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Interview mit dem Vikar der Pfarrei »Heilige Familie« im Gaza-Streifen

Wir werden mit Christus auferstehen

TOPSHOT - A Palestinian girl wearing a pink dress stands amidst the ruins of the Al-Faruq Mosque ...
12. April 2024

P. Yusuf Asad, 49 Jahre, Ägypter, Priester des »Instituto del Verbo Encarnado«, ist seit fünf Jahren Vikar der Pfarrei »Heilige Familie« im Gaza-Streifen. Der Gemeindepfarrer konnte nach dem 7. Oktober nicht wieder nach Gaza einreisen, daher leitet P. Yusuf seitdem die kleine christliche Gemeinschaft in Gaza, die sich seit fast sechs Monaten auf dem Gelände der Pfarrei verbarrikadiert hat.

P. Yusuf, wie ist die Situation in diesen Tagen vor Ostern?

Es ist eine schlimme Situation, das braucht man kaum zu sagen. Auch wenn viele von uns sich bemühen, eine gewisse Zuversicht auszustrahlen, wird die Situation immer schwieriger. Es fehlt an allem. Das Wenige, was man noch kaufen kann, ist kaum bezahlbar: ein Kilo Tomaten kostet bis zu 100 Schekel (ca. 28 Euro), 16 Liter Diesel für die Generatoren kosten 1200 Schekel (ca. 340 Euro). Wir essen alles, was wir auftreiben können, auch wenn die Lebensmittel bereits das Verfallsdatum überschritten haben. Aber was uns am meisten quält, das ist sicherlich die Tatsache, dass wir uns nicht sicher fühlen können, und zu wissen, dass es im ganzen Gaza-Streifen keinen einzigen sicheren Ort gibt. Auch heute wurde hier in der Nähe, nur einige hundert Meter entfernt, ein Archäologisches Museum bombardiert. Die Menschen haben Angst, die Kirche zu verlassen, auch wenn es notwendig ist, denn sie sind dann der Gefahr tödlicher Schüsse ausgesetzt. Was uns sehr belastet, ist auch, dass niemand weiß, wie lange dies alles noch dauern wird.

Wie viele Menschen leben in der Pfarrei?

Auf dem Grundstück der Pfarrei befinden sich etwa 550 Menschen sowohl aus der katholischen als auch aus der orthodoxen Pfarrei, denn nach der Bombardierung der Kirche des heiligen Porphyrios sind sie hierher gekommen. Und dann sind da noch die Kinder, die von den Mutter-Teresa-Schwestern betreut werden. Sie sind die einzigen muslimischen Anwesenden hier. Bisher waren unter den Toten 31 Christen. Zwei, eine Mutter und ihre Tochter, wurden hier auf dem Gelände getötet. Eine andere, eine Musiklehrerin in Pension, wurde auf der Straße getötet, auf dem Weg von der Kirche zu ihrem Haus. Und dann all die Opfer der Bombardierung der griechisch-orthodoxen Kirche durch die Israelis. Hinzu kommen noch all diejenigen, die gestorben sind, weil sie bereits krank waren und keine medizinische Hilfe mehr erhalten konnten. Von den kranken Kindern, um die wir uns kümmern, sind seit Kriegsbeginn bereits sieben gestorben. Es fehlt an Medikamenten gegen Diabetes, Bluthochdruck. Die Tatsache, dass so viele Menschen gezwungen sind, in großer Enge zu leben, hat zur Verbreitung verschiedener Viruserkrankungen beigetragen, sowohl Grippe als auch Magen-Darm-Infekte, manche auch mit schweren Verläufen. Wenn es uns gelingt, Medikamente zu finden, werden sie na-türlich geteilt, auch mit den Muslimen, die sich zurzeit auf dem Pfarreigelände befinden.

Haben Sie medizinische Hilfe?

Unter den Geflüchteten gibt es einige Ärzte. Und dann kommt Unterstützung durch die Caritas, das Lateinische Patriarchat und die Freiwilligenorganisationen hier vor Ort, auch wenn hier im Norden, wo wir uns befinden, nur wenige geblieben sind, weil sich die Flüchtlinge jetzt mehr im Süden und in Rafah konzentrieren. Und dann hatten wir bereits vor dem Krieg hier in der Pfarrei eine medizinische Anlaufstelle eingerichtet. Das wenige, was wir haben, verteilen wir an alle, die uns um Medikamente bitten. Neben dem, was uns die freiwilligen Helfer an Lebensmitteln bringen, gilt das Prinzip: Wer etwas auftreiben kann, zum Beispiel Kartoffeln oder etwas Milch, teilt es mit allen. Vorrang haben immer die Kinder. Bisher hat es uns der Schutz der Heiligen Familie nicht am Lebensnotwendigen fehlen lassen. Wir können dreimal pro Woche kochen und auch jetzt ohne Strom gelingt es uns, jeden Tag in einem Holzofen Brot zu backen, auch wenn das Mehl äußerst teuer ist. Deshalb können wir nur die Geflüchteten innerhalb der Pfarrei mit Brot versorgen.

Wenn das alles vorbei sein wird, wie könnten sie sich Gaza dann vorstellen?

Ein Gaza aus Sand. Ein langer Streifen Sand. Denn alles wurde zerstört. Kein Gebäude, keine Schule, kein Krankenhaus hat der Raserei der Bombardierungen standgehalten. Die Energie-, Gas-, Wasserversorgung: alles ist zerstört. Man muss mit dem Wiederaufbau bei Null anfangen. Dabei wissen wir überhaupt nicht, wer sich entschließen wird, in dieser Wüste aus Ruinen zu bleiben.
Viele haben Hoffnung und Vertrauen verloren und werden weggehen. Ja, sie wären schon längst gegangen, wenn das möglich gewesen wäre.

Wie wird das österliche Triduum in Gaza gefeiert?

Auch wenn wir jetzt die tragischsten Tage in der gesamten Geschichte des Gaza-Streifens erleben, werden die Liturgiefeiern wie gewohnt stattfinden, und wir haben sie auch mit mehr Hingabe vorbereitet als in den vergangenen Jahren. Sicherlich werden wir keinen Kreuzweg unter freiem Himmel abhalten können wie sonst. Und es ist unnötig zu erwähnen, dass zum Festessen an Ostern kein Fleisch auf den Tisch kommen wird. Ein Kilo Fleisch kostet 100 Dollar … Zum Fest des heiligen Josef, der der Patron unserer Kirche ist, weil er auf der Flucht nach Ägypten durch Gaza kam, haben wir, wie es unserer Tradition entspricht, mit Bohnen gefeiert. Jetzt ist es uns gelungen, wenn auch zu einem sehr hohen Preis, Eier zu kaufen, so dass wir jeder Familie zwei, drei Eier geben und den Kindern ein buntes Ei schenken können. Die Liturgie und die Gesänge werden so sein wie immer. Denn trotz all dieser Verzweiflung ist Christus auferstanden. Christus ist auferstanden und er ist hier bei uns.

Und dann haben wir mitten in so viel Not und Leid als Gemeinschaft auch ein Privileg: Es sind die Fürsorge, die Güte, die der Heilige Vater uns entgegenbringt, der uns jeden Abend um 20 Uhr anruft. Er fragt uns, wie es uns geht, zeigt uns seine Nähe, seine Sorge, sein Gebet, seinen Segen, seine Liebe zu diesen armen Menschen, sein Einsatz, damit dieser absurde Krieg bald zu Ende ist. Ich möchte ihm für seine Freundlichkeit danken und ihm hier in dieser Zeitung gesegnete Ostern wünschen. Christus ist auferstanden. Und wir werden mit ihm auferstehen!

(Orig. ital. in O.R. 29.3.2024)

Von Roberto Cetera