischen Gruppe aus dem Bergland von Nordlaos, aufgebaut. Sie ist ihre Lieblingslehrerin, Freundin und Vertrauensperson. Die Älteren von ihnen können nicht lesen. Daher bitten sie Sr. Michaela: »Erzähl uns eine Geschichte aus der Bibel!«
Als Sr. Michaela für die Diözese Oakland arbeitete, lernte sie Anfang der 1990-er Jahre die Khmu kennen. Obwohl es ein Diözesanbüro für Ethnische Gruppen gab, fühlten sich die Khmu dort nicht aufgehoben, da sie nur eine kleine Gruppe waren. Sie suchten dort Unterstützung für die Weitergabe des Glaubens an ihre Kinder. Schon als Sr. Michaela ihnen zum ersten Mal begegnete, fühlte sie sich zu ihnen hingezogen. »Sie sind freundliche, liebenswerte Leute mit starken Werten in Bezug auf Familie und Gemeinschaft, und sie sind sehr herzlich. Ich wollte ihnen wirklich helfen, aber das Büro für Religionsunterricht wurde damals gerade umgestaltet, und ich wusste nicht, was ich ihnen versprechen konnte.« So traf sich Sr. Michaela informell und ehrenamtlich einmal pro Woche mit den Khmu-Frauen und hat sie seitdem nicht mehr verlassen.
Die Khmu stammen aus den Hügeln von Laos und wurden lange Zeit von der Regierung ignoriert. Französische und italienische Missionare brachten nach Mitte des 19. Jahrhunderts das Christentum dorthin. Die Khmu hatten versucht, ihre Sprache in Schriftform zu bringen, was jedoch nie richtig gelang. Es stand ihnen auch keine Schulbildung zur Verfügung, es sei denn, sie verließen ihre Heimat in den Hügeln. Außerdem wurde sonst auf Lao unterrichtet, einer Sprache, die sie nicht kannten. Daher lernten nur sehr wenige Khmu lesen.
Als die Kommunisten Mitte der 1970-er Jahre die Macht in Laos übernahmen, wurden die Khmu aufgrund ihrer Religion verfolgt. Wer konnte, floh in andere Länder. So ließen sich Anfang der 1980-er Jahre einige Khmu-Flüchtlinge in Richmond, Kalifornien, nieder, um ein neues Leben für ihre Familien aufzubauen. Als sie ankamen, wussten sie nur sehr wenig über das Leben in Amerika, und die meisten von ihnen sprachen kein Englisch. Sie baten ganz selbstverständlich die Kirche um Hilfe, und so kam Sr. Michaela in ihr Leben.
Mit der Zeit wurde Sr. Michaela zur Gemeindeschwester in Vollzeit für die Khmu. Zunächst kam die Diözese für ihre Stelle auf. Als die entsprechenden Mittel nicht mehr zur Verfügung standen, bezahlte ihre Gemeinschaft, die Schwestern der Heiligen Familie, sie als Missionarin bei den Khmu. Dem missionarischen Geist treu, kümmerte sich
Sr. Michaela um alle Bedürfnisse: »Ich habe viele Arten von Sozialarbeit geleistet, für die ich nicht ausgebildet war, einschließlich Migrationsarbeit, Hilfe bei Lebensmittelmarken, anderen staatlichen Programmen und Stipendien für die Kinder. Und ich habe Formulare aller Arten ausgefüllt. Da die Khmu keine Schriftsprache haben, ist der Papierkram für sie nicht einfach zu bewältigen.«
Immer wieder haben sich Mitglieder der Khmu-Gemeinschaft an
Sr. Michaela gewandt, wenn sie Anpassungsschwierigkeiten hatten. Sie hat sich mit ihnen gefreut, mit ihnen geweint und ihre Liebe zu Christus gefördert. So sehr die Khmu ihr neues Land auch lieben, pflegen sie doch weiterhin ihr traditionelles Brauchtum und ihre Kultur.
Auf Wunsch des Bischofs zog die Khmu-Gemeinde kürzlich in eine kleinere Pfarrei in Richmond um. In »Saint David of Wales« fanden sie herzliche Aufnahme und konnten viele neue Kontakte knüpfen. Dennoch sind sie eine eigenständige Gruppe geblieben, mit einem eigenen Pfarrgemeinderat und Gottesdiensten in ihrer Sprache.
Es gibt jetzt neue Generationen von Khmu, die in den Vereinigten Staaten aufgewachsen sind. Auch sie möchten, dass Sr. Michaela so oft wie möglich bei ihnen ist. Seit 2021 gehört Sr. Michaela zum Leitungsteam der Schwestern der Heiligen Familie. Doch sie bleibt den Khmu treu und verbringt als »Freiwillige« Zeit mit ihnen. Fast jeden Samstag fährt sie eine Stunde, um die Messe mit ihnen zu feiern und mit ihnen zusammen zu sein.
Die geistliche und praktische Unterstützung von Familien ist seit 1872 das Charisma der Schwestern der Heiligen Familie. Der Erzbischof von San Francisco, Joseph S. Alemany, hatte zu ihrer Gründerin,
Sr. Dolores, gesagt: »Es gibt im Trubel unserer Stadt Herzen zu heilen und Seelen zu retten. Das ist die Arbeit, die Gott von euch will.« Wie Hunderte Schwestern vor ihr bringt auch Sr. Michaela die Liebe Jesu zu den Menschen, dorthin, wo sie leben. Für sie war dieser Ort ein Winkel in Richmond, Kalifornien, wo sie und die Khmu ein Band der Liebe und des Vertrauens geknüpft haben, das ein Leben lang halten wird.
#sistersproject
Von Charlotte Hall